Lange wurden in Deutschland zu wenige Glasfaserleitungen verlegt. Nun werden manche Regionen gar doppelt versorgt. Kleineren Anbietern und ihren Investoren fällt das Mithalten schwer.
Für den Glasfaser-Ausbau muss viel gebaggert werden
Nach Jahren des Booms sind die Aussichten für kleinere Glasfaseranbieter schwieriger geworden
Bild: dpa
Frankfurt, Hamburg In Sachen Glasfaser schien es in Deutschland zuletzt nur noch bergauf zu gehen. Nach jahrelanger Stagnation kam es plötzlich zu einer regelrechten Bonanza: Fördergelder und niedrige Zinsen lockten neue Anbieter auf den Markt. Die Aussicht auf Quasimonopole und vermeintliche Traumrenditen riefen Pensionsfonds und Private-Equity-Investoren auf den Plan.
Auf einmal verbuddelte die Branche in der Kupferrepublik Deutschland so viel Hochgeschwindigkeitskabel, dass sogar die Tiefbaukapazitäten knapp wurden.
Droht nun ein jähes Ende? Das laufende Jahr zählt bereits zwei Pleiten: Im Februar meldete das Kölner Unternehmen Glasfaser Direkt Insolvenz an, im Januar Wettbewerber Hello Fiber. Die Stimmung habe sich gedreht, heißt es in der Branche. Die Goldgräberjahre scheinen passé.
„Es wird weitere Pleiten geben. Gleichzeitig nimmt der Konsolidierungsdruck zu“, sagte etwa Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Telekommunikationsverbandes VATM, dem Handelsblatt. Andere Branchenkenner kommen zu einem ähnlichen Schluss.
„Einige der regionalen Anbieter merken nun, dass ihre ursprünglichen Wachstums- und Renditeziele zu optimistisch waren“, sagt Cay-Marco Fritsch, Partner bei der Beratungs- und Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutschland.
Ein Grund: Die Breitband-Platzhirsche haben ihr Ausbautempo vervielfacht. Sie haben sich Partner mit tiefen Taschen gesucht, um die lukrativen Teile des Marktes möglichst schnell für sich zu besetzen. Die Deutsche Telekom verbündete sich etwa mit dem australischen Infrastrukturinvestor IFM, Telefónica (O2) gründete ein Gemeinschaftsunternehmen mit der Allianz. Die Deutsche Glasfaser - ohnehin maßgeblich von außen finanziert - will bald 70.000 neue Anschlüsse pro Monat verlegen.
Spätestens seit 2022 agiert die Branche wie im „Fibre“-Wahn: Vodafone verkündete einen Milliardendeal mit der französischen Altice. Telekom-Chef Timotheus Höttges schraubte die Zielmarke für 2023 um 500.000 auf drei Millionen neu versorgte Haushalte nach oben. Sein Deutschlandchef Srinivasan Gopalan soll vor Investoren einen Kampf um die Vorherrschaft im Glasfasernetz angekündigt haben, wie es in Finanzkreisen heißt. Die Telekom wolle das Tempo sogar noch erhöhen.
Srini Gopalan
Der Telekom-Deutschlandchef soll vor Investoren einen Kampf um die Vorherrschaft im Glasfasernetz angekündigt haben.
Bild: IMAGO/Horst Galuschka
Die Botschaft verfing. Kleinere Anbieter geraten so zunehmend unter Druck. Das verschreckt auch ihre Geldgeber. Die Telekom betont auf Anfrage, dass das nicht ihr Ziel sei und man vielmehr auf Kooperation setze.
Private-Equity-Investoren hatten in den vergangenen Jahren massiv in Glasfaserfirmen investiert und dabei auf auskömmliche, stabile Renditen gesetzt. Die schwedische EQT schuf mit der Deutschen Glasfaser sogar eines der führenden Unternehmen der Branche.
Doch für die kleinen und mittelgroßen Spieler verdüstern sich die Aussichten zunehmend. Die Ausbaupläne kommen oft langsamer voran als erhofft, was nicht zuletzt an fehlenden Kapazitäten in der Baubranche liegt. Während größere Anbieter wie Westconnect oder Deutsche Glasfaser 300.000 bis 500.000 neue Anschlüsse pro Jahr verlegen, sind es bei kleineren oft nur wenige Zehntausend. Der Abstand zu den Großen wächst also stetig. Im Tiefbau sind die Preise derweil im Jahresvergleich um bis zu 30 Prozent gestiegen.
Die oft recht optimistischen Kalkulationen geraten gleich von mehreren Seiten unter Druck. So wird die erhoffte Rate von 80 Prozent angeschlossenen Haushalten in einem Erschließungsgebiet häufig nicht erreicht. Pro Anschluss sind Branchenexperten zufolge in der Regel nicht mehr als 35 Euro Einnahmen pro Monat zu erwarten.
Wenn zu wenige Haushalte zuschlagen, übersteigen also die Kosten schnell die Einnahmen. Auch die gestiegenen Zinsen schlagen auf die Branche durch. Anschlussfinanzierungen werden teurer oder sind mitunter schwer zu bekommen.
