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08.07.2022

17:34

TSMC

Das vielleicht wichtigste Unternehmen der Welt hält seinen Namen im Hintergrund

Von: Joachim Hofer

Von Apple bis Qualcomm: Die Chipindustrie ist auf die Fertigung von TSMC angewiesen. Doch trotz guter Zahlen inmitten der Weltkrise – eine große Sorge treibt alle um.

Im zweiten Quartal ist der Umsatz des weltgrößten Auftragsfertigers der Chipindustrie um mehr als 40 Prozent geklettert. Pichi Chuang

TSMC

Im zweiten Quartal ist der Umsatz des weltgrößten Auftragsfertigers der Chipindustrie um mehr als 40 Prozent geklettert.

München Seit Monaten fürchten Investoren, dass sich Ukrainekrieg und Rezessionsängste weltweit auf den Erfolg der Chipbranche auswirken. Wenn die Zahlen, die der Hersteller TSMC am Freitag vorgelegt hat, Ausdruck dieser Flaute sind – dann sind die Sorgen eher unbegründet. Im Juni sei der Umsatz im Vergleich zum Vorjahr um 17 Prozent geklettert, teilte der weltgrößte Auftragsfertiger der Chipindustrie zum Wochenschluss mit.

Das Plus fiel damit zwar deutlich geringer aus als in den Monaten zuvor. Im zweiten Quartal sind die Erlöse insgesamt aber um mehr als 40 Prozent auf umgerechnet knapp 18 Milliarden Dollar angestiegen. Die Kunden überschütten den Taiwaner Halbleiterhersteller mit Aufträgen.

TSMC ist für die Branche essenziell und genauso wichtig ist es, dass es TSMC gut geht. „Die haben sich eine systemrelevante Position erarbeitet“, sagt Peter Fintl, Chipexperte der Beratungsgesellschaft Capgemini.

Nur TSMC beherrscht die komplexesten und fortschrittlichsten Fertigungsverfahren der Welt. Gleichzeitig bietet das Unternehmen auch ältere, reifere Technologien an, wie sie etwa die europäische Autoindustrie nachfragt. Die Kehrseite des Erfolgs: Fast die gesamte Halbleiterindustrie ist abhängig vom Marktführer. „Wenn in Taiwan etwas passiert, dann sind die Erschütterungen der Lieferkette weltweit zu spüren“, warnt Berater Fintl.

Bei den Taiwanern lässt fertigen, wer in der Chipbranche Rang und Namen hat: Von AMD über Broadcom und Nvidia bis zu Qualcomm. Sogar Rivale Intel, der selbst ins Geschäft der Auftragsfertiger drängt, steht auf der Liste der Abnehmer.

„Systemrelevant“, doch der eigene Name taucht nicht auf

Auch die drei großen europäischen Halbleiterkonzerne Infineon, NXP und STMicroelectronics kaufen in Hsinchu ein. Der mit Abstand größte Kunde mit rund einem Viertel vom Umsatz ist Apple.

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Mit 63.000 Mitarbeitern stellt der Konzern rund 12.000 verschiedene Produkte her, und das mit mehr als 300 Technologien. TSMC verkauft grundsätzlich keine Chips unter eigenem Namen, um den Kunden keine Konkurrenz zu machen.

Die Marktposition ist einzigartig: Der Konzern stehe für mehr als die Hälfte der Erlöse der zehn größten Auftragsfertiger weltweit, erläutern die Marktforscher von Trendforce. Die Nummer zwei unter den sogenannten Foundries, Samsung aus Südkorea, kommt auf einen Anteil von weniger als 20 Prozent. Wer seine Chips nicht selbst fertigt, kommt schwerlich an den Taiwanern vorbei.

Die Nähe zu China vergrößert eine alte Sorge

TSMC produziert bislang fast ausschließlich in der Heimat. Das beunruhigt die Abnehmer zunehmend. Denn die Lage der Insel im südchinesischen Meer birgt verschiedenartige Risiken. Mit Naturkatastrophen wie Wirbelstürmen, die Taiwan regelmäßig heimsuchen, und sogar Erdbeben kommen die Ingenieure von TSMC klar. Auch die Dürre vergangenen Sommer hat der Konzern ohne größere Produktionsausfälle überstanden.

