Der Chef des Autokonzerns glaubt nicht mehr an den Diesel. Er verspricht stattdessen ein günstiges E-Auto und hofft weiter auf eine Fusion mit Fiat Chrysler.
Thierry Bolloré
Der Renault-Chef sieht die Autobranche mit zahlreichen Problemen konfrontiert.
Bild: Bloomberg/Getty Images
Paris Schon innerhalb von fünf Jahren erwartet Renault-Chef Thierry Bolloré das erste Elektroauto in Europa, das 10.000 Euro kostet. „Wir arbeiten daran. Und es wird weit weniger als fünf Jahre dauern, bis ein solches Auto in Europa auf den Markt kommt“, sagte er im Interview mit dem Handelsblatt. „Die Preise für Elektroautos müssen dramatisch sinken, das ist eine Notwendigkeit.“
Als Antwort auf die Klimawandel-Debatte sieht er Elektromobilität und Hybridautos: „Die Autoindustrie unternimmt große Anstrengungen um grüner zu werden.“ Die Dieseltechnologie hält er dagegen für ein Auslaufmodell: „Ich glaube, dass die Debatte fatal für den Diesel war. Der Kampf in der öffentlichen Diskussion hat die Technologie getötet“, sagte Bolloré.
Gesetzliche Anforderungen hätten außerdem saubere Diesel immer teurer gemacht. „Die Dieseltechnologie steht heute in Bezug auf die Kosten im Wettbewerb mit Hybrid- und Elektromotoren, insbesondere für Kleinwagen. Welchen Platz hat der Diesel am Ende noch? Vielleicht werden wir Diesel noch auf dem Land sehen, dort wo die Menschen große Distanzen zurücklegen müssen.“
Bolloré sieht große Probleme auf die Autoindustrie zukommen. „Der Sektor befindet sich in so etwas wie einer Krise.“ Das größte Risiko sei ein harter Brexit.
Aber er sieht auch noch andere Probleme: „Die Schwierigkeit ist, dass alle Probleme gleichzeitig auf uns zu kommen. Zusätzlich zum Handelskonflikt, der Argentinien-Krise, den Sanktionen gegen Iran und Russland. Und dann ist da noch die Tatsache, dass die Dieselkrise die Entwicklung der Regulierung für Automobilhersteller beschleunigt hat.“
Die Elektromobilität, aber auch das autonome Fahren würden die Autoindustrie zur Kooperation zwingen, glaubt Bolloré. Die Idee einer Fusion von Renault und Nissan sei zunächst aber vom Tisch. „Wir haben diese Idee mit Nissan mehrmals besprochen, aber es blieb bei einer Diskussionsphase. Das ist nicht die aktuelle Richtung.“ Dem Vorhaben Nissans, die Aktionärsstruktur zu verändern, erteilt er eine klare Absage: „Die Aktionärsstruktur hat mit der industriellen Logik nichts zu tun, das hat für mich daher keine Priorität.“
Auch bei einem möglichen Zusammenschluss mit Fiat Chrysler gebe es keine Fortschritte, der letzte Anlauf scheiterte am Zögern der französischen Regierung. Die Hoffnung gibt der Renault-Chef jedoch nicht auf: „Natürlich stimmt die industrielle Logik hinter dem Deal noch immer.“ Nach Monaten der Unruhe seit der Festnahme von Carlos Ghosn bemüht sich Bolloré, wieder Ruhe einkehren zu lassen: „Alle internen Untersuchungen sind abgeschlossen.“
Herr Bolloré, in Deutschland wird viel von einer Rezession gesprochen. Wie optimistisch oder pessimistisch blicken Sie in die Zukunft?
Wir sehen, dass die europäische Wirtschaft recht stabil ist. Für uns ist das größte Risiko ein harter Brexit. Wir produzieren zwar nicht in Großbritannien, deswegen sind auch die Lieferketten kein Problem für uns. Aber ich mache mir Sorgen, wie die Finanzmärkte auf einen harten Brexit reagieren würden. Für die Automobilindustrie könnte das einen Umsatzrückgang bedeuten.
Das sorgt Sie mehr als der Handelskrieg zwischen China und den USA?
Die Schwierigkeit ist, dass alle Probleme gleichzeitig auf uns zukommen. Zusätzlich zum Handelskonflikt, der Argentinienkrise, den Sanktionen gegen Iran und Russland. Und dann ist da noch die Tatsache, dass die Dieselkrise die Entwicklung der Regulierung für Automobilhersteller beschleunigt hat. Und zwar nicht nur in Europa. Es gibt auch immer mehr Städte, die neue Regeln für Dieselautos erlassen. Die E-Mobilität ist sicherlich der richtige Ansatz, aber die Kunden fremdeln noch ein bisschen mit ihr. Das Ergebnis all dieser Entwicklungen ist ein Automobilmarkt, der nicht mehr unbedingt dem Takt der wirtschaftlichen Entwicklung folgt.
