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18.03.2023

16:30

Gesundheit

Traum vom langen Leben: Start-ups wollen Schweiz zum Hotspot des Trends machen

Von: Jakob Blume

Immer mehr Healthtech-Firmen zieht es in die Schweiz. Der gute Zugang zu Kunden und Kapital hilft Firmen, auch in Deutschland zu expandieren.

Die Firma gehört zu den Schweizer Start-ups die vom Trend zu Prävention und Langlebigkeit profitieren wollen, Biolytica

Medizindaten-Plattform von Biolytica

Die Firma gehört zu den Schweizer Start-ups die vom Trend zu Prävention und Langlebigkeit profitieren wollen,

Zürich Die Kunden von Rob Maciejewski wollen es ganz genau wissen: Weist ihr Erbgut auf ein höheres Risiko hin, an bestimmten Krebsarten zu erkranken? Lassen die Blutwerte auf ein erhöhtes Herzinfarktrisiko schließen? Oder ist es durch gezieltes Training gelungen, das Alter des eigenen Körpers unter das Lebensalter zu senken? Als Gründer und Chef von Biolytica, einem auf Gesundheitsdaten spezialisierten Start-up aus dem Schweizer Ort Zug, liefert Maciejewski Antworten auf diese Fragen.

Wer sich der durch Künstliche Intelligenz gestützten Datenanalyse des Unternehmens unterzieht, erhalte eine umfassende Antwort auf die Frage: „Wie gesund bin ich aktuell, und wie kann ich meine Gesundheit langfristig optimieren?“, sagt Gründer Maciejewski.

Die Gesundheitsdaten-Plattform Biolytica stellt sämtliche Erkenntnisse zu Vorerkrankungen, Ernährungsmustern, genetisch bedingten Risiken und Labortests wie etwa zu Blutwerten und zum Mikrobiom sowie täglichen Daten von Smartwatches zusammen und analysiert diese. Wer zusätzlich den sogenannten Concierge-Service für eine fünfstellige Summe pro Jahr bucht, erhält Rat von einem Team aus Ärzten, Genetikern, Ernährungsberatern, Sport- und Schlafmedizinern.

Die Beratung von wohlhabenden Privatkunden ist jedoch nur ein Nischenmarkt. Maciejewski will seine Plattform als Analysepartner etwa für Krankenhäuser und Präventivmediziner, aber auch Hersteller von Fitnessuhren und Körperfettwagen positionieren. „Ein solch umfassendes Bild des eigenen Körpers kann bisher kein Arzt liefern“, sagt er.

Biolytica gehört zu jenen Start-ups die vom Trend zu Prävention und Langlebigkeit profitieren wollen, der unter dem Schlagwort „Longevity“ zusammengefasst wird. Der Begriff vereint höchst unterschiedliche Geschäftsmodelle – von Analysefirmen für Gesundheitsdaten über Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln bis hin zu ethisch fragwürdigen Angeboten wie Jungblut-Therapien.

Start-ups finden in der Schweiz gute Bedingungen vor

Sie alle eint der Ansatz, das Altern hinauszögern zu wollen, statt mit Medikamenten die Symptome des Älterwerdens zu bekämpfen. Längst ist ein Milliardenmarkt entstanden: Einem Bericht der Silicon Valley Bank zufolge flossen im vergangenen Jahr 3,2 Milliarden Dollar in frühe Finanzierungsrunden von Healthtech-Start-ups.

Anders als in vielen anderen Branchen war 2022 das Volumen des von Investoren bereitgestellten Risikokapitals nicht rückläufig. Martin Weis, KI-Experte und Managing Partner bei der Beratungsgesellschaft Infosys in Zürich, beobachtet: „Die Professionalisierung der Industrie findet gerade statt.“

Die meisten Start-ups kommen von der US-Westküste. Doch immer mehr Firmen siedeln sich wie Biolytica in der Schweiz an. Weis, der viele Pharmakunden beim Thema Digitalisierung berät, erwartet: „Die Schweiz könnte sich als bedeutender Pharma-Standort auch als Longevity-Hub herausbilden.“ Die Firmen finden dort gute Rahmenbedingungen vor.