Die Nähe zu China aber hat im Schatten des Ukrainekriegs eine alte Sorge verschärft: Ein bewaffneter Konflikt mit der Volksrepublik China, die Taiwans Autarkie nicht anerkennt, würde Freiheit und Frieden ein Ende bereiten und die Weltwirtschaft ins Mark treffen.

Es braucht oftmals nicht viel, um die hochsensible Chipproduktion ernsthaft zu stören. Als in Dresden vergangenen Herbst für nur 20 Minuten der Strom wegblieb, mussten im Werk von Infineon sämtliche Wafer – also die Scheiben, auf denen die Chips entstehen – einzeln überprüft werden.

Eine Frage der nationalen Sicherheit

In einem Konfliktgebiet wären die Störungen für TSMC weitaus erheblicher. Und das würden über die Lieferketten schnell die deutschen Autofabriken zu spüren bekommen. Denn einen Chip zu fertigen dauert mehrere Monate, es braucht dazu Hunderte einzelne Schritte. Wird der hochkomplexe Prozess auch nur an einer Stelle unterbrochen, so wirft das die Fertigung um Wochen und Monate zurück.

Das neue iPhoneSE von Apple: Der US-Konzern ist der größte Kunde von TSMC. Reuters

iPhones

Das neue iPhoneSE von Apple: Der US-Konzern ist der größte Kunde von TSMC.

Die USA sollten daher viel mehr tun, um TSMC – und auch den südkoreanischen Wettbewerber Samsung – nach Amerika zu locken, forderte jüngst der ehemalige Google-Chef Eric Schmidt in einem Meinungsbeitrag für das „Wall Street Journal“. Das sei eine Frage der nationalen Sicherheit. Was Schmidt damit auch sagt: Selbst den führenden amerikanischen Halbleiterherstellern fehlt das Know-how der beiden weltgrößten Auftragsfertiger.

Immerhin, in den USA errichtet TSMC momentan bereits ein hochmodernes Werk. Vor einem Standort in Europa schreckt TSMC aber bislang zurück, obwohl die Asiaten mit umfangreicher staatlicher Unterstützung rechnen können. „Fabriken können nach europäischem Recht zu 100 Prozent gefördert werden“, sagt Thomas Skordas von der EU-Kommission. Allerdings müssten dazu zahlreiche Bedingungen erfüllt werden, darunter ist der Innovationsgrad eines Standorts.

Das könnte ein Knackpunkt sein, meinen Experten. Denn die hier ansässige Industrie, etwa die Autobranche, benötigt meist ausgereifte Technologie in den Zulieferkomponenten. Hochleistungschips für Smartphones und Computer würden eher nicht produziert – was den Innovationsgrad schmälert, was sich wiederum auf die Förderung auswirkt. „Wir schauen uns viele Orte an“, sagte TSMC-Vorstand Kevin Zhang unlängst auf einem Treffen mit Kunden in Amsterdam. Konkrete Pläne für eine Fabrik in Europa gebe es aber nicht.

TSMC stemmt gewaltige Investitionen

„Wir müssen unsere eigenen Ressourcen im Blick behalten“, erläuterte er. Zu viele Projekte auf einmal könnten die eigene Organisation überfordern. Offenbar zweifelt TSMC aber auch daran, dass sich eine Fabrik in Europa rentabel betreiben lässt. Zhang sagt: „Wir müssen das gesamte Umfeld berücksichtigen, und da ist immer noch viel in Asien.“

In Branchenkreisen wird spekuliert, die Abnahmezusagen der europäischen Kunden würden den Asiaten bislang nicht ausreichen. Noch sei sich die EU mit TSMC nicht einig, erläuterte Skordas unlängst auf einem Halbleiterkongress in München.

Die Kunden allerdings wären froh, nicht mehr so sehr vom Standort Taiwan abhängig zu sein. „Wir begrüßen es, wenn die Foundries diversifizieren und das Geschäft außerhalb Asiens aufbauen“, sagt Rutger Wijburg, Produktionsvorstand von Infineon. „Es ist vor allem wichtig, Produktionskapazitäten in Strukturgrößen von 28 bis 12 Nanometer in Europa auszubauen.“

Geld genug hätte der Konzern: „TSMC verteidigt seine Position mit gewaltigen Investitionen“, meint Berater Fintl. 2022 will der Konzern 40 bis 44 Milliarden Dollar in neue Anlagen und Werke stecken. Das ist dreimal so viel wie der größte deutsche Chiphersteller, Infineon, an Umsatz erzielt.

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