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14.06.2022

12:24

Gesundheitskonzern

„Zukäufe sind immer eine Option“ – So will der CEO von Fresenius Kabi das Geschäft ausbauen

Von: Maike Telgheder

Mit Biopharma und Auftragsproduktion soll die Medikamentensparte von Fresenius wachsen. Michael Sen umreißt seine Strategie – spricht aber noch nicht über die Stellenstreichungen.

Das Geschäft der Medikamentensparte des Konzerns soll deutlich wachsen. Fresenius

Produktion bei Fresenius Kabi

Das Geschäft der Medikamentensparte des Konzerns soll deutlich wachsen.

Frankfurt Der Gesundheitskonzern Fresenius will künftig eine maßgebliche Rolle im Multimilliardenmarkt für biotechnologisch hergestellte Produkte spielen. Das kündigte der Chef der Medikamentensparte Fresenius Kabi, Michael Sen, im Gespräch mit dem Handelsblatt an. „Biopharmazeutika sind der Markt der Zukunft, auch für Fresenius“, sagte Sen. Sieben der zehn umsatzstärksten Medikamente der Welt seien Biopharmazeutika. „Läuft ihr Patentschutz aus, entsteht ein hochattraktiver Markt für Nachahmerprodukte“, so Sen weiter.

Der ehemalige Siemens- und Eon-Manager war im April 2021 als Vorstand zu Fresenius Kabi geholt worden, um die Medikamentensparte profitabler und effizienter aufzustellen. Die Sparte ist der historische Kern von Fresenius und spielt für die weitere Entwicklung des Konzerns eine zentrale Rolle, weil das Geschäft nicht nur Wachstum, sondern auch hohe Renditen verspricht.

Mittlerweile hat Sen zusammen mit dem Kabi-Vorstand die zukünftige Strategie für die Sparte formuliert – die sogenannte „Vision 2026“. Die drei Wachstumsinitiativen sind:

  • das Geschäft mit der Medizintechnologie soll ausgebaut werden
  • das Angebot klinischer Ernährung in den Regionen soll wachsen
  • im Markt für biotechnologisch hergestellte Medikamente soll mehr Umsatz erwirtschaftet werden.

Ende März hatte Fresenius bereits für mehr als 700 Millionen Euro in zwei dieser Wachstumsfelder zugekauft. Im Bereich Medizintechnologie wurde die US-Firma Ivenix erworben, die ein digital vernetztes Infusionstherapiesystem entwickelt hat. Darüber hinaus hat Fresenius Kabi im Bereich Biopharma die Mehrheit an der spanischen Firma mAbxience übernommen, die auf die Entwicklung und Herstellung von biologischen Arzneimitteln spezialisiert ist.

Fresenius ist stark im Markt für Nachahmerprodukte (Generika) von flüssigen chemischen Medikamenten vertreten. Die Palette reicht von Narkosemitteln wie Propofol bis hin zu Krebsmedikamenten. Mit biotechnologisch hergestellten Nachahmermedikamenten (Biosimilars), die mit Zelllinien in riesigen Fermentern hergestellt werden, macht Fresenius derzeit noch vergleichsweise wenig Umsatz. Im Jahr 2021 belief er sich laut Konzernangaben auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag. Insgesamt erwirtschaftete Fresenius Kabi im Jahr 2021 einen Umsatz von 7,2 Milliarden Euro.

Jährliches Wachstum von acht Prozent

Der Bad Homburger Konzern hatte sich 2017 mit dem Kauf des Biosimilar-Portfolios des Darmstädter Merck-Konzerns in diesen Markt vorgewagt und 2019 sein erstes Nachahmerprodukt des 20-Milliarden-Dollar-schweren Rheumamedikaments Humira auf den Markt gebracht.

Mit dem Kauf der spanischen mAbxience will Kabi-Chef Sen die Präsenz von Fresenius im Bereich Biopharma deutlich vergrößern. Zusammen kommen beide Unternehmen hier auf einen Umsatz von deutlich mehr als 300 Millionen Euro. Sen traut dem Bereich Biopharma ein jährliches Wachstum von rund acht Prozent zu. „Mit mAbxience ergänzen wir unsere Biologika-Pipeline sehr sinnvoll und sichern uns auch erstmals Zugang zu einer biopharmazeutischen Fertigung, die wir in den nächsten Jahren weiter ausbauen können“, sagt der 53-Jährige.

Schon heute produziert mAbxience in seinen Produktionsstätten in Lateinamerika als Lohnhersteller unter anderem auch den Covid-19-Impfstoff für Astra-Zeneca. In der Biopharmazeutika-Produktion werde es in den nächsten Jahren eine stark steigende Nachfrage geben.

