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14.07.2023

08:18

Vaditim

Wie ein 22-Jähriger mit Sneakern von Adidas und Co. Millionär wurde

Von: Florian Kolf

PremiumMit 14 verkaufte er seine ersten Turnschuhe, mit Anfang 20 ist er Millionär: Aus der Grauzone des Sneaker-Resellings baute Stepan Timoshin den Handelskonzern Vaditim auf.

Vaditim-Gründer Stepan Timoshin Vaditim

Stepan Timoshin

Der Vaditim-Gründer macht über seinen Webshop schon mit 22 Jahren einen Millionenumsatz mit Sneakern.

Düsseldorf Stepan Timoshins Geschäft beginnt mit leicht verdientem Taschengeld. In einem Berliner Sneakershop ergattert der Gründer als 14-Jähriger drei Paar Turnschuhe des streng limitierten Sondermodells von Nike Air Jordan 5 Shanghai. Pro Paar zahlt er damals 220 Euro, weiterverkauft hat er sie für 300 Euro. Eine gute Marge.

Die Idee hatte Timoshin aus einem Video des Youtubers Qias Omar, der erklärte, wie dieses „Sneaker-Reselling“ funktioniert. Und wie er an einem Paar Schuhe 500 Euro verdient habe. „Dafür musste ich bei meinem Ferienjob im Hotel zwei Wochen arbeiten“, sagt Timoshin.

Heute, acht Jahre später, macht der Unternehmer inzwischen keine Taschengeld-Deals mehr. Timoshin hat geschafft, wovon Tausende junge Sneaker-Reseller träumen: Sein Unternehmen Vaditim erzielt mit 120 Mitarbeitern einen Umsatz von mehr als 40 Millionen Euro. Und seine Profite macht er nicht mehr nur mit Turnschuhen.

Vaditim: Mehrere zehntausend Euro für begehrte Sneaker von Adidas und Nike

Für begehrte Sondermodelle von Sneakern werden in Onlinebörsen zum Teil mehrere zehntausend Euro bezahlt. Timoshin selbst besitzt einen Air Jordan Eminem in Schwarz, der 25.000 Euro wert ist. Er hat zu Hause eine Schuhwand mit rund 600 verschiedenen Paaren. Doch was wie ein teures Hobby verrückter Sammler wirkt, ist ein knallhartes Geschäft, in dem weltweit Milliarden umgesetzt werden.

Die US-Investmentbank TD Cowen bezifferte den Umsatz mit Secondhand-Turnschuhen für das Jahr 2020 bereits auf sechs Milliarden US-Dollar – und sieht hohe Wachstumsraten. Nach ihren Schätzungen soll das Marktvolumen bis 2030 auf bis zu 30 Milliarden US-Dollar steigen.

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Welches Potenzial das Geschäft hat, zeigt auch der größte US-Marktplatz für Sneaker, StockX. Bei der bisher letzten Finanzierungsrunde 2021 wurde das Unternehmen mit fast vier Milliarden Euro bewertet, nach eigenen Angaben machte es damals schon einen Umsatz von mehr als 400 Millionen Euro. Über die Plattform handeln Tausende von Resellern, StockX selbst verdient hauptsächlich an den Provisionen.

Dabei bewegt sich das Geschäft mit dem Sneaker-Reselling in einer Grauzone, die Hersteller selbst handeln offiziell nicht mit den Wiederverkäufern. „Das Geschäft basiert auf persönlichen Kontakten und letztlich auch auf Bestechung der Storemanager“, räumt Vaditim-Chef Timoshin im Gespräch mit dem Handelsblatt ein.

Jedes Jahr bringen Hersteller wie Nike oder Adidas Dutzende limitierter Sondermodelle auf den Markt. Diese verkaufen sie über ihre digitalen Direktkanäle und über spezialisierte Sneakershops. Viele Manager dieser Shops machen sich ein gutes Nebengeschäft daraus, einen Teil davon gegen ein Aufgeld an Wiederverkäufer abzugeben, statt sie in den offiziellen Verkauf zu geben. Eine Taktik, die nicht unbemerkt geblieben ist.

Weil die Hersteller mittlerweile den größten Teil der Schuhe über eigene Apps wie die Nike SNKRS App oder die Adidas Confirmed App verkaufen, werden die Reseller immer mehr zu IT-Experten. Sie programmieren Bots, die automatisiert die Direktkanäle der Hersteller nach interessanten Modellen durchsuchen und dort im großen Stil einkaufen.

Vaditim peilt Umsatz von 100 Millionen Euro an

Abgesehen von dem Münchener Unternehmen Hypeneedz, das ein ähnliches Geschäftsmodell wie Vaditim hat, haben die meisten Reseller selbst keinen Webshop. Sie verkaufen die Schuhe entweder über Social-Media-Kanäle oder über Börsen wie StockX.

Timoshin wollte eigentlich nie Unternehmer werden, er sah das Reselling als lukratives Nebengeschäft parallel zu Schule und später BWL-Studium. Doch der prominente Influencer Montana Black, mit dem Timoshin befreundet ist, überzeugte ihn 2018, einen eigenen Webshop und dann auch einen Laden in Berlin zu eröffnen.

Mit Erfolg. „Bis 2020 sind wir beständig gewachsen und haben schließlich zehn bis zwölf Millionen Umsatz im Jahr gemacht“, erzählt Timoshin. Doch richtig angezogen habe das Geschäft, als er 2020 neben den Turnschuhen auch Mode unter der Eigenmarke Vaditim ins Sortiment nahm: „2022 haben wir dann mit einem Nettoumsatz von 40 Millionen Euro nach Retouren abgeschlossen.“

Dieses Jahr habe Vaditim in den ersten vier Monaten den Umsatz um rund 30 Prozent gesteigert. Das Ziel sei es, im nächsten Jahr einen Umsatz von 100 Millionen Euro zu machen. Gerade bei den Eigenmarken sieht er noch viele Wachstumsmöglichkeiten. „Die Profitabilität ist dort auch viel höher, da liegt die Marge auf die eingesetzten Kosten bei bis zu 300 Prozent“, verrät der 22-Jährige.

„Dass Vaditim jetzt auch Mode unter der Eigenmarke anbietet, ist eine vernünftige Strategie“, sagt Johannes Kliesch, langjähriger Kenner der Sneaker-Szene und Mitgründer des Onlinehändlers Snocks. „Du hast mit den Sneakern ein hochemotionales Produkt, mit dem du einen riesigen Traffic auf deiner Website generieren kannst“, erklärt der Unternehmer. Und wenn die Kunden da seien, kauften sie auch noch ein Shirt oder eine Hose.

„Das ist ein sehr smarter Weg, sich weniger abhängig vom Sneaker-Markt zu machen“, sagt Kliesch. Denn in diesem Geschäft sei man immer darauf angewiesen, dass die großen Hersteller interessante Modelle herausbringen. Und gerade in den vergangenen zwölf Monaten seien die Releases nicht wirklich gut gewesen.

Hohe Profite mit Yeezy-Modellen von Kanye West und Adidas

Wie schnell lukrative Trends vorbei sein können, zeigt die Zusammenarbeit von Adidas mit Kanye West, aus der die millionenfach verkaufte Schuhserie Yeezy entstand. „Die haben es geschafft, durch geniales Marketing viel größere Mengen von limitierten Modellen abzusetzen und trotzdem beim Kunden das Gefühl der Knappheit zu erzeugen“, erinnert sich Timoshin. „Da konnte ich statt 30 Paare auf einmal 300 Paare von einem Modell bekommen und trotzdem Profite von 100 bis 150 Euro pro Paar mitnehmen.“

Doch nach antisemitischen Äußerungen des Skandalrappers trennte sich Adidas im vergangenen Jahr von West und stellte den Verkauf ein. Nun hat Adidas begonnen, die restlichen Schuhe im Wert von mehr als einer Milliarde Euro abzuverkaufen. Danach ist auch für Reseller diese moralisch schwierige, aber offenbar lukrative Quelle versiegt.

Der wichtigste Marketingkanal für das Reselling ist Social Media. Jeden Tag bringt Vaditim frische Inhalte auf Tiktok und Instagram, dreimal täglich gibt es ein neues Kurzvideo, meist mit Stepan Timoshin in der Hauptrolle. Sehr früh hat der Unternehmer, der mittlerweile an 38 verschiedenen Firmen beteiligt ist, auch auf die Zusammenarbeit mit Influencern gesetzt, was ihm viel Reichweite gebracht hat.

Vaditim-Gründer Timoshin hat noch Großes vor

Doch Timoshins Karriere als Unternehmer hätte auch sehr früh zu Ende sein können. Mit 16 Jahren wurde er wegen Steuerhinterziehung angezeigt. „Das war Dummheit und Leichtsinn“, räumt er ein. „Der Vorwurf war Steuerhinterziehung in Höhe von 122.000 Euro, gekostet hat es mich mit Zinsen und Steuerberatungskosten 180.000 Euro“, berichtet er. Verurteilt wurde er aber nicht, weil man ihm seine Unerfahrenheit als Jugendlicher zugutehielt.

„Ich habe daraus viel gelernt, alle Steuern werden jetzt sofort bezahlt“, versichert er. Auch alle Rechnungen würden spätestens am nächsten Tag beglichen.

Timoshins persönliches Ziel ist es, sein zurzeit pausiertes BWL-Studium irgendwann zumindest noch zum Bachelor-Abschluss zu bringen. Denn ganz autodidaktisch will er den nächsten großen beruflichen Schritt doch nicht machen. „Ich habe noch Großes vor“, erzählt der Gründer, „und möchte gern noch mit einer Firma mal einen Börsengang machen.“

Erstpublikation: 11.07.2023, 12:11 Uhr.

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