Das Landgericht Bonn sieht den Angeklagten M. als Mittäter in zwei Fällen schwerer Steuerhinterziehung. Es ist die zweite Haftstrafe für einen Banker im Cum-Ex-Skandal.
Bonn Äußerlich ungerührt sitzt M. auf der Anklagebank. Konzentriert hört der 63-jährige Investmentbanker der Urteilsverkündung des Vorsitzenden Richters Roland Zickler zu. Dieser hat ihn gerade wegen Steuerhinterziehung in zwei Fällen schuldig gesprochen.
Zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten hat die zwölfte Strafkammer des Landgerichts Bonn den früheren Manager von Warburg Invest, einer Tochter der Hamburger Privatbank M.M. Warburg, deshalb an diesem Mittwochvormittag verurteilt. Zwei Monate gelten wegen der langen Verfahrensdauer bereits als vollstreckt.
„Sie waren ein Rad im Getriebe, das, wenn man es herausgenommen hätte, zum Stillstand geführt hätte“, sagt Zickler. „Sie hatten es in der Hand, die Sache laufen zu lassen oder anzuhalten.“
Die Sache, die M. nicht stoppte, waren Geschäfte, die über die Fonds BC German Equity im Jahr 2009 und BC German Hedge im Jahr 2010 liefen. Die Profite dieser Fonds stammten letztlich aus der Steuerkasse. Zugrunde lagen Aktienkreisgeschäfte, die darauf zielten, sich eine einmal abgeführte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten zu lassen. Der Schaden in dem angeklagten Fall soll 109 Millionen Euro betragen haben.
In dem Strafverfahren ging es um die Frage, welche Schuld der Investmentbanker M. trägt. Er war als Manager von Warburg Invest – einer Tochter der Hamburger Privatbank M.M. Warburg – mit zuständig für zwei Cum-Ex-Fonds, in denen reiche Investoren ihr Geld anlegen konnten.
Während des Prozesses gegen M. hatte es eine überraschende Wendung gegeben. Zunächst stritt der Angeklagte die Vorwürfe ab – bis der Vorsitzende Richter Zickler den Angeklagten eindringlich aufforderte, endlich die Wahrheit zu sagen.
Am 13. Verhandlungstag legte der Angeklagte dann ein Geständnis ab. „Ich habe mir die damaligen Vorgänge und Ereignisse immer wieder schöngeredet“, sagte M. schließlich vor Gericht. Grund sei gewesen, „mein damaliges Handeln vor mir selbst, vor anderen und auch der Justiz gegenüber zu rechtfertigen. Das war falsch.“ Er habe befürchtet, dass eine Weigerung „das Ende meiner Karriere“ bewirkt hätte.
Schon unmittelbar nach dem Geständnis machte der Richter klar, dass das Gericht das Geständnis strafmildernd berücksichtigen wird. „Sie haben sich selbst einen der größten Gefallen getan, den ein Mensch sich tun kann“, sagte Zickler. Das bestätigte sich nun. Mit dem Strafmaß bleibt die Strafkammer deutlich unter der Forderung der Staatsanwaltschaft, die auf sieben Jahre Haft plädiert hatte.
Die Verteidigung dagegen hatte lediglich eine Bewährungsstrafe gefordert, da M. lediglich Beihilfe zur Steuerhinterziehung begangen habe.
Das sah das Gericht „eindeutig anders“, wie Zickler deutlich machte. M. sei nach Überzeugung des Gerichts Täter gewesen. Man habe die Tatbeiträge aus den Urkunden herausgefiltert und auch das Geständnis von M. habe dies bestätigt. Er habe einen wesentlichen Tatbeitrag beim Aufsetzen der Verträge geleistet und damit ein „Herzstück der Herstellung der Arbeitsfähigkeit der Fondstrukturen“.
2009 habe er dabei noch mit bedingtem Vorsatz gehandelt, sprich den Steuerschaden billigend in Kauf genommen. Dafür sprächen auch seine Ausführungen, dass er ein Störgefühl und Unbehagen entwickelt habe. 2010 sei es dann zu einer wesentlichen Zäsur gekommen, so Zickler. „Ab jetzt wussten Sie, was passiert“. Dies habe etwa die interne Kommunikation aus jener Zeit gezeigt und die Vorbereitung eines Treffens mit der Bundesfinanzaufsicht Bafin, bei dem das Steuerthema bewusst ausgeblendet werden sollte.
Mitbestimmend für die Höhe des Urteils ist der Steuerschaden. Der lag, so das Gericht, 2009 bei 60,62 Millionen Euro und damit beim 1200-Fachen der Grenze für den Fall einer besonders schweren Steuerhinterziehung. Für eine besonders schwere Steuerhinterziehung ist die Summe von 50.000 Euro die Grenze. 2010 lag der verursachte Steuerschaden bei 48,79 Millionen Euro.
Für die Tat im Jahr 2009 plädierte das Gericht daher auf eine Strafe von drei Jahren und für 2010 auf eine Strafe von zwei Jahren und zehn Monaten. Daraus bildete es eine Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Strafmildernd wertete das Gericht neben dem Geständnis auch die bisherige Straffreiheit des Ex-Warburg-Bankers sowie dessen Bereitschaft, an der weiteren Aufklärung mitzuwirken.
M.s Anwalt Ingo Heuel kündigte an, die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann über das weitere Vorgehen entscheiden zu wollen. Er betonte, sein Mandant habe in dem Cum-Ex-Verfahren Aufklärungshilfe geleistet und sei in dem Komplex „der erste deutsche Banker, der gestanden hat.“
M. ist der zweite Banker, der für seine Taten im Cum-Ex-Skandal zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt wird. Zuvor hatte das Landgericht Bonn bereits den langjährigen M.M.-Warburg-Generalbevollmächtigten S. zu fünfeinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. S. wusste nach Überzeugung des Gerichts als rechte Hand des ehemaligen Bankchefs Christian Olearius genau, wie die Geschäfte funktionierten.
Der Schlüssel für die Doppelerstattung waren Leerverkäufe. „Wir glauben dem Angeklagten nicht, dass er von Inhaberverkäufen ausging“, hatte der Vorsitzende Richter Roland Zickler anlässlich der Urteilsverkündung gesagt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof wird in Kürze über die Revision entscheiden.
Mit den beiden ersten Strafurteilen ist die Ermittlungsakte im Warburg-Komplex noch lange nicht geschlossen. Schon in Kürze müssen zwei weitere Banker aus dem Hause Warburg auf der Anklagebank Platz nehmen. Es handelt sich um einen Aktienhändler und einen weiteren Manager. Beide sind bis heute bei der Bank beschäftigt. Das Gericht hat die Anklage bereits zugelassen.
Zudem sind einige weitere Warburg-Manager beschuldigt, darunter Olearius, der die Bank viele Jahre lang führte und einer der Haupteigentümer ist. Olearius hat die Vorwürfe stets zurückgewiesen. Seine Ausgangslage hat sich durch die bisherigen Strafprozesse verschlechtert, auch wenn seine Anwälte um Peter Gauweiler das anders sehen. Der Angeklagte habe seine Bedenken nicht gegenüber den Herren Olearius und Warburg vorgetragen. Das sehen die Verteidiger als einen Beleg dafür, dass sie „vorsatzlos“ waren.
Eine Anklage gegen Olearius gilt dennoch als sehr wahrscheinlich.
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