In Frankreich hat sich die Autoproduktion in den vergangenen zehn Jahren halbiert, in Deutschland wurden gerade Tausende Jobs in der Autoindustrie gestrichen. Geht die Zeit der Autoherstellung in Hochpreisländern ihrem Ende zu?
Nein, sicherlich nicht. Wir produzieren unsere Fahrzeuge hauptsächlich in den Regionen, in denen wir sie verkaufen. Wir produzieren zwar auch unsere Low-Cost-Fahrzeuge in Ländern mit niedrigerem Gehaltsniveau, aber wir investieren ebenfalls auch in unsere französischen Standorte. Das gilt insbesondere für die Produktion von Elektrofahrzeugen.
Wenn die Angst vor Jobverlust umgeht, gewinnen Populisten an Macht. Das tun sie auch bereits in vielen europäischen Ländern. Was ist die Aufgabe von Unternehmen in diesem politischen Umfeld?
Wir müssen uns unserer Verantwortung als Hersteller stellen. Vor allem was die Transformation unserer Unternehmen angeht. Unsere größte Herausforderung in Bezug auf Arbeitsplätze ist der Antriebswechsel hin zur E-Mobilität und der damit verbundene Wandel der Anforderungsprofile. Und natürlich das Tempo, in dem sich dieser Wandel vollzieht, sowie die Anpassungsfähigkeit der Industrie. Die Politiker haben Einfluss auf das Tempo.
Es gibt nicht nur politischen, sondern auch gesellschaftlichen Druck, schnell auf die E-Mobilität umzusteigen. Auf der IAA in Frankfurt werden Demonstranten vor der Tür stehen und der Industrie vorwerfen, für den Klimawandel mitverantwortlich zu sein. Was antworten Sie?
Wir müssen Teil der Lösung sein und nicht Teil des Problems. Deshalb entwickeln wir Elektro- und Hybridautos. Bei Renault arbeiten wir seit zehn Jahren intensiv an der E-Mobilität. Wir haben dazu unsere Mitarbeiter komplett neu ausbilden müssen. Wir bieten auch jede Menge anderer Dienstleistungen an, um Mobilität sauberer und effizienter zu machen. Dazu gehört auch das Carsharing. In Madrid zum Beispiel funktioniert unser Angebot für Fahrgemeinschaften mit elektrischen ZOEs gut und ist sogar profitabel. Wir arbeiten mit einem ganzen Ökosystem von digitalen Plattformen und Partnern zusammen. Wir verkaufen mehr als nur Autos.
Aber reicht das aus?
Die Automobilindustrie unternimmt große Anstrengungen, um grüner zu werden, und Renault ist ein Pionier auf dem Feld. E-Mobilität ist für uns eine Realität in Industrie und Handel. Während andere Ankündigungen machen, sind wir bereits auf dem Markt und verkaufen Elektroautos. Wir sind führend in Europa. Bei uns ist dieser Geschäftsbereich profitabel.
Ein Bremsklotz für E-Mobilität sind die hohen Preise. Wann bieten Sie ein E-Auto für 10.000 Euro auch in Europa an? In China gibt es das ja schon.
Wir arbeiten daran. Und es wird weit weniger als fünf Jahre dauern, bis ein solches Auto in Europa auf den Markt kommt. Die Preise für Elektroautos müssen dramatisch sinken, das ist eine Notwendigkeit. Nicht nur für Menschen, die ein Elektroauto kaufen wollen, sondern auch im Bereich der Shared Mobility. Aber wir können auch nichts überstürzen. Damit die Entwicklung einer neuen Mobilität nachhaltig ist, muss sie auch profitabel sein.
Sie zeigen den neuen Captur, ein Plug-in Hybrid-Auto, in Frankfurt. Ist das ein Strategiewechsel weg vom E-Auto?
Nein, überhaupt nicht. Das ist kein Strategiewechsel. Wir haben uns vor einigen Jahren dafür entschieden, nicht nur auf eine Lösung zu setzen, sondern sowohl auf E-, als auch auf Hybridantriebe. Damit wollen wir eine breite Palette von Motoren anbieten, um flexibel auf die Nachfrage reagieren zu können. Wir haben ja auch Kunden, die lange Distanzen bewältigen müssen, und dafür reicht die derzeitige Batterietechnologie noch nicht aus. Unser neuer Clio Hybrid kann bis zu 80 Prozent der Zeit in der Stadt elektrisch fahren, und der Plug-in-Hybrid-Captur schafft bis zu 65 Kilometer im Elektromodus. Diese Technologie bietet jederzeit das volle E-Fahrgefühl. Das ist eine echte technische Neuerung. Und mit diesen Autos kann man auf jeden Fall in die Städte fahren, egal bei welcher Regulierungslage. Davon profitieren sowohl die Kunden als auch die Städte und die Gesellschaft.
Sie sprachen gerade die Batterietechnologie an. Frankreich und Deutschland haben mit EU-Unterstützung im Mai den sogenannten „Airbus der Batterien“ gegen das asiatische Monopol für Elektroautos lanciert. Die ersten Batterien sollen 2024/25 hergestellt werden. Was halten Sie von der europäischen Vision einer Batterieherstellung?
Das ist sehr sinnvoll. Vor allem, weil wir bei der nächsten Akkugeneration die Fragen um Recycling und Seltene Erden gelöst haben werden. Es ist doch logisch, dass die europäischen Länder sich gegenseitig helfen. Wir haben uns verpflichtet, dieses Projekt zu unterstützen.
Wie glauben Sie entwickelt sich der Automarkt?
Der Sektor befindet sich in so etwas wie einer Krise. Einerseits ist der weltweite Fahrzeugabsatz um rund sechs Prozent gesunken. Und wir sehen keine großen Aussichten auf Verbesserungen im zweiten Halbjahr. Durch den Brexit könnte sich die Lage sogar noch verschlechtern. Anderseits wächst der Mobilitätsmarkt rasant. Wenn man zum Beispiel einen Blick auf den Luftfahrtsektor wirft: Als dort die Ticketpreise um 20 Prozent sanken, weil die Billigairlines in den Markt drängten, stieg die Ticketnachfrage um 40 Prozent. Immer wenn der Zugang zur Mobilität erleichtert wird, steigt auch die Nachfrage nach Mobilität.
Heißt das, Sie werden Ihre Autos künftig billiger verkaufen?
Nein, wir konzentrieren uns darauf, eine höhere Reichweite zu ermöglichen. Dazu wollen wir günstigere, unkompliziertere und umweltfreundlichere Mobilitätslösungen anbieten. Das erreichen wir durch Carsharing, Konnektivität und autonomes Fahren, also durch smartere Angebote.
Sie achten sehr stark auf Marktvolumen. Ihr Konkurrent PSA fokussiert sich auf die Margen – und ist damit profitabler. Der Erfolg gibt PSA recht, oder?
Ich würde diesen Gegensatz so nicht herstellen. PSA sucht ja bekanntermaßen nach einem Partner, um zu wachsen und von Skaleneffekten zu profitieren. Alle Autohersteller suchen Partner – sei es, um zu kooperieren, zu fusionieren, oder Allianzen zu schmieden, so wie wir mit Nissan und Mitsubishi. Alle brauchen diese Zusammenarbeit, denn die Kosten für Veränderungen in der Industrie sind für den einzelnen Hersteller sehr hoch. Und zu PSA: Ich bin froh, dass wir einen guten Wettbewerber haben. Sie können mir glauben, den Vergleich mit PSA nutze ich intern häufig, um unsere Teams weiter voranzutreiben. Alles kann man allerdings auch nicht vergleichen, weil sich PSA auf Europa konzentriert, während Renault internationaler ausgerichtet ist.
Frankreich und Japan haben erklärt, dass sie im Automobilbereich zusammenarbeiten wollen. Wissen Sie von den Gesprächen?
Wir freuen uns, dass die beiden Länder über das sprechen, was wir schon tun. Die Allianz zwischen Renault und Nissan ist von höchster Bedeutung – vor allem mit Blick auf die Zukunft unserer Unternehmen. Wir haben schon viele gemeinsame Fertigungselemente. Unser Captur und der Juke von Nissan basieren zum Beispiel auf derselben Plattform.
Wie sieht es denn mit einer Fusion zwischen Renault und Nissan aus?
Wir haben diese Idee mit Nissan mehrmals besprochen, aber es blieb bei einer Diskussionsphase. Das ist nicht die aktuelle Richtung.
Nach wie vor nicht?
Nein. Das akzeptieren wir. Am Ende ist entscheidend, dass die Produktionsprozesse effizienter und agiler werden. Denn der Wettbewerb wird schneller und härter. Uns geht es darum, die Allianz besser zu machen. Wenn wir das auch ohne Fusion erreichen können, ist das gut.
