SAP will Russland nun doch vollständig verlassen. Der Softwarehersteller beendet künftig auch die Geschäftsbeziehungen zu den Bestandskunden – das dürfte aber dauern.
Softwarekonzern SAP
Intern forderten 1700 der weltweit 107.000 Mitarbeiter in einem offenen Brief an den Vorstand einen vollständigen Rückzug aus dem Markt.
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Düsseldorf SAP will das Geschäft in Russland vollständig einstellen: Der größte deutsche IT-Konzern hat am Dienstag einen „geordneten Ausstieg“ angekündigt. Auch Bestandskunden, die nicht von den internationalen Sanktionen betroffen sind, sollen somit künftig keine Updates und technische Unterstützung für ihre Software mehr erhalten.
Details, etwa wie lange die Umsetzung dauern soll, sind noch unklar. Man wolle den rechtlichen Verpflichtungen gegenüber nicht-sanktionierten Kunden nachkommen, sagte Finanzchef Luka Mucic. Zudem gelte es, die Auswirkungen auf die mehr als 1000 Mitarbeiter „auf verantwortungsvolle Weise zu handhaben“. Daher prüfe man verschiedene Optionen.
Unternehmen und Behörden in Russland werden die SAP-Technologie vermutlich noch einige Zeit nutzen können. Zum einen gelten gerade Verträge mit Großkunden, die individuell verhandelt werden, als komplex und enthalten lange Laufzeiten, die Abwicklung ist somit juristisch schwierig.
Zum anderen funktioniert Software auch ohne Unterstützung des Herstellers noch eine gewisse Zeit – bei einigen Lösungen könne es sich erfahrungsgemäß um mehrere Jahre handeln, sagte Finanzchef Mucic.
Der Manager betonte die „signifikante Komplexität“ des Rückzugs: „Wir sind nicht im Verbrauchergeschäft tätig, sondern verkaufen sehr komplexe Softwarelösungen.“ Angesichts dessen habe der Konzern recht schnell, aber verantwortungsvoll gehandelt.
Der Finanzchef reagierte damit auf die Kritik, die in den vergangenen Wochen immer lauter geworden war. Der SAP-Vorstand verurteilte zwar die russische Invasion: Vorstandssprecher Christian Klein sprach in einem Blogeintrag von einem „unmenschlichen und unberechtigten Angriff auf Demokratie und Menschlichkeit“. Trotzdem stellte der Konzern zunächst nur das Neugeschäft ein.
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Bestandskunden, sofern nicht von den Sanktionen betroffen, erhielten somit weiterhin Updates für lokale Installationen in ihren Organisationen und hatten überdies Zugriff auf die Cloud-Dienste, die in einem Rechenzentrum in Russland liefen – wobei Letztere nur ein Bruchteil der russischen Organisationen nutzen.
Der Softwarehersteller berief sich im Grundsatz auf drei Argumente.
Mit dieser Politik zog SAP einige Kritik auf sich. Der ukrainische Digitalminister Mykhailo Fedorov fragte den Konzern in einem Tweet, wie lange er Russland helfen wolle, Kinder zu töten – darunter ein Logo des Softwareherstellers, an dem Blut klebte. In den sozialen Medien griffen Nutzer diese Polemik auf. Intern forderten 1700 der weltweit 107.000 Mitarbeiter in einem offenen Brief an den Vorstand einen vollständigen Rückzug aus dem Markt.
Offenbar als Reaktion auf die Kritik kündigte SAP Ende März zusätzlich an, das Cloud-Geschäft in Russland zu beenden. Kunden bekamen allerdings die Möglichkeit, ihre Daten in Eigenregie zu übernehmen oder in ein Rechenzentrum außerhalb des Landes zu migrieren. Russischen Firmen werde der Konzern nach der Laufzeit – üblicherweise drei Jahre – keine Verlängerung mehr anbieten, hieß es am Dienstag.
Der genaue Effekt des Rückzugs auf das Geschäft ist noch unklar. „SAP war von allen internationalen Softwarefirmen die vielleicht erfolgreichste, weil wir als Deutsche uns extra Mühe gegeben haben, mit Russland klarzukommen, vielleicht sogar Freunde zu werden“, sagte Mitgründer Hasso Plattner in der vergangenen Woche dem Handelsblatt.
Derzeit erwirtschaftet der Konzern nach eigenen Angaben rund 1,5 Prozent seines Umsatzes in der Region, zu der auch Weißrussland und die Ukraine zählen, das entspricht rund 400 Millionen Euro. Gemessen am gesamten Geschäft sei das Risiko „nicht wesentlich“, sagte Finanzchef Mucic. Details dürfte SAP am Freitag mit den Zahlen fürs erste Quartal veröffentlichen.
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