Es gibt eine zahlungskräftige Klientel, die sich Concierge-Services wie jenen von Biolytica leisten kann. Hinzu kommt laut Weis: „Die Schweiz hat eines der besten Gesundheitssysteme der Welt.“ Es sei nach wie vor zu stark auf die Therapie von Kranken ausgerichtet. „Wenn sich das schweizerische Gesundheitssystem stärker für Prävention öffnet, dann wird es richtig interessant.“

Verantwortliche träumen vom „Longevity Valley“ in der Schweizer Stadt. Getty Images; Per-Anders Pettersson

Blick auf Zug

Verantwortliche träumen vom „Longevity Valley“ in der Schweizer Stadt.

An diesem Punkt setzt auch die finnische Healthtech-Firma Fjuul an: Der deutsche Gründer und Firmenchef Sascha Wischek sagt: „90 Prozent der Ausgaben eines Gesundheitssystems gehen in die Behandlung.“ In der Schweiz könnten sich die Gesundheitskosten bis 2040 verdoppeln. „Das ist nicht nachhaltig und mit dem jetzigen System auch nicht mehr tragbar.“

Die Software von Fjuul verknüpft Vitaldaten der Kunden mit ihrer sportlichen Aktivität und kann so etwa chronischen Krankheiten entgegenwirken. „Wir helfen dem Kunden, eine gesunde Portion Bewegung zu bekommen und können ihm anhand der Daten direkt zeigen, wie sich das auf seine Gesundheit auswirkt“, erläutert Wischek.

Über die Schweiz auf den deutschen Markt

Fjuul liefert etwa die IT-Plattform für das Bonusprogramm der Schweizer Krankenkasse Helsana. Deren Kunden können so einen gesunden Lebensstil nachweisen und erhalten im Gegenzug einen Teil des Prämienbeitrags zurück.

Die Kooperation kam über den Züricher Start-up-Förderer Kickstart Innovation zustande. Für das finnische Start-up und seinen Chef hat sich der Abstecher in die Schweiz ausgezahlt: „Helsana hat den Anfang gemacht“, sagt Wischek. Nun gewinne Fjuul weitere Kunden – auch im Nachbarland: „Wir haben es über die Schweiz geschafft, auch in Deutschland Fuß zu fassen.“

Die guten Rahmenbedingungen in der Schweiz zu nutzen, um Start-ups im Bereich Longevity zu Wachstum zu verhelfen – diese Strategie verfolgt auch Marc Bernegger. Er hat zusammen mit einem Partner, Tobias Reichmuth, den Inkubator und Risikokapitalgeber Maximon gegründet.

Die beiden Schweizer Seriengründer suchen nach Geschäftsmodellen, die von dem Trend zum langen Leben profitieren. Sie verfolgen jedoch einen risikoarmen Ansatz: „Wir sind nicht auf Moonshots ausgerichtet, bei denen man, wenn überhaupt erst in vielen Jahren weiß, ob die Therapie überhaupt funktioniert“, sagt Bern egger.

Stattdessen setzt Maximon neben Biolytica auch auf Avea Life, einen Hersteller von Nahrungsergänzungsmitteln. „Wir suchen Themen und Produkte, die idealerweise schon heute Umsatz erzielen“, ergänzt Reichmuth.

Auch er sieht den Standort Schweiz im Vorteil: Avea Life profitiere etwa davon, dass es seine Nahrungsergänzungsmittel lokal produziere – und nicht wie viele Konkurrenten in China. Das komme besonders bei den Kunden in Asien gut an. Auch sei es nicht schwer, Gelder einzuwerben. „Es gibt einen guten Zugang zu Risikokapital“, sagt Bernegger.

Der Stadtpräsident der Gemeinde Zug habe Maximon sogar ermutigt, einen Campus für die Portfoliofirmen zu bauen. Den Verantwortlichen schwebt bereits ein „Longevity Valley“ in der Stadt vor – auch wenn Bernegger selbst sagt: „Dafür ist es vielleicht noch etwas früh.“

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