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13.03.2023

02:15

SVB

Party und Panik: Pleite der Silicon Valley Bank überschattet Tech-Messe SXSW

Von: Felix Holtermann, Stephan Scheuer

Gesperrte Kreditkarten, Existenzsorgen und trotzdem viel Barbecue: Parallel zum Kollaps der SVB begann in Austin die wichtige Tech-Messe SXSW.

Viele Teilnehmende ließen sich trotz der Pleite der SVB ihre Stimmung nicht vermiesen. Getty Images Entertainment/Getty Images

SXSW

Viele Teilnehmende ließen sich trotz der Pleite der SVB ihre Stimmung nicht vermiesen.

Austin „Man hat das Gefühl, dass alle auf der Titanic tanzen, während sie untergeht“, fasste die Gründerin Jessica Quillin die Stimmung auf dem Technologie-Festival South by South West (SXSW) zusammen. Am Freitag begann das Festival, parallel kollabierte die Silicon Valley Bank (SVB).

Etliche Teilnehmer aus der Technologieszene wurden von der Pleite der Bank überrascht, als plötzlich ihre Kreditkarten nicht länger funktionierten. Andere hatten Sorge, am Montag ihre Lieferanten nicht länger bezahlen zu können.

Der Investor Reign Ventures sagte kurzfristig alle für die SXSW geplanten Veranstaltungen mit Verweis auf die Krise der SVB ab. Für das bis zum 19. März laufende Festival waren 300.000 Teilnehmende erwartet worden.

Die Spitzenpolitikerin der Demokraten, Nancy Pelosi versuchte bei einer Diskussionsrunde am Sonntag noch auf die Sorgen einzugehen. Die Regierung versuche die Lage zu entschärfen, sagte sie.

„Viele der kleinen Unternehmen haben Konten bei dieser Bank, sie haben dort Geld, damit sie die Löhne und Gehälter zahlen können“, erklärte Pelosi, „wenn diese Bank also zusammenbricht, machen wir uns Sorgen um die Löhne und Gehälter der Beschäftigten in diesen Unternehmen.“

Erleichterung am Abend

Am frühen Abend Ortszeit kam dann die Erleichterung: Die US-Behörden verkündeten, dass am Montag alle Kunden Zugang zu ihren kompletten Guthaben bekommen. Es war ein überraschender Durchbruch.

Zunächst war die Rede davon, dass Kunden lediglich auf 30 bis 50 Prozent ihrer Guthaben wieder zugreifen könnten. Eigentlich sind Einlagen in den USA nur bis zu einer Obergrenze von 250.000 Dollar versichert.

Finanzministerin Janet Yellen und andere Regulierer wollten jedoch verhindern, dass es am Montag zu einer Panik an den Märkten kommt und Kunden im großen Stil von anderen kleineren Banken abziehen. Daher habe man sich zu „entschlossenen Schritten entschieden, um das öffentliche Vertrauen in unser Bankensystem zu stärken“, hieß es in einer Mitteilung.

Im selben Schritt schlossen die US-Regulierer eine weitere Bank. Die New Yorker Signature Bank werde am Montag nicht öffnen, wie es in der Mitteilung weiter hieß. Alle Einlagen seien sicher und die Kunden würden ihre Gelder in vollen Umfang wiederbekommen.

„Problem ist Verflechtung der Silicon Valley Bank mit Wirtschaft des Valleys“

Analyst Kyle Stanford von der Plattform Pitchbook sagte zu der SVB-Pleite: „Das Problem ist die Verflechtung der Silicon Valley Bank mit der Wirtschaft des Valleys.“ Der Fachmann hob gegenüber dem Handelsblatt hervor: „Tausende von Start-ups bekommen Probleme, wenn sie keinen Zugang zu ihren Einlagen erhalten, um ihre Löhne auszubezahlen.“

Problematisch sei zudem, dass viele Start-ups in einem schwierigen Marktumfeld agierten. „Viele Unternehmen haben zu kämpfen. Sie brauchen liquide Mittel für den Geschäftsbetrieb und das Wachstum. Und jetzt ist auch nicht die Zeit, wieder an den Kapitalmarkt zu gehen, um neue Mittel aufzunehmen. Die Marktlage ist schwierig.“

