PremiumEine halbe Milliarde Euro Staatsgeld macht es möglich: Wolfspeed und ZF bauen ein Chipwerk an der Saar. Europa will Milliarden in weitere Fabriken investieren.
Visualisierung des geplanten Chipwerks in Ensdorf
Hier sollen auch ZF-Mitarbeiter anfangen.
Bild: ZF
Ensdorf, München, Berlin Es ist ein Achtungserfolg für Deutschland und Europa im Wettlauf mit den USA um die Ansiedlung von Chipfabriken – aber er ist teuer erkauft. Am Mittwoch gab US-Chiphersteller Wolfspeed gemeinsam mit Autozulieferer ZF den Bau einer neuen Halbleiterfabrik im Saarland bekannt, plant dafür aber mit einer staatlichen Förderung von mehr als einer halben Milliarde Euro.
Wolfspeed-CEO Gregg Lowe sagte dem Handelsblatt, er erwarte Subventionen von 20 Prozent der gesamten Investitionssumme. Die dürfte für das in Ensdorf geplante Halbleiterwerk rund 2,75 Milliarden Euro betragen. Zudem will der Konzern gemeinsam mit ZF ein Forschungs- und Entwicklungszentrum errichten.
Das Handelsblatt hatte bereits vor einigen Wochen von den Überlegungen berichtet. Demnach soll auf dem Gelände eines alten Kohlekraftwerks bis 2027 ein Werk für Siliziumkarbid-Chips entstehen. An der Fabrik beteiligt sich der Autozulieferer ZF mit 170 Millionen Euro.
Zur Vorstellung der Pläne waren Bundeskanzler Olaf Scholz und Wirtschaftsminister Robert Habeck gekommen, denn das neue Werk ist über das Saarland hinaus von Bedeutung, ist es doch einer der wenigen Erfolge Europas in der ansonsten äußerst zäh verlaufenden Aufholjagd in der Chipproduktion. Während in den USA schon ein halbes Dutzend neuer Werke in Bau ist, um den Chipmangel zu beheben, tut sich in Europa wenig.
Scholz sagte in Ensdorf: „Wir müssen Bedingungen schaffen, wie wir in der EU besser werden und die Beihilfe flexibler gestalten können“. Es gehe jetzt darum, Milliarden zu mobilisieren.
Als einziger Chiphersteller aus Übersee hatte sich bislang Intel entschlossen, neue Werke in Europa zu bauen. Jetzt folgen Wolfspeed und Partner ZF mit den Plänen für die Fertigung von Chips aus Siliziumkarbid (SiC).
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Experten halten es für sinnvoll, eine neue SiC-Fabrik in Europa anzusiedeln. „Das ist eine Technologie, die Europa braucht und in der Europa eine führende Position einnehmen könnte“, sagt Ondrej Burkacky, Halbleiterexperte der Beratungsgesellschaft McKinsey.
Siliziumkarbid ist weltweit begehrt, weil es der Elektromobilität zum Durchbruch verhelfen könnte. Mit Infineon und STMicroelectronics verfolgen auch die beiden größten europäischen Chipkonzerne ambitionierte Wachstumspläne bei SiC.
Zudem baut der ZF-Konkurrent Bosch seine SiC-Kapazitäten aus. Das hat seinen Grund: Die Autoindustrie wird die Stromsparchips für ihre Elektrofahrzeuge dankend abnehmen. „Der weltweite Bedarf an SiC-Chips wächst parallel zu den weltweiten Verkäufen von Elektroautos exponentiell“, ergänzt Automobilprofessor Ferdinand Dudenhöffer vom Duisburger CAR-Institut.
Bundeskanzler Scholz und Wolfspeed-Chef Gregg Lowe
Der US-Konzern Wolfspeed will mit staatlicher Unterstützung 2,75 Milliarden Euro investieren.
Bild: Reuters
Derzeit stammt global aber nicht einmal jeder zehnte Chip aus europäischen Fabriken. 2022 haben mit Intel und Infineon zwar zwei führende Chipkonzerne angekündigt, mehrere Milliarden in neue Werke in Deutschland zu stecken. Die Zusagen stehen aber unter dem Vorbehalt, dass ausreichend Fördermittel fließen.
Dafür fehlt bislang die Einwilligung der EU – obwohl Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen selbst voriges Frühjahr die Chipoffensive verkündet hatte. Zwischenzeitlich haben führende Chipnationen wie die USA, Japan, Südkorea und Taiwan milliardenschwere Förderprogramme auf den Weg gebracht. Die Bauarbeiten haben vielerorts begonnen, in den USA entsteht derzeit ein halbes Dutzend riesiger Werke.
