Die Einstellung der Deutschen zur Digitalisierung hat sich spürbar verändert. Ein Projekt von Gesundheitsminister Lauterbach sorgt allerdings für Skepsis.
Krankenhaus
Viele Ärzte fürchten mehr Bürokratie durch Digitalisierungs-Vorhaben.
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Berlin Die Deutschen messen dem Datenschutz offenbar immer weniger Bedeutung zu. Das ist das Ergebnis der Studie Technikradar 2022 im Auftrag der Körber-Stiftung und der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech). Für die Studie wurden im Sommer 2021 insgesamt 2011 Teilnehmerinnen und Teilnehmer sowie 200 Ärzte befragt.
War der Datenschutz 2017 noch das zweitwichtigste Zukunftsthema der Deutschen, rangiert es mittlerweile nur noch auf dem fünften Platz. Wichtiger als der Datenschutz sind demnach unter anderem die Themen Arbeitsplatzsicherheit, der Klimaschutz und die Luftverschmutzung.
Cordula Kropp, Projektleiterin am Zentrum für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung der Universität Stuttgart, erklärt dies dem Handelsblatt gegenüber so: „Die Deutschen haben sich also offenbar an die Digitalisierung gewöhnt.“
Die Menschen in Deutschland stufen der Studie zufolge den Vorteil der Digitalisierung in verschiedenen Wirtschafts- und Gesellschaftsbereichen höher ein als das Risiko. Auf einer Skala von null (gar nicht nützlich) bis zehn (sehr nützlich) bewerten die Befragten den Nutzen der Digitalisierung etwa im Bereich Gesundheit mit 7,5 Punkten, das Risiko lediglich mit 4,6.
Die Studie erfragte auch die Einstellung zu konkreten Digitalisierungsvorhaben wie der elektronischen Patientenakte (ePA). Röntgenbilder auf CD, Papierakten und Faxe sollen damit der Vergangenheit angehören. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nennt das Vorhaben gar eine „Kernanwendung“ im Gesundheitswesen – doch die Bevölkerung sieht die ePA weitestgehend skeptisch.
Nur fünf Prozent nutzen das Angebot derzeit, zeigt die Studie. Mehr als jeder Fünfte gab sogar an, die ePA nicht nutzen zu wollen. Grund sind Bedenken beim Datenschutz (50 Prozent) und Unklarheiten darüber, wer welche Daten einsehen kann (53 Prozent). Knapp jeder Vierte sagte, er kenne die elektronische Patientenakte nicht.
Karl Lauterbach
Die Bevölkerung sieht die elektronische Patientenakte weitestgehend skeptisch.
Bild: dpa
Expertin Kropp sieht das mit Sorge. „Die derzeit verbleibende Hälfte, die sie nutzen oder das vorhaben, ist zu wenig“, sagt sie. Die gesetzlichen Krankenkassen müssen die ePA seit 2021 ihren Versicherten anbieten, ihre Funktionen sind allerdings noch sehr begrenzt und sollen nach und nach verfügbar gemacht werden.
Im Jahr 2023 soll es beispielsweise möglich sein, seine Patientendaten zu Forschungszwecken freizugeben – etwa, um neue Krankheiten oder Therapien zu entdecken. Um aus den Daten allerdings repräsentative Zusammenhänge zu gewinnen, mit denen sich über die Gesamtbevölkerung Aussagen treffen lassen, reicht die Zahl der potenziellen Nutzer aber nicht aus, sagt Kropp.
Eine Hürde sieht die Expertin auch in von der Bundesregierung anvisierten Opt-out-Regel. Mit ihr müssen Nutzer aktiv der Datenweitergabe widersprechen. Es müsse die Regel sein, dass die Patientendaten der Forschung zur Verfügung stehen, sagte Lauterbach dazu kürzlich. Dies sei die „wichtigste Voraussetzung für den Erfolg der ePA überhaupt“. Kropp hingegen erwartet das Gegenteil.
Die Regel werde dazu führen, „dass Menschen mit digitaler Gesundheitskompetenz vorsichtiger Gesundheitsdaten teilen werden“, sagte sie. „Sie werden die ePA eher ablehnen, da sie Sorge haben, dass ihre Gesundheitsdaten in Zukunft möglicherweise mit unliebsamen Institutionen geteilt werden.“
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Der Studie nach sind viele Menschen nur bereit, ihre Daten unmittelbar an behandelnde Ärzte und Kliniken weiterzugeben. Die Hälfte der Befragten lehnt es hingegen ab, die eigenen Daten an Forschungseinrichtungen weiterzugeben.
Die Politik müsse deswegen noch viel stärker die Vorteile der ePA in der Bevölkerung kommunizieren, fordert Kropp. Auch die Ärzteschaft müsse noch überzeugt werden. Nur für die Hälfte überwiegen die Vorteile der ePA bislang die Nachteile deutlich, geht aus der Studie hervor. „Ärzte sehen beispielsweise mehr bürokratischen Schreibkram auf sich zukommen – dabei soll die Digitalisierung doch eigentlich zu weniger Bürokratie führen“, sagt Kropp.
Grundsätzlich empfinden die Deutschen Technik aber eher als problemlösend: Befürworteten 2017 noch 35,5 Prozent der Bürger die Aussage „Durch Technik entstehen mehr Probleme, als gelöst werden“, so sind es im aktuellen Technikradar nur noch 23,1 Prozent der Befragten.
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