Die Deutsche Telekom hat das Geschäftsjahr 2019 mit einer Rekordbilanz abgeschlossen. Doch gerade im Heimatgeschäft wachsen für den Marktführer die Herausforderungen.
Timotheus Höttges
Der Telekom-Vorstandschef legt gute Zahlen vor – steht aber noch vor einer Reihe von Herausforderungen.
Bild: AFP
Bonn Die Deutsche Telekom befindet sich nach Ansicht von Timotheus Höttges im Angriffsmodus. Die Bilanz des vergangenen Jahres feierte der Konzernchef als die beste in der Geschichte des Unternehmens. Einerseits sind Umsatz und Gewinn gestiegen. Andererseits weist der Konzern aber auch gestiegene Schulden aus und senkt die Dividende. Das alles geschieht vor dem Hintergrund, dass die 26 Milliarden Dollar umfassende Fusion der US-Tochter T-Mobile mit dem Rivalen Sprint kurz vor dem Abschluss steht. „Der Deal liegt auf der Straße“, sagte Höttges.
Höttges sieht seine Firma damit als Vorbild für die gesamte deutsche Wirtschaft. „Das ist dann die größte Fusion eines deutschen Unternehmens in den USA jemals“, fügte der Telekom-Chef hinzu. T-Mobile US und Sprint bringen es zusammen auf 140 Millionen Kunden und einen Börsenwert von 120 Milliarden Dollar. Die US-Rivalen AT&T und Verizon sind an der Börse indes rund doppelt so viel Wert. Diese Lücke müsse geschlossen werden.
In den USA sieht Höttges den Konzern bereits als Marktführer. Auch in Europa steht die Telekom stärker da. Für das abgelaufene Geschäftsjahr konnte der Konzern ein Plus beim Umsatz von 6,4 Prozent auf 80,5 Milliarden Euro ausweisen. Das ist Rekord. Das bereinigte operative Ergebnis (Ebitda), aus denen die Telekom die Leasingkosten rausrechnet, konnte der Konzern um 7,2 Prozent auf 24,7 Milliarden Euro verbessern. Auch das ist Rekord. Der Konzernüberschuss stieg um fast 80 Prozent auf 3,9 Milliarden Euro. Das ist kein Rekord, aber dennoch eine beachtliche Zahl.
Bei alldem Jubel in Bonn stehen die Telekom und Konzernchef Höttges jedoch auch vor einer Reihe von Herausforderungen. Dazu gehören offene Fragen in den USA, aber auch Probleme in Europa. Die Fusion in den USA ist noch nicht abgeschlossen. Die Telekom hat viele der Hürden vor Behörden und vor US-Gerichten genommen.
Das finale Okay steht aber noch aus. In Bonn glaubt zwar kaum noch jemand, dass der 26 Milliarden Dollar schwere Zusammenschluss von T-Mobile US mit dem Rivalen Sprint noch scheitern könnte. Aber einige Details sind noch unklar.
Es fehlt noch eine richterliche Genehmigung zum sogenannten „Tunney Act“. Zudem steht noch die Zustimmung der Aufsichtsbehörde für öffentliche Versorgungsunternehmen in Kalifornien, der California Public Utilities Commission (CPUC), aus. Die richterliche Genehmigung schätzen Insider als nahezu sicher ein. Die Behörde in Kalifornien könnte zwar nicht den ganzen Deal stoppen, aber neue Auflagen verhängen.
Die Telekom strebt einen Abschluss für den 1. April an, sagte Höttges. Doch dieses Ziel dürfte kaum zu halten sein, wenn die Telekom sich nicht über eine Entscheidung aus Kalifornien hinwegsetzen will. Die Prozesse, Zeugenvernehmungen und nötigen Fristen könnten noch deutlich länger als bis Anfang April dauern, sagte ein CPUC-Sprecher.
Gleichzeitig steht die Telekom in den USA vor großen Investitionen. Der Konzern erwartet zwar Synergien in Höhe von 43 Milliarden Dollar. Jedoch hatte die Telekom auf Druck der Gerichte, Bundesstaaten und Wettbewerbswächter ihre Ziele für den Netzausbau in den USA weiter nach oben geschraubt. T-Mobile-CEO John Legere hatte versprochen, mehr als 40 Milliarden Dollar zu investieren. Gleichzeitig ist er mit Kampfpreisen in den Markt gegangen. Und er hat versprochen, diese während der kommenden drei Jahre nicht anzuheben.
Telekom-Chef Höttges stellt am Mittwoch klar, der Konzern werde das Geschäft in den USA nicht mit Geld aus Europa stützen. Dennoch dürfte eine gelungene Fusion den Schuldenstand der Telekom zumindest zwischenzeitlich erhöhen. Zwar werde die Fusion über einen Aktientausch abgewickelt. Gleichzeitig bringe Sprint jedoch erhebliche Schulden mit in das gemeinsame Unternehmen. „Wir haben noch keinen vollen Zugang zu den Büchern von Sprint“, sagte Telekom-Finanzchef Christian Illek. Deshalb könne der komplette Umfang der Schulden von Sprint auch noch nicht vollständig bemessen werden.
Die Telekom könnte die Situation nutzen, um die Konditionen für den Deal nachzuverhandeln. Nach derzeitigem Vertrag würde die Telekom 42 Prozent der Aktien am vereinigten Unternehmen bekommen, bei 67 Prozent der Stimmrechte sowie neun der 14 Sitze im Aufsichtsrat. Doch seit der Vertrag geschlossen wurde, hat sich die Sprint-Aktie schleppend entwickelt, während die T-Mobile-US-Aktie stark zugelegt hat. „Wir prüfen das“, sagt Höttges. Die Telekom wolle gleichzeitig nichts unternehmen, was den Abschluss der Fusion weiter verzögern würde.
Auf der Aufgabenliste für Höttges steht aber nicht nur die Fusion in den USA, sondern auch einige Herausforderungen in Europa. Deutschlandchef Dirk Wössner wird die Telekom zum Ende des Jahres verlassen. Ausgerechnet der Heimatmarkt ist für die Telekom eine echte Herausforderung.
In Deutschland muss die Telekom gleich doppelt in ihr Netz investieren. Zum einen will sie den Ausbau des nächsten Mobilfunkstandards 5G vorantreiben. Der Ausbau hat noch gar nicht richtig begonnen, da schlagen sich die Investitionskosten schon deutlich in der Bilanz nieder. 2019 habe die Telekom mehr investiert als je zuvor, sagt Höttges. „13,1 Milliarden Euro, davon in Deutschland rund 5,5 Milliarden.“
Aber noch ist nicht klar, ob die Telekom für den Ausbau Technik ihres wichtigsten Lieferanten Huawei verwenden darf. In mehreren EU-Staaten wird ein Ausschluss aufgrund von Sicherheitsbedenken debattiert – auch in Deutschland. „Ich weiß, dass einige von Ihnen die Investitionen kritisch sehen. Aber ich finde, es hat sich gelohnt“, sagt Höttges in einer Telefonkonferenz mit Investoren.
Für Deutschland konnte die Telekom für das Jahr 2019 ein moderates Umsatzwachstum um 0,9 Prozent auf 21,9 Milliarden Euro verbuchen. Das operative Betriebsergebnis (Ebitda) verbesserte sich um 3,8 Prozent auf 8,3 Milliarden Euro. Im Mobilfunk wuchs der Kundenstamm um 4,5 Prozent auf rund 46 Millionen. Aber der Zuwachs entfiel vor allem auf das Prepaid-Geschäft.
Bei den besonders attraktiven Vertragskunden musste die Telekom einen Rückgang um 0,6 Prozent ausweisen. Im Festnetz baut Vodafone nach der Übernahme von Unitymedia im vergangenen Jahr das Geschäft aus und kann über das Glasfasernetz Geschwindigkeiten von bis zu einem Gigabit pro Sekunde anbieten, während die Telekom ihren Kunden im besten Fall 250 Megabit bieten kann.
Höttges räumt zwar ein, dass das Wettbewerbsumfeld hart sei. Telefónica hatte sich als Netzbetreiber mit dem höchsten abgewickelten Datenvolumen gefeiert. Vodafone hatte hingegen gesagt, der Konzern habe die meisten aktiven SIM-Karten in Deutschland, da aber auch SIM-Karten etwa in Kaffeemaschinen mitgezählt. Höttges sagte dazu vor Investoren: „I do not give a shit.“ Bei der Kernfrage der Netzqualität sei die Telekom weit vor Vodafone und Telefónica.
Das Thema 5G ist und bleibt jedoch eine zentrale Herausforderung für die Telekom. Vodafone hatte im vergangenen Jahr seine 5G-Netz-Wochen vor der Telekom gestartet und feiert sich seitdem als Pionier in Deutschland. Gleichzeitig wächst der Druck aus der Wirtschaft auf die Telekom, 5G-Lösungen anzubieten.
Deutschland hatte Frequenzen für die Industrie reserviert. Etliche Firmen hatten daraufhin Möglichkeiten ausgelotet, ob und in welcher Art die Telekom ein Partner für lokale 5G-Netze in der Industrie sein könnte.
Die Telekom hatte zwar Lösungen für Campus-Netze für die Industrie vorgestellt – bislang ist in dem Markt aber wenig Bewegung. „Uns fehlen gute Angebote, bei 5G für die Industrie sind wir schlecht aufgestellt“, sagte ein ranghoher Telekom-Manager. Technologie-Vorständin Claudia Nemat sei mit den Lösungen für 5G beauftragt, aber bislang liefere ihr Team noch wenig Lösungen, mit denen sich die Telekom auf dem potenziell lukrativen Markt positionieren könne.
Mehr: Die Zeit nach Ulrich Lehner – Der Telekom-Aufsichtsratschef bereitet seine Nachfolge an der Spitze des Kontrollgremiums vor.
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