Grafik

Der Bedarf an mRNA-Impfstoffen, viralen Vektoren für Gentherapien und Biotech-Medikamenten steige. „Da werden die Kapazitäten weltweit eng werden“, sagt Sen. „Insofern erwarten wir uns auch einige Impulse von der Auftragsherstellung solcher Produkte.“ Auch die eigenen Produkte will Fresenius perspektivisch selbst herstellen, es werde aber ein paar Jahre dauern, diese Fertigung technologisch aufzubauen, so Sen.

Auch wenn Fresenius sich mit mAbxience bereits stark vergrößert hat: Im Vergleich zu großen Konkurrenten ist Kabi immer noch vergleichsweise klein. Die Novartis Tochter Sandoz etwa setzte 2021 mit Biosimilars rund zwei Milliarden Dollar um. „Entscheidend ist nicht die schiere Größe, sondern die Breite des Portfolios“, gibt sich Sen selbstbewusst. Kabi habe zusammen mit mAbxience gut zehn Produkte auf dem Markt und in der Entwicklung. Damit liege man im oberen Drittel des Wettbewerbs. „Mit diesem Portfolio sind wir auch ein relevanter Gesprächspartner für Krankenkassen und Einkaufsorganisationen“, so der Kabi-Chef.

Für Fresenius Kabi sind weitere Zukäufe denkbar

Für die weitere Entwicklung von Fresenius Kabi kann sich Sen auch neue Zukäufe vorstellen. Das Management des Dax-Konzerns hatte bereits erklärt, Kapital bevorzugt in Kabi zu investieren. „Zukäufe sind immer eine Option“, sagt Sen. Der Konzern habe eine Reihe von Feldern definiert, in denen man wachsen wolle. „Aber es kommt ja auch immer darauf an, ob es passende Unternehmen und die Gelegenheit gibt, sie zu kaufen.“

Neben den Wachstumsinitiativen der Vision 2026 muss das Management von Kabi zugleich auch ein Kostensenkungs- und Effizienzprogramm umsetzen, das 2021 bereits vor Amtsantritt von Sen vom Fresenius-Vorstand um CEO Stephan Sturm beschlossen worden war. Insgesamt mehr als 150 Millionen Euro sollen die drei Fresenius-Sparten Kabi, die Krankenhaustochter Helios und der Klinikdienstleister Vamed ab 2023 einsparen.

Bei Fresenius Kabi sollen darum weltweit rund 2000 Stellen gestrichen werden, in Deutschland 250, wie das Handelsblatt Anfang Juni erfahren hat. Zahlen, die Kabi-Vorstand Sen weder bestätigt noch dementiert. Dazu verhandle man derzeit mit den Arbeitnehmervertretern. „Es wäre nicht seriös, jetzt schon konkrete Projekte oder Zahlen zu kommunizieren“, sagt Sen.

Der Chef der Sparte Fresenius Kabi denkt über weitere Übernahmen nach. Fresenius

Michael Sen

Der Chef der Sparte Fresenius Kabi denkt über weitere Übernahmen nach.

Das strukturelle Problem von Fresenius Kabi ist, dass rund die Hälfte des Umsatzes mit Infusionen und intravenös zu verabreichenden Nachahmermedikamenten, die in den großen Märkten USA und China unter Preisdruck stehen, gemacht wird. „Dieses Basisgeschäft wird uns weiter ernähren und es wird auch nicht abreißen, weil diese Medikamente weiterhin gefragt sein werden. Aber der Druck auf die Profitabilität wird immer größer, weswegen wir das Geschäft widerstandsfähiger machen müssen“, sagt Sen.

Um die Wettbewerbsfähigkeit von Kabi zu steigern, schaut sich das Management Sen zufolge alle Bereiche an. Unter anderem soll das Produktionsnetzwerk optimiert werden, Produktlinien könnten zusammengelegt werden. „Aber wir fragen uns auch, ob wir in einem Markt, in dem wir keine kritische Masse haben, bleiben wollen“, so Sen. Im administrativen Bereich sollen darüber hinaus unterstützende Funktionen zusammengelegt werden, Prozesse wolle man stärker digitalisieren und automatisieren.

Im Basisgeschäft spüre das Unternehmen die massiven Verwerfungen in den USA und in China durch Ausschreibungen und Rabattverträge. „Unser Volumen wächst, aber eben auch der Druck auf unsere Margen“, so Sen. Deswegen müsse man „im Interesse unseres Unternehmens und aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter“ handeln. „Das verstehen auch die Sozialpartner.“

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