Carsten Maschmeyer hat ein Buch geschrieben, wie man reich wird. Jetzt muss er als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss erklären, wie er Millionen mit Aktiendeals verlor, die er nicht verstand. Wer ist hier das Opfer?
Düsseldorf Er habe eine gewisse Gabe, sagt dieser Mann über sich selbst. „In unserer Branche, im Finanzwesen, kann ich Märkte riechen.“ Wenn Carsten Maschmeyer dann Zweifel in den Augen seines Zuhörers entdeckt, richtet der 57-Jährige sich mit seinen 1,90 Meter Körpergröße auf, hebt den Kopf und schnuppert demonstrativ an der Luft. So kann kein Zweifel bleiben: In Geldangelegenheiten ist er absoluter Profi.
Die Sache hat nur einen Haken. Am Donnerstag wird Maschmeyer als Zeuge in einem Untersuchungsausschuss in Berlin auftreten. Im Vorfeld ist eine ganz andere Geschichte über seine Finanzexpertise durchgesickert. Es ist die Geschichte, die der Milliardär der Staatsanwaltschaft Köln erzählt hat. Und die geht so: Carsten Maschmeyer, der sein Vermögen mit der Vermittlung von Finanzdienstleistungen verdiente, hat von Geldangelegenheiten keine Ahnung.
Das Gremium, vor dem er auftritt, hat eine große Aufgabe. Zwölf Milliarden Euro sollen dem Fiskus entgangen sein, weil Banken und reiche Investoren Geschäfte machten, bei denen die Gewinne direkt aus der Staatskasse kamen. Mehrfache Erstattung einer nur einmal gezahlten Kapitalertragsteuer lautete das Geheimnis der sogenannten Cum-Ex-Deals. Weil der Staat geschlagene zwölf Jahre brauchte, um den Missbrauch abzustellen, muss der Ausschuss die Schuld der Banken beleuchten und das Versagen der Politik.
Maschmeyer allerdings, so viel ist klar, möchte weder als gierig noch als unfähig auftreten. Er will als Zeuge und Opfer aussagen. In Geschäfte der Machart Cum-Ex habe er nie wissentlich investiert. Es war alles ganz anders. Nämlich so: Im Spätsommer 2010 klingelte sein Telefon, berichtete Maschmeyer der Staatsanwaltschaft. Eric Sarasin war dran, der Chef der Schweizer Privatbank Sarasin. Seine Bank habe „einen speziellen Fonds“ initiiert, sagte Sarasin. Ob er mal einen Mitarbeiter vorbeischicken dürfe? Er durfte.
Was der Mitarbeiter vortrug, klang wie die Quadratur des finanztechnischen Kreises: hohe Rendite, null Risiko. Maschmeyer gefiel das – und er überwies kurz darauf fünf Millionen Euro.
Die Beamten der Staatsanwaltschaft Köln hörten aufmerksam zu. Sie ermittelten wegen Steuerhinterziehung und hatten Maschmeyer als Zeugen geladen. Welche Dokumente er sich denn vor diesem Investment angesehen habe, fragten sie. Keine, antwortet Maschmeyer. Ein, zwei Zettel habe man ihm hingehalten. Mehr nicht. Von Eric Sarasin gibt es andere Aussagen. Offiziell kommentiert die Bank das Verfahren nicht.
Maschmeyer behauptete jedenfalls, sich bei seiner Millioneninvestition allein auf wörtliche Zusagen verlassen zu haben. Selbst wenn man ihm Cum-Ex-Geschäfte erklärt hätte, verstanden habe er sie nicht. Er sei halt kein Finanzprofi und steuerlich ohnehin Laie. Das könne sein Steuerberater bestätigen.
Obgleich Maschmeyer die risikolose und renditestarke Geldanlage nicht verstand, empfahl er sie doch eifrig weiter. Gegen Jahresende 2010 meldete seine Bank, der Fonds entwickle sich weit über Plan, die Rendite lag bei mehr als 25 Prozent. Nun gab es einen neuen Fonds. Maschmeyer legte diesmal zehn Millionen Euro an. Dann holte er weitere Investoren dazu.
Maschmeyer schickte seinen 21-jährigen Sohn Marcel nach Zürich. Der kam begeistert zurück. „Das ist ja irre, sicher sieben bis zehn Prozent, da kann nichts passieren, das ist versichert, das ist doch klasse“, habe Marcel berichtet. Mit Papas Erlaubnis investierte er 20 Millionen Euro.
Inzwischen war die ganze Familie Feuer und Flamme. Marcel überzeugte seine Mutter, zwei Millionen Euro in den Fonds zu legen, Maschmeyer selbst riet seiner neuen Frau Veronica Ferres zu der Geldanlage. Sie stieg mit 500.000 Euro ein. Bei Sohn Maurice ließ er Vorsicht walten. „Der ist noch nicht mal 18. Da machen wir nur die Hälfte – zehn Millionen“, sagte Maschmeyer.
Unterlagen ließ sich laut Maschmeyer keiner in der Familie aushändigen. Stattdessen holte der Vater auch noch seinen Freund Mirko Slomka ins Boot. Der Fußballtrainer investierte 500.000 Euro in die Steuerdeals. Insgesamt flossen aus dem Kreise Maschmeyer 40 Millionen Euro in den dritten Fonds. Dann ging alles bergab.
Mit seinem ersten Steuerfonds machte Maschmeyer aus fünf Millionen Einsatz 6,2 Millionen Euro. Beim zweiten Mal wurden aus zehn Millionen 10,9 Millