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25.01.2023

18:20

Brasilien

Bilanzskandal bei Americanas weckt Zweifel an Seriosität von Großinvestor Jorge Paulo Lemann

Von: Alexander Busch

Der Bilanzbetrug in Milliardenhöhe bei dem brasilianischen Einzelhandelskonzern schadet dem Ruf des mächtigen Private-Equity-Fonds 3G von Milliardär Jorge Paulo Lemann.

Knapp vier Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten gegenüber Zulieferern oder Banken seien in den Büchern des Americanas-Konzerns verschwunden. Reuters

Shop von Americanas

Knapp vier Milliarden Dollar an Verbindlichkeiten gegenüber Zulieferern oder Banken seien in den Büchern des Americanas-Konzerns verschwunden.

Salvador Brasiliens vermutlich größter Bilanzfälschungsskandal der Geschichte begann am 11. Januar dieses Jahres mit einer nüchternen Rücktrittsmeldung: Sergio Rial, CEO beim Einzelhändler Americanas SA, verkündete, dass er das Unternehmen nach nur neun Tagen wieder verlassen wollte. Als Grund nannte er Unregelmäßigkeiten in der Bilanz.

20 Milliarden Real (knapp vier Milliarden Dollar) an Verbindlichkeiten gegenüber Zulieferern oder Banken seien in den Büchern des Konzerns verschwunden. Dazu summieren sich Schulden in Höhe von weiteren 20 Milliarden Real. Bei den Aktionären und der Börsenaufsicht sorgte das für einen Schock: Der letzte veröffentlichte Jahresumsatz des Einzelhändlers betrug 55 Milliarden Real (2021). 2022 machte die Kette Verluste. Der Aktienkurs stürzte ins Bodenlose.

Erst Tage nach seinem Rücktritt meldete sich Rial über das Business-Netzwerk LinkedIn zu Wort. Der Ex-Präsident von Banco Santander in Brasilien erklärte, dass er zwar nichts mit den Verlusten zu tun habe, dass er aber den wichtigsten Aktionären von Americanas SA weiterhin mit „seiner reichen Erfahrung“ beratend zur Verfügung stehen wolle. Er sei stolz, mit ihnen zusammenzuarbeiten, es seien „reinrassige Kapitalisten“.

Damit verknüpfte Rial sein Schicksal mit den drei Brasilianern, die bei Americanas seit 40 Jahren das Sagen haben – Jorge Paulo Lemann, 82, Marcel Telles, 72, und Carlos Sicupira, 74. Die drei führen die „Forbes“-Liste der brasilianischen Milliardäre an und sind die Gründer der brasilianischen Investmentgesellschaft 3G Capital.

Mit dem Absturz der Americanas-Aktie dürfte ihr gemeinsames Vermögen etwa um eine halbe Milliarde Dollar geschrumpft sein. Doch der Bilanzskandal könnte die drei Investoren noch teurer zu stehen kommen. Denn unter den Anlegern wachsen die Zweifel, ob 3G seriös arbeitet, und es stellt sich die Frage, ob das Unternehmen gar über Jahre die Bilanzen getrimmt hat. Nicht nur der Ruf, auch das Imperium könnte damit auf dem Spiel stehen.

Kritiker: Betrug wurde von langer Hand geplant

In Brasilien trauen sich nur wenige, offen über den Skandal zu reden – zu mächtig, zu einflussreich sind die Investoren. Einer der wenigen, die das Trio scharf kritisieren, ist André Esteves. Er ist Kontrolleur der Investmentbank BTG Pactual, die als Kreditgeber vom Skandal betroffen ist. „Die drei reichsten Männer Brasiliens, Halbgötter des globalen Kapitalismus, werden mit der Hand in der Kasse erwischt“, schimpft Esteves. Alles deute darauf hin, dass dieser Betrug von langer Hand geplant und durchgeführt wurde.