Der Ausfall der Bank sei für alle Marktbeobachter „eine große Überraschung“ gewesen. „Jeder hat versucht, Prioritäten zu setzen und die eigenen liquiden Mittel zu schützen“, so Stanford. Es sei zwar einfach, zum Beispiel Peter Thiel die Schuld zu geben, dessen Founders Fund die eigenen Unternehmen aufgerufen hatte, ihr Geld bei der Silicon Valley Bank abzuheben.

Doch: „Peter Thiel ist ein prominenter Name, aber verantwortlich waren viele Akteure“, sagte der Analyst. „Binnen zehn Stunden sollten am Donnerstag 42 Milliarden Dollar abgehoben werden, damit hat niemand gerechnet.“

Am Ende habe nicht eine einzelne Person den Ausfall herbeigeführt, sondern eine Kombination an Faktoren, die zu einer „Abwärtsspirale“ geführt hätten, so Stanford. Ein Faktor sei die Pleite der Kryptobank Silvergate gewesen, eine andere der Verkauf von Staatsanleihen durch die Silicon Valley Bank. „Und auch der Bankchef hat nicht glücklich agiert, als er öffentlich auf Twitter beteuerte, alles sei unter Kontrolle. Das hat die Panik verstärkt.“

Risikomanagement im Fokus

Die möglichen Fehler der Bankführung – wie auch die „Treulosigkeit“ langjähriger SVB-Kunden aus dem Wagniskapitalbereich – wurden in Austin breit diskutiert. „Banken müssen sich vor allem gegenüber zwei Risiken absichern“, sagte ein Top-Manager eines der größten US-Finanzhäuser dem Handelsblatt: Liquiditäts- und Zinsänderungsrisiken.

„Bei der Silicon Valley Bank haben sich beide materialisiert, in rasender Geschwindigkeit, und ohne vernünftige Absicherung.“ Offenbar habe das Risikomanagement der Bank versagt, so sein Urteil.

Es sei für Gründer wie Bankmanager wichtig, zu verstehen, dass „sich der Informationsfluss deutlich schneller bewegt als früher“, sagte der Manager. „Richtige wie Fake News verbreiten sich heute rasend schnell“, etwa in Chatgruppen oder bei Social Media. Mit entsprechenden Folgen.

Auf der großen SXSW-Bühne wurde die SVB-Pleite oft ausgeklammert – „Business as usual“, könnte man meinen. Doch in vielen Gesprächen war der Fall SVB das bestimmende Thema. „Ist die Silicon Valley der Start einer neuen Finanzkrise, oder ist es ein isolierter Fall“, fragte Jason Schenker, Vorsitzender des Futurist Institute.

Um die Antwort gleich selbst zu geben: „Selbst wenn es ein isolierter Fall ist, gibt es nie nur einen Brandherd.“ Die Folge: Unter anderem für Finanz- und Krypto-Start-ups dürfte der regulatorische Druck in den kommenden Jahren „dramatisch zunehmen“, so Schenker.

Hat die Bankführung einen grundsätzlichen Fehler begangen, einen großen Teil der Anlagen in langlaufenden Staatsanleihen zu parken? „Natürlich war das ein Fehler“, glaubt Stanford. „Aber man muss auch beachten, wie schnell sich das Zinsumfeld geändert hat. Binnen eines Jahres ging es von fast null auf fünf Prozent. So etwas gab es bisher nicht. Das Umfeld änderte sich sehr schnell und die Bank war nicht in der Lage, ihr Portfolio schnell genug umzuschichten.“

Wie es nun weiter gehe, war bis zum frühen Abend noch komplett offen. Grundsätzlich sei die Bank sehr wichtig für das Valley gewesen. „Sie hat sich um Start-ups und die Fragen der Gründer gekümmert, um ein Geschäft, das den Großbanken zu riskant war. Nun gibt es eine Lücke auf dem Markt“, sagte Stanford.

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