Europas wichtigstes Mittel bei der geplanten Aufholjagd, der „European Chips Act“, entwickelt sich dagegen nur langsam. Das umfassende Förderprogramm, das nicht nur mit 43 Milliarden Euro an staatlichen und privaten Finanzmitteln einhergeht, sondern auch mit einer Lockerung der rechtlichen Beschränkungen bei Staatshilfen für Halbleiterhersteller, existiert seit Februar 2022 als Entwurf.
Seitdem warten verschiedene Chiphersteller auf die Einigung und knüpfen daran ihre Standortentscheidung, etwa der US-Konzern Intel für seine geplanten 17 Milliarden Euro teuren Werke in Magdeburg. Doch der Prozess zieht sich hin. Tritt das Paket irgendwann in Kraft, will die EU so ihren Anteil an der Chipproduktion auf der Welt mehr als verdoppeln.
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Immerhin, eine wichtige Hürde hat der Chips-Act nun genommen: Der Industrieausschuss im Europäischen Parlament hat für die Umsetzung des Pakets gestimmt. Doch bis zu einer Einigung gibt es noch einiges zu klären, etwa, ob die Hilfen nur für Chips der neuesten Generation ausgeschüttet werden und aus welchen Quellen ein Teil der benötigten Gelder kommt.
An anderer Stelle fließen Europas Fördermilliarden allerdings schon. So läuft das zweite „IPCEI Mikroelektronik“ an. EU-Kommission und Mitgliedstaaten definieren bei diesen Projekten von „gemeinsamem europäischen Interesse“ Branchen, die gefördert werden sollen.
Für diese wird dann der rechtliche Rahmen für Staatshilfen gelockert, gefördert wird aus den nationalen Haushalten. In Deutschland geht es insgesamt um Fördermittel von rund vier Milliarden Euro.
Aus diesem Topf soll nun auch das Vorhaben von Wolfspeed und ZF im saarländischen Ensdorf gefördert werden. Insgesamt läuft aber auch hier die Förderung zäh: Das Bundeswirtschaftsministerium hat die 28 Projekte, die sich aus Deutschland beworben hatten, im Dezember 2021 nach Brüssel zur Freigabe geschickt.
Dort liegen sie bis heute. Die endgültigen Genehmigungen soll es im Laufe des ersten Halbjahres geben. In deutschen Regierungskreisen sorgt die lange Bearbeitungszeit in Brüssel für Unmut.
Die Opposition fordert nun, dass die Bundesregierung mehr Tempo macht. „Ob Magdeburg, Dresden oder Saarlouis: Die Ampel ist in der Pflicht, in Brüssel beim European Chips Act Tempo zu machen, damit die angekündigten Ansiedlungen zum Erfolg werden“, sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn dem Handelsblatt.
Neuer Halbleiterstandort: Das stillgelegte Kraftwerk Ensdorf
Im Saarland soll die weltweit größte Produktionsanlage für Siliziumkarbid-Chips entstehen.
Bild: dpa
Wie schwer es ist, Chipkonzerne aus Übersee anzulocken, zeigt das Beispiel TSMC. Seit fast zwei Jahren schon prüft der weltgrößte Auftragsfertiger, sich in Deutschland anzusiedeln. Es wäre das erste Werk der Taiwaner in Europa. Eine Entscheidung hat das börsennotierte Unternehmen aber noch nicht gefällt. Fest steht nur: Für die Industrie hierzulande wäre es ein Segen, wenn die Produktion näher heranrückt.
Völlig unabhängig von Chiplieferungen aus Übersee wird die EU aber wohl nie sein. „Europa ist aktuell sehr weit weg davon, bei Chips autark zu werden. Dafür wären 60 zusätzliche Halbleiterfabriken allein für die Frontend-Fertigung notwendig“, sagt McKinsey-Experte Burkacky.
Beim sogenannten Frontend handelt es sich um den Kern der Chipindustrie. Jetzt ist vor allem Tempo gefragt. Burkacky: „Der Anteil Europas an der weltweiten Halbleiterproduktion wird erst einmal weiter sinken. Denn während Bedarf und Produktion weltweit wachsen, wird es Jahre dauern, bis die jetzt angekündigten Werke in der EU in Betrieb gehen.“
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