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02.11.2022

10:43

Twindemie

Droht uns jetzt eine Corona- und Grippe-Doppelwelle?

Die Zahl an Grippeerkrankungen steigt, zudem vermehren sich zwei Corona-Subvarianten. Kommt es nun zu einer „Twindemie“?

Eine Frau sitzt mit Erkältung auf dem Sofa. Könnte eine Twindemie durch Corona- und Grippe-Erkrankungen drohen? Imago

Corona und Grippe: Ist eine Twindemie absehbar?

Die Zahl an Grippe-Erkrankungen liegt über den Vorsaisons. Auch zwei Corona-Subvarianten nehmen zu – droht eine Doppelwelle?

Das Robert-Koch-Institut verzeichnet mehr Influenzaerkrankungen als in den vorpandemischen Saisons. Zu Grippewellen kam es zuletzt nicht. Doch die Coronamaßnahmen wurden nun gelockert oder entfallen gänzlich. Viele Menschen hatten in den Pandemiejahren keinen Kontakt zu Grippeerregern, vor allem bei Kindern kann eine erste Grippeinfektion (Influenza) ausgeblieben sein.

Zudem steigt die Zahl an Infektionen mit den Omikron-Subvarianten BQ.1 und B.Q.1.1, letztere wird umgangssprachlich auch „Höllenhund“ genannt.

Einige Mediziner warnen nun vor einer Doppelwelle, auch bekannt als „Twindemie“. Wir erklären im Folgenden, was der Begriff meint, wie es aktuell um die Corona- und Influenza-Situation in Deutschland steht und ob es zu einer Twindemie kommen kann.

Corona- und Grippe-Doppelwelle: Was heißt „Twindemie“?

Der Begriff „Twindemie“ setzt sich aus dem englischen Wort „twin“, zu Deutsch „Zwilling“, und „Pandemie“ zusammen. Er meint das Auftreten einer Doppelwelle: Einer Coronawelle (Sars-CoV-2) und einer Grippewelle (Influenza).

Influenza: Wann spricht man von einer Grippewelle?

Nach dem RKI ist von einer Grippewelle die Rede, wenn in einem bestimmten Zeitraum eine erhöhte Influenzaaktivität auftritt. Die jährliche Grippewelle habe in den vergangenen Jahren meist im Januar begonnen und drei bis vier Monate gedauert. Eine Influenzaerkrankung ist nicht mit einem grippalen Effekt, also einer Erkältung, gleichzusetzen. Die Grippe wird durch Viren ausgelöst, eine Erkältung entsteht durch andere Erreger.

Hingegen spricht man von einer Grippesaison, wenn in einem gewissen Zeitraum Influenzaviren hauptsächlich zirkulieren. Üblich ist dies auf der nördlichen Halbkugel zwischen der 40. Kalenderwoche (Anfang Oktober) und der 20. Kalenderwoche (Mitte Mai).

Bei niedrigeren Temperaturen und trockener Luft sind Influenzaviren nach Angaben des RKI stabiler. Zudem könne die Schleimhaut anfälliger und das Immunsystem schwächer als im Sommer sein. Dazu komme, dass Menschen sich im Winter potenziell länger in schlechter belüfteten Räumen aufhielten.

„Twindemie“-Gefahr: Omikron-Varianten BQ.1 und BQ1.1 nehmen zu, Influenza-Erkrankungen steigen

Die Zahl an Coronainfektionen in Deutschland geht zurück. Die Sieben-Tage-Inzidenz pro 100.000 Einwohner lag am Mittwoch (02.11.22) bei 279,1. In der Vorwoche lag die Inzidenz laut RKI noch bei 528,0.

Aktuell bleibe abzuwarten, ob es sich um einen vorübergehenden Rückgang handelt, gibt das RKI an. Dieser könne auch mit den Herbstferien in vielen Bundesländern zusammenhängen, die das Kontakt- und Testverhalten beeinflussen.

Doch: Die Omikron-Subvarianten B.Q.1 und BQ.1.1, auch „Höllenhund“-Variante genannt, nehmen zu. Seit Ende August verzeichne man einen deutlichen Anstieg der Subvarianten, wie das RKI in seinem Wochenbericht schreibt. Laut europäischer Seuchenschutzbehörde (ECDC) könnten sie bis Dezember vorherrschend werden.

In Deutschland seien während der vergangenen Wochen außerdem „deutlich mehr Influenzameldungen“ an das RKI übermittelt worden „als in den vorpandemischen Saisons um diese Zeit“. Im Wochenbericht der Arbeitsgemeinschaft Influenza zeigt sich, dass die Aktivität der akuten Atemwegserkrankungen (ARE-Raten) in der Bevölkerung im Vergleich zur Vorwoche insgesamt gesunken ist. Doch die Werte liegen aktuell im oberen Wertebereich der vorpandemischen Jahre. Auch die Zahl der Arztbesuche aufgrund ARE liege über dem Niveau der Vorjahre.