Zuletzt erregte vor allem das so genannte „Überbauen“ die Zunft. Damit sind Parallelinfrastrukturen gemeint; Wettbewerber verlegen Glasfaseranschlüsse in Gegenden, die bereits mit Highspeed versorgt sind. In dicht besiedelten, wohlhabenden Regionen kann sich das durchaus lohnen. In manchen Teilen von Köln haben etwa sowohl die Deutsche Telekom als auch der lokale Anbieter Netcologne Kabel verbuddelt.
Geschäftsführer Timo von Lepel hält das für unfair. Die Telekom verhalte sich egoistisch. „Die lassen die Muskeln spielen. Dabei wäre es doch sinnvoller, zunächst unversorgte Gebiete zu verkabeln“, sagte von Lepel dem Handelsblatt. Seine Kalkulation sei nun mitunter dahin.
Die Telekom mag in ihrer Ausbaupraxis lediglich normalen Wettbewerb erkennen – zumal der Konzern die Qualität der eigenen Anschlüsse für überlegen hält. „Einen sogenannten strategischen Überbau gibt es nicht“, betont eine Sprecherin. Nur in maximal drei Prozent der Fälle finde ein paralleler Ausbau statt.
Der Verband VATM will in Kürze mit einer eigenen Überbaukarte dagegenhalten, die belegen soll, dass das Problem größer ist. Beim „punktuellen Überbau durch die Telekom“ brauche das Land „eine strengere Regulierung“, sagt Geschäftsführer Grützner.
Angesichts des harten Wettbewerbs und der Probleme mit Baukapazitäten und Zinsen geht nun bei einigen Glasfaseranbietern die Angst um. Für deren Eigentümer – in vielen Fällen Private-Equity-Investoren – wird ein Ausstieg über einen Verkauf immer schwieriger. Die Zeiten, in denen Glasfaserfirmen mit Hoffnungswerten bewertet wurden, sind vorbei. Die Platzhirsche bauen selbst und wollen die regionalen Spieler höchstens zu Discountpreisen erwerben.
„Akquisitionsziele müssten schon sehr attraktiv sein, damit wir aktiv werden. Derzeit ist aus meiner Sicht nichts zu sehen, was zu unserem regionalen Fokus passt“, sagt etwa Gregor Kurth von Igneo Infrastructure. Der Investor ist bei Eons Westconnect eingestiegen. Das Bautempo wurde gesteigert; für 2023 ist der Anschluss von 200.000 Haushalten ans Glasfasernetz geplant.
Für manche Investoren sei die Lage mittlerweile indes derart düster, dass sie froh seien, wenn sie das eingezahlte Kapital überhaupt noch zurückzuerhalten, heißt es in Finanzkreisen. Deals finden bisher selten statt.
Anfang des Jahres wurde der Anbieter Sewikom aus Nordrhein-Westfalen von der zur Schweizer Bank UBS gehörenden Northern Fiber übernommen. Im Markt ist derzeit Plusnet: Eigentümer EnBW hat Finanzkreisen zufolge Informationspakete an mögliche Käufer eines Anteils verschickt. Mitte März sind erste Angebote fällig. Bei einem Plusnet-Betriebsgewinn (Ebitda) von 30 Millionen Euro könnte sich eine Bewertung von bis zu 270 Millionen Euro ergeben, schätzen Beteiligte.
Vor zwei Jahren wäre wahrscheinlich deutlich mehr drin gewesen. Doch nach Einschätzung von Branchenexperten könnte das Fusionstempo in der Branche zunehmen.
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Branchenexperten zufolge gelten Firmen wie Infrafibre von Infracapital, GVG von Palladio, Goetel von Basalt und Deutsche Giganetz von DWS als wahrscheinlichste Kandidaten für Zusammenschlüsse. Die Firmen könnten dabei in sogenannten Aktiendeals fusioniert werden, die Eigentümer würden Gesellschafter der fusionierten Firma.
Wie gut die Firmen zueinanderpassen, hängt etwa vom Ausbaupotenzial in ihrem Territorium oder der Bodenbeschaffenheit ab. In Sandböden lassen sich Glasfaserleitungen deutlich billiger verlegen als in Felsböden.
Finanzinvestoren mit Expertise im Sektor wie CVC, Ardian oder Blackstone könnten dabei die Rolle des Konsolidators einnehmen. Szenekenner halten es für möglich, dass sie einen neuen Spieler formen, der es mit den Platzhirschen aufnehmen kann.
„Wir erwarten in den nächsten Jahren eine Reihe von Zusammenschlüssen im Glasfasersektor“, sagt etwa PwC-Experte Fritsch. „Möglicherweise unter Beteiligung von Investoren, die sich in der Vergangenheit an Auktionen in Deutschland beteiligt haben, aber bisher nicht zum Zug gekommen sind."
Manche Experten gehen sogar einen Schritt weiter: Sie gehen davon aus, dass einer der Großen ein fusioniertes Unternehmen früher oder später kaufen wird. Gerade für die Telekom könnte das ein attraktives Szenario sein.
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