PremiumNach Donald Trump hat nun auch der Rapper seine eigene Plattform. Eine exklusive Datenanalyse zeigt: Die rechten Anbieter können mit Twitter und Co. nicht mithalten.
Kanye West
Nach seinem Rauswurf bei Twitter und Instagram wegen antisemitischer Äußerungen will der Rapper das soziale Netzwerk Parler übernehmen.
Bild: dpa
San Francisco, New York In die Welt der konservativen Twitter-Konkurrenten kommt Bewegung: Kanye West, bekannter Rapper und Ex-Mann von Kim Kardashian, will die Social-Media-Plattform Parler kaufen. Das gab das Unternehmen am Montag bekannt. Ein Kaufpreis wurde nicht genannt.
Der Milliardär, der seinen Namen in „Ye“ geändert hat, hatte in der Vergangenheit bereits mit einer Präsidentschaftskandidatur für die Republikaner geliebäugelt und zuletzt vor allem mit antisemitischen Äußerungen für Skandale gesorgt. Unter anderem warf er dem Rapper Sean „Diddy“ Combs vor, von Juden kontrolliert zu sein. Deshalb wurde der 45-Jährige bei Twitter und Instagram blockiert.
Anfang dieses Monats geriet er zudem in die Kritik, weil er zur Präsentation seiner Kollektion auf der Pariser Modewoche ein „White Lives Matter“-T-Shirt trug. Daraufhin stellte der Sportartikelriese Adidas die Kooperation mit dem Künstler auf den Prüfstand.
Nun will West sich mit Parler, das sich als konservativer Rivale zu Twitter versteht, offenbar ein eigenes Sprachrohr sichern. „In einer Welt, in der konservative Meinungen als kontrovers gelten, müssen wir sichergehen, dass wir das Recht haben, uns frei zu äußern“, kommentierte West am Montag die Übernahme.
Mit dem Kauf von Parler hätten sowohl West als auch der Ex-Präsident der USA, Donald Trump, eine eigene Social-Media-Plattform. Beide wollen damit verhindern, dass ihre Posts gesperrt werden können, wie es Trump nach dem Sturm auf das Kapitol in Washington im Januar 2021 passierte.
Damals hatten US-Internetplattformen wie Twitter und Facebook den damaligen US-Präsidenten verbannt. Auch Parler wurde vorübergehend aus den App-Stores von Google und Apple entfernt.
Trump und seine Anhänger reagierten mit dem Aufbau eigener Plattformen. Doch bisher ist es ihnen nicht gelungen, ein Massenpublikum zu erreichen, wie eine Datenauswertung des Marktforschers Data.ai für das Handelsblatt zeigt. Für die Auswertung wählte das Handelsblatt neben Truth Social von Donald Trump und Parler noch die rechte Plattform Gettr. Keiner der Anbieter gibt selbst Daten zur Anzahl der Nutzer heraus.
Laut Analysen von Data.ai kam das Trump-Netzwerk Truth Social im April auf rund eine halbe Million täglich aktive Nutzer. Im Mai stieg die Zahl auf 725.000 an. Im Monat darauf fiel sie jedoch stark auf 261.000. Die konkurrierenden sozialen Netzwerke Parler und Gettr kamen auf deutlich geringere Nutzerzahlen.
Im Vergleich mit dem Kurzmitteilungsdienst Twitter erscheinen die Anbieter als sehr klein. Twitter hatte zwischen April und Juni laut Data.ai durchschnittlich mehr als 30 Millionen täglich aktive Nutzer.
Für die Monate danach liegen noch keine validierten Zahlen zur Anzahl der aktiven Nutzer vor. Dafür gibt es aber Zahlen, wie oft die zugehörige App heruntergeladen wurde. Demnach kam Truth Social im September – wenige Wochen vor den wichtigen Zwischenwahlen – nur noch auf 95.000 Downloads. Im April waren es noch 1,1 Millionen Downloads.
Truth Social
Das Netzwerk des ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump zählte im Juni nur 261.000 aktive Nutzer.
Bild: REUTERS
Damit ist es weder Truth Social, Parler oder Gettr gelungen, ein breites Publikum in den USA zu erreichen. Zum Vergleich: Auf Twitter hatte Ex-Präsident Donald Trump vor seiner Sperre noch mehr als 80 Millionen Follower, auf Truth Social sind es derzeit nur gut vier Millionen – wobei die Zahlen von Data.ai nahelegen, dass die Zahl der aktiven Nutzer nur im Bereich von mehreren Hunderttausend liegt.