„Twindemie“: Droht jetzt eine Doppelwelle in Deutschland?

In der Saison 2020/21 fiel die Grippewelle weltweit aus. Auch 2021/22 kam es in Deutschland nicht zu einer Welle im gewohnten Maßstab. Die Zahlen gingen erst nach den Osterferien in die Höhe. Dabei habe es sich jedoch nicht um eine Grippewelle im klassischen Sinne gehandelt, da die Influenzaaktivität insgesamt nur geringfügig erhöht war, so das RKI. Befürchtete Doppelwellen blieben damit aus.

Grundsätzlich gilt laut RKI: Der Verlauf einer Grippesaison lässt sich nicht vorhersagen. Wie schwer eine Grippewelle war, kann erst nach der Saison festgesellt werden. Dass es nach den weggefallenen Coronamaßnahmen zu einer Doppelwelle kommt, sei möglich, sagt Sabine Wicker, Leiterin des Betriebsärztlichen Dienstes am Universitätsklinikum Frankfurt. Masken würden kaum noch oder oft nicht richtig getragen. Wicker ist Mitglied der Ständigen Impfkommission (Stiko) und der Stiko-Arbeitsgruppe Influenza.

„Der Infektionsdruck ist jetzt im Herbst in allen Altersgruppen der Allgemeinbevölkerung hoch“, hält das RKI aktuell fest. Bei akuten Atemwegsinfektionen insgesamt seien in den kommenden Wochen hohe Fallzahlen zu erwarten. Einen steigenden Trend zeigten neben Grippeerkrankungen auch das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV).

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Der Generalsekretär der Deutschen Gesellschaft für Immunologie, Carsten Watzl, sieht keinen Grund zur Panik. „Die Coronamaßnahmen in Deutschland sind ja noch nicht komplett weggefallen, sodass immer noch ein Stück weit auch die Grippeverbreitung gehemmt wird.“ Tatsächlich könne es bei Menschen, die länger keine echte Grippe hatten, nun wieder so weit sein. Erwachsene machten dies in der Regel aber ohnehin nur alle paar Jahre durch. „Das, was umgangssprachlich als Grippe bezeichnet wird, ist ja meist nur eine Erkältung. Bei Influenza kann man schon mal eine Woche flachliegen“, sagte Watzl.

Anzunehmen sei, dass nach den grippearmen vergangenen zwei Wintern mehr kleinere Kinder als üblich ohne Immunschutz sind. Diese verpassten ihre ersten Grippeinfektionen. Bei der Gruppe verlaufe die Krankheit in der Regel aber auch nicht schwer, so Watzl.

Gesellschaftlich könne eine Doppelwelle aus Corona und Grippe problematisch werden. Es sei jedoch für Einzelne unwahrscheinlich, zeitgleich an beiden Infektionen zu erkranken. Ist eine Zelle bereits mit einem Virus infiziert, sendet sie Botenstoffe aus, die wiederum andere Zellen in eine Art Lockdown-Modus versetzen, erklärt Watzl. „Für ein neues Virus ist es dadurch schwerer, eine Infektion obendrauf zu setzen.“

Corona und Grippe: Lohnt sich eine Grippeimpfung?

„Wie gut Deutschland durch die Influenzasaison 2022/2023 kommen wird, hängt primär von den Impfquoten ab. Und diese sind in den Risikogruppen leider weiterhin zu niedrig“, teilte Stiko-Mitglied Sabine Wicker mit. Besonders niedrig sei die Quote bei Schwangeren, mit 23 Prozent in der Saison 2020/21.

Wicker betonte, sie halte die Influenzaimpfung in diesem Jahr für besonders wichtig, auch wenn die Schwere der Grippesaison nicht vorhergesagt werden könne. Die Impfung reduziere das Risiko von schweren Verläufen, Komplikationen und Hospitalisierungen. Gerade in der Pandemie gelte es, zusätzliche Belastungen des Gesundheitssystems zu vermeiden.

Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt die Influenza-Schutzimpfung allen Personen ab 60 Jahren sowie weiteren Risikogruppen, die auf der Website des RKI einzusehen sind.

Schutz vor der „Twindemie“: Kann ich mich gegen Corona und Grippe gleichzeitig impfen lassen?

Ja, das ist möglich. Zwischen einer Covid-19-Impfung und der Verabreichung anderer sogenannter Totimpfstoffe muss kein Impfabstand von 14 Tagen mehr eingehalten werden, empfiehlt die Stiko. Die Impfungen können gleichzeitig an zwei verschiedenen Gliedmaßen verabreicht werden, zum Beispiel an beiden Armen.

Mit Agenturmaterial

Erstpublikation am 31.10.22, um 15:03 Uhr.

Von

ssch

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