Chris Boos zählt zu den deutschen Pionieren für künstliche Intelligenz. Für den Gründer von Arago ist die Debatte um intelligente Maschinen in Deutschland zu angstbesetzt.
Chris Boos
Boos findet, dass die Debatte um intelligente Maschinen in Deutschland falsch läuft, zu negativ, zu angstbesetzt.
Bild: dpa - picture-alliance
Rein äußerlich gleicht Chris Boos dem typischen Nerd. Aufgrund einer seltenen Augenkrankheit kann der Chef von Arago, einem mittelständischen Anbieter für künstliche Intelligenz (KI), schlecht sehen. Wenn er tippt, hält der Gründer das Smartphone eng vor das Gesicht. Das Handicap hat den Pionier aus Frankfurt nicht aufgehalten.
Im Gegenteil. Boos zählt zu den einflussreichen Vordenkern der deutschen KI-Szene. Er tritt selbstbewusst auf, leistet sich extravagante Outfits inklusive Cowboy-Boots. Der Mann will auffallen, sich einmischen, ganz anders eben als der Nerd, der lieber allein vor dem Rechner hockt.
Boos findet, dass die Debatte um intelligente Maschinen in Deutschland falsch läuft, zu negativ, zu angstbesetzt. „Wir müssen positiver denken und weniger skeptisch sein“, lautet seine Überzeugung. Aus seiner Sicht rufen die Politiker bei neuen Technologien zu schnell nach Gesetzen und könnten damit Innovationen im Keim ersticken.
Die computergesteuerten Autos sind für ihn so ein Beispiel. Im regulären Straßenverkehr sterben täglich Hunderte Menschen, meint Boos. Doch wenn auch nur ein autonomes Fahrzeug einen Unfall verursache, werde gleich das Ende der ganzen Technologie verkündet. „Wir müssen aus dem Perfektionismus rauskommen“, fordert der Unternehmer. „Es reicht völlig, wenn die Maschine es besser macht als der Mensch, sie muss nicht fehlerfrei sein.“
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Mit seiner Firma trat Boss dem neu gegründeten Verband für künstliche Intelligenz (KI-Bundesverband) bei, der mutigere Schritte bei der Förderung von Maschinenintelligenz fordert. Boos fürchtet, dass das ängstliche Deutschland bei der Schlüsseltechnologie den Anschluss verliert.
„Es muss eine Schnittstelle zwischen Politik und Industrie geben, um die Diskussion über künstliche Intelligenz fundiert zu führen“, sagt er. „Statt mehr Regulierung brauchen wir eine gemeinsame gesellschaftliche Vision.“ So wie die Amerikaner eben, als sie 1969 den ersten Menschen zum Mond beförderten. Die deutsche Regierung solle das Roboterauto zum „Staatsziel“ erklären.
Boos hat stets an den Fortschritt geglaubt. Nach dem Abitur studierte er Informatik in Zürich und Darmstadt. Nebenbei besuchte er Vorlesungen über englische Romantik, las die Romane mit einer Lupe, die er auch heute immer in der Tasche bei sich trägt. Im Jahr 1995 hatte er genug vom Unileben, machte sich selbstständig mit Arago. Zunächst fokussierte sich das Unternehmen auf IT-Management und Beratung. So programmierte Boos etwa die erste deutsche Lösung für Onlinebanking.
Seit vier Jahren arbeitet Arago an einer KI-Plattform, die Firmen dabei hilft, ihre Unternehmensprozesse mit Maschinenlernen zu automatisieren. Das Unternehmen beschäftigt inzwischen 200 Menschen in Frankfurt, im englischen Exeter, in New York und in Redwood City im Silicon Valley.
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Der Private-Equity-Riese KKR beteiligte sich 2014 mit rund 50 Millionen Dollar an der US-Expansion von Arago. Der Umsatz des KI-Anbieters soll im dreistelligen Millionenbereich liegen, profitabel sei das Unternehmen längst, versichert Boos. Die Finanzen steuert sein Onkel, ein pensionierter Banker.
Zu Aragos Kunden zählen Lufthansa, SAP Partners, UBS sowie der börsennotierte Stahl- und Metallhändler Klöckner & Co. „Wir sind aus unserem Ursprungsmarkt für IT-Automatisierung in viele weitere Branchen hineingewachsen“, sagt Boos. Besondere Nachfrage registriert er gerade aus dem Transport- und Logistik-Gewerbe. „Wir füttern auch Tiere“, sagt Boos, der selbst ein begeisterter Reiter ist.
Mit HIRO, Aragos neuestem Produkt, will Boos die Maschinen das Lernen selbst lehren. Die Abkürzung steht für „Human Intelligence Robotically Optimized“, zu Deutsch etwa: „roboteroptimierte menschliche Intelligenz“. Das vielfach in der KI eingesetzte Maschinenlernen verbessere seine Fähigkeiten nur durch Beobachtung, so der Gründer.
Dieses Verfahren erfordere jedoch große Datenmengen, die kleinere Firmen meist nicht besäßen. Seine Technologie sei besser, wirbt er. Gerade Mittelständler interessierten sich besonders für die intelligenten Maschinen. „Ich spüre gerade einen regelrechten Ruck, der durch unser Land geht“.
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