Milliardär Jorge Paulo Lemann ist einer der Gründer der brasilianischen Investmentgesellschaft 3G Capital. dpa

Jorge Paulo Lemann mit seiner Ehefrau

Milliardär Jorge Paulo Lemann ist einer der Gründer der brasilianischen Investmentgesellschaft 3G Capital.

Mit den Unregelmäßigkeiten erinnern sich die Investoren nun daran, dass auch andere Unternehmen von 3G Probleme mit den Bilanzen hatten: So verkaufte das Trio 2014 seine Eisenbahngesellschaft. Nach der Übernahme mussten drei Bilanzen nachgebessert werden. 2019 musste 3G eine hohe Strafe an die Börsenaufsicht Sec zahlen wegen Bilanzmanipulationen bei Kraft Heinz. 2013 hatte 3G gemeinsam mit dem US-Investor Warren Buffett den Ketchuphersteller Heinz gekauft und ihn zwei Jahre später mit dem Lebensmittelunternehmen Kraft fusioniert.

Nach zehn Tagen veröffentlichten die drei Investoren eine Stellungnahme, in denen sie erklärten, dass sie nie etwas von Manövern oder Verschleierung in der Buchhaltung gewusst hätten. „Wir haben unser Handeln über die Jahrzehnte stets von ethischen und rechtlichen Grundsätzen leiten lassen“, hieß es.

Ihren Ruf als legendäre Investoren gewannen die drei 3G-Investmentbanker außerhalb des Finanzsektors: Sie kauften neben Americanas die brasilianische Brauerei Brahma auf und schlossen diese mit der Lokalkonkurrentin Antarctica zu Ambev zusammen. Dann verkauften sie Ambev an die belgische Interbrew, wurden dort aber bald die größten Einzelaktionäre. 2008 übernahmen sie mit Anheuser-Busch die Nummer eins in den USA. Seitdem ist Anheuser-Busch Inbev – kurz ABI – die mit Abstand größte Brauerei weltweit, mit Renditen, von denen viele Brauunternehmen nur träumen.

Später kam die Imbisskette Burger King ins Portfolio. Mit ihrem Private-Equity-Fonds 3G unterhalten sie heute ein weltweites Lebensmittelimperium, das von Bier und Softdrinks über Pommes frites und Burger bis zu Ketchup und Chips weltweit zu den größten zählt.

Erfolgssträhne von 3G scheint beendet

Americanas passt eigentlich nicht ins Portfolio des Trios – weder ist das Unternehmen mit 45.000 Beschäftigen erfolgreich, noch überzeugt sein Geschäftsmodell: Die 3600 Filialen in Brasilien sind Ramschläden, in denen Billigprodukte verkauft werden. Auch die digitale Plattform des Konzerns war erfolglos. In der Pandemie gelang Americanas anders als der Konkurrenz nicht der Umsatzsprung im Internetgeschäft.

Solange das Trio immer neue Unternehmen aufkaufen und dort Kosten senken konnte, funktionierte das Geschäftsmodell. Doch dann scheiterte 2017 der Versuch einer Übernahme des britisch-niederländischen Konsumgüter- und Lebensmittelkonzerns Unilever. Seitdem scheint die Erfolgssträhne von 3G beendet.

Denn die Brasilianer haben unterschätzt, dass traditionelle Marken immer weniger Konsumenten anziehen. Entweder bevorzugen diese gesündere Nahrungsmittel gegenüber industrialisierter Massenware. Oder sie kaufen in den Einzelhandelsketten günstigere Eigenmarken. So verloren alle Unternehmen von 3G in den letzten fünf Jahren rund ein knappes Drittel – also etwa 16,5 Milliarden Dollar – an Wert.

Die Aktie von Anheuser-Busch Inbev hat seit dem Rücktritt von Manager Rial fast vier Prozent verloren. Mit rund vier Milliarden Euro ist der Verlust damit erheblich größer als bei Americanas.

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