Auch finanziell läuft es für die Trump-Plattform derzeit nicht gut. Eigentlich wollte der Ex-Präsident Truth Social durch die Verschmelzung mit der Mantelgesellschaft DWAC an die Börse bringen. Die Transaktion wollten Investoren mit der Gesamtsumme von einer Milliarde Dollar unterstützen. Doch der Prozess stockt.
Selbst der eigentlich dem ehemaligen US-Präsidenten wohlgesinnte Fernsehsender Fox News berichtete über Finanzprobleme des Netzwerks. Der Hosting-Anbieter Rightforge stellte die digitale Infrastruktur für Truth Social bereit, aber wartet laut Fox News auf die Zahlung unbeglichener Rechnungen in Höhe von 1,6 Millionen Dollar.
Zudem hatte Google die App im Play Store gesperrt, über den die meisten Anwendungen auf Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android installiert werden. „Wirksame Systeme zur Moderation nutzergenerierter Inhalte sind eine Bedingung unserer Nutzungsbedingungen“, teilte ein Google-Sprecher mit. Bei Truth Social seien erhebliche Verstöße festgestellt worden.
Die Nichtregierungsorganisation Public Citizen warf Truth Social etwa vor, Fälle von Hassrede zuzulassen, aber liberale politische Meinungen zu zensieren. Dennoch wurde die App vergangene Woche wieder in Googles App-Store aufgenommen.
Auch an der Börse steht DWAC stark unter Druck. Erreichten die Aktien im März noch einen Höchststand von rund 97 Dollar, liegt der Kurs aktuell mit 17,40 Dollar nur noch bei einem Fünftel dessen.
Die Zukunft von Truth Social könnte zudem stark durch den weiteren Kurs von Twitter beeinflusst werden. Tesla-Chef Elon Musk hatte nach längerem Hin und Her mitgeteilt, Twitter doch noch für 44 Milliarden Dollar kaufen zu wollen.
Das könnte Folgen für Donald Trump haben. Schließlich hatte Musk angekündigt, dem Ex-Präsidenten eine Rückkehr auf Twitter zu ermöglichen. Dieser hatte das Angebot zwar öffentlich abgelehnt. Etliche Tech-Experten vermuteten jedoch, Trump könnte dem Ruf von Twitter und seinen Möglichkeiten kaum widerstehen. „Twitter bietet ihm echte Reichweite, Truth Social ist nur eine Echokammer“, sagt etwa die Tech-Journalistin Kara Swisher.
Parler, das nun von West gekauft wird, hat ebenfalls mit erheblichen Problemen zu kämpfen. Zwischenzeitig wurde die Plattform nicht nur von Apple und Google gesperrt, sondern auch der Cloud-Dienst von Amazon entzog der Plattform die Bereitstellung von Infrastruktur. Parler war dadurch längere Zeit nicht nutzbar.
Unter dem neuen Chef George Farmer entließ die Plattform etliche Mitarbeiter. „In der Firma herrschte pures Chaos, als ich übernommen habe“, sagte Farmer. Er versprach Verbesserungen. Im August wurde Parler dann wie Truth Social von Google gesperrt. Im Gegensatz zu der Plattform von Donald Trump gelang es Parler jedoch, bereits nach kurzer Zeit wieder freigeschaltet zu werden.
Das dritte Netzwerk, Gettr, wurde von Trumps ehemaligem Pressesprecher Jason Miller gegründet. Es konnte jedoch nie eine ähnlich große Aufmerksamkeit wie Truth Social auf sich vereinen.
Es gibt zwar in den USA einen Teil der Bevölkerung, der Trump weiterhin unterstützt und nach alternativen Plattformen sucht, aber das Angebot ist stark fragmentiert, resümierte das US-Meinungsforschungsinstitut Pew Research.
Gleichzeitig nutzen rund drei Viertel der Nutzer von Netzwerken wie Truth Social oder Parler auch weiter etablierte Plattformen wie Twitter, Facebook oder Youtube. Den neuen Angeboten von Trump und seinen Anhängern scheint es damit nicht gelungen zu sein, die große Macht der dominanten Netzwerke zu unterlaufen.
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