Immer mehr Talente der Milliarden-Start-ups gründen selbst. Angesichts schwieriger werdender Rahmenbedingungen dürften sich ihre Erfahrungen bezahlt machen.
Delivery Hero
Aus dem Berliner Essenslieferdienst sind laut einer Studie besonders viele neue Start-ups hervorgegangen.
Bild: dpa
Berlin Mach 165 aus 25: Das ist eine Rechnung, die in Berlin aufgeht. Aus 25 Start-ups mit Milliardenbewertung in der Hauptstadt sind inzwischen 165 weitere Jungfirmen entstanden. Das geht aus einer dem Handelsblatt exklusiv vorliegenden Erhebung des Datendienstes Dealroom und des Investors Accel hervor.
Die meisten brachte mit 32 der weltweit tätige Essenslieferdienst Delivery Hero hervor. Damit gehört der Konzern auch europaweit zur Spitze. Nur aus dem Musikstreamingdienst Spotify aus Schweden sind ebenfalls noch 32 Start-ups hervorgegangen.
„Es fühlt sich fantastisch an, dass wir den Weg für all diese Start-ups geebnet haben“, sagt Delivery-Hero-Chef Niklas Östberg, der die Firma 2011 selbst mitgegründet hat, dem Handelsblatt. Das spreche für den Innovationsgeist und die Leidenschaft, die im Unternehmen herrsche.
Julian Teicke, Chef des Versicherungs-Start-ups Wefox, sieht das ähnlich. „Für mich gibt es fast nichts Schöneres und Erfüllenderes in meinem Unternehmeralltag, als wenn ein Mitarbeiter bei uns kündigt, um ein eigenes Unternehmen zu gründen“, sagt er. Inzwischen war das bei Wefox schon zwölfmal der Fall.
Gerade in der aktuell schwierigen Zeit für Start-ups, in der viele um frisches Geld kämpfen und sich am Markt beweisen müssen, sind erfahrene Gründer und Mitarbeiter gefragt. „Lange Zeit gab es dieses Wissen nur im Silicon Valley. Aber inzwischen hat ganz Europa auch Fachkräfte, die das alles nicht zum ersten Mal machen“, sagt Accel-Partner Harry Nelis, der hierzulande für Investments in Start-ups wie Personio und Celonis bekannt ist.
In München, wo beide Firmen beheimatet sind, entwickelten sich über die vergangenen Jahren aus sechs dort entstandenen Milliarden-Start-ups ganze 28 Jungfirmen. Deren Gründer sind im Schnitt nicht nur erfahrener, sondern auch älter und besser ausgebildet, wie aus der Erhebung hervorgeht.
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Nelis zufolge bringen die gesammelten Erfahrungen „dramatische Vorteile“ in Krisen mit sich: „Dinge werden einfacher, wenn man sie zum zweiten, dritten oder vierten Mal macht.“
Im Silicon Valley ist die „Paypal-Mafia“ zum Inbegriff einer erfolgreichen Gründerschmiede geworden. Gründer und erste Mitarbeiter des Bezahldienstes wie Elon Musk und Peter Thiel haben weltweit bekannte Firmen gestartet. Dazu zählen Tesla, SpaceX, LinkedIn oder Palantir.
Erfolge in diesen Dimensionen dürften sich in Europa zumindest kurzfristig erst mal nicht erzielen lassen. Dafür fehlen in der Krise die Börsengänge, die wieder ausreichend Geld in das Ökosystem bringen. Neben der Zinswende, die auch andere Investitionen attraktiv macht, gehören die ausbleibenden Aktienmarktdebüts zu den Hauptgründen, warum es derzeit so mau auf dem Finanzierungsmarkt aussieht.
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Dem Datendienst Pitchbook zufolge sind von Januar bis März insgesamt 11,8 Milliarden Euro in europäische Start-ups investiert worden. Das sind 32 Prozent weniger als im Vorjahreszeitraum.
Im Wettbewerb um die Gunst der Investoren können Gründer vor allem dann punkten, wenn sie schon Erfahrung mitbringen – gern durch ihre Zeit bei einem Einhorn, also einem mit mehr als einer Milliarde Dollar bewerteten Start-up. Die dort gewonnene Expertise sorge für Vertrauen und bringe sie in eine bessere Position, um an Risikokapital zu gelangen, sagt Accel-Partner Nelis.
In Deutschland hätten 60 Prozent der Gründer, die zuvor für Einhörner gearbeitet haben, erfolgreich Wagniskapital eingesammelt. Dieser Schnitt liegt deutlich höher als bei anderen Gründern.
Nelis zeigt sich zuversichtlich, dass die deutschen Milliarden-Start-ups „weiterhin die Basis für ein starkes Start-up-Ökosystem in Deutschland und darüber hinaus bilden und die Branche in eine stärkere Position bringen als zur Finanzkrise“. Dafür spricht, dass trotz rückläufiger Gründungszahlen immer mehr Firmen von ehemaligen Einhorn-Mitarbeitern gegründet werden. Die Zahlen stiegen von 35 im Jahr 2020 auf 45 im Jahr 2021 und 56 im Jahr 2022. ´
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