Und Sie werden auch die Anteilsstrukturen nicht anfassen? Nissan war ja unzufrieden mit der französischen Dominanz.
Die Aktionärsstruktur hat mit der industriellen Logik nichts zu tun, das hat für mich daher keine Priorität. Unser Ziel ist es, gemeinsam effizienter und agiler zu werden, da sich die Branche sehr schnell entwickelt. Wir konzentrieren uns darauf, unsere gemeinsamen Projekte in der vorgesehenen Zeit fertigzustellen.
Sprechen Sie auch über einen potenziellen Merger mit Fiat Chrysler?
Wir kennen das Unternehmen gut, weil wir schon viele gemeinsame Projekte hatten – unter anderem das Nutzfahrzeug. Und das schon, bevor FCA ein formales Angebot gemacht hat. Das Interesse von FCA zeigt eindeutig, wie attraktiv unsere Allianz ist. Wir haben in Zukunftstechnologien investiert: Hybrid, E-Antrieb, autonomes Fahren. Und wir würden uns freuen, wenn wir unsere Technologien in größerem Umfang auf die Straße bringen könnten.
Der letzte Anlauf zu dieser Fusion scheiterte am Zögern der französischen Regierung. Glauben Sie, dass sich das noch einmal ändern könnte?
Da müssen Sie die Regierung fragen. Bisher hat sie immer gesagt, dass es ihr wichtig ist, dass sich unsere Allianz weiter stabilisiert.
… und sobald das erledigt ist, kommt das Thema noch einmal auf den Tisch?
Fragen Sie mal!
Aber die industrielle Logik ist nach wie vor gegeben, oder hat sich durch die Klimadebatte auch der Blick auf FCA verändert? Die produzieren schließlich jede Menge SUVs.
Natürlich stimmt die industrielle Logik hinter dem Deal noch immer. Und zu den SUVs: Die produziert FCA ja vor allem für den amerikanischen Markt und das mit sehr großem Erfolg.
Sie würden sich aber eine ökologische Hypothek in die Bilanz holen.
Einerseits ja. Andererseits könnten wir die Autos ja mit unseren Elektrotechnologien verbessern.
Was bleibt von der Kooperation mit Daimler übrig, der Plattform für leichte Nutzfahrzeuge (LCV)?
Wir haben exzellente Beziehungen zum neuen Management. Wir machen mit der Kooperation weiter. Vielleicht etwas weniger bei Dieselantrieben, aber durchaus bei den anderen Motoren. Wir arbeiten auch beim autonomen Fahren zusammen und bei der Konnektivität. Letzten Monat hat Daimler bekanntgegeben, dass sie für den neuen Citan, den sie im französischen Maubeuge produzieren, unsere LCV-Plattform nutzen möchten.
Ist die Ghosn-Affäre für Renault abgeschlossen? Die Hochzeitsfeier in Versailles von Carlos Ghosn mit der Libanesin Carole Nahas im Oktober 2016 war im Visier, es soll um 50.000 Euro gegangen sein, außerdem die Filiale RNBV von Renault und Nissan mit Niederlassung in Holland?
Alle internen Untersuchungen sind abgeschlossen. Wir haben nichts anderes gefunden, als das, was Sie erwähnt haben. Was das Unternehmen RNBV angeht, haben wir mit Nissan zusammengearbeitet. Wir haben Dinge gefunden, die uns überrascht haben, aber darüber kann ich nicht sprechen, weil die Untersuchungen andauern.
Haben Sie Kontakt zu Carlos Ghosn?
Nein. Seit dem 19. November nicht mehr.
Sie haben an mehreren Stellen den Diesel angesprochen. Ist die Ära Diesel vorbei?
Ich glaube, dass die Debatte fatal für den Diesel war. Der Kampf in der öffentlichen Diskussion hat die Technologie getötet. Gesetzliche Anforderungen haben außerdem saubere Diesel immer teurer gemacht. Die Dieseltechnologie steht heute in Bezug auf die Kosten im Wettbewerb mit Hybrid- und Elektromotoren, insbesondere für Kleinwagen. Welchen Platz hat der Diesel am Ende noch? Vielleicht werden wir Diesel noch auf dem Land sehen, dort wo die Menschen große Distanzen zurücklegen müssen. Auch in Nutzfahrzeugen sind in der Zukunft Dieselmotoren weiterhin denkbar. In diesem Bereich gibt es aufgrund der steigenden Nachfrage nach Lieferungen immer noch einen großen Bedarf an Dieselautos.
Herr Bolloré, vielen Dank für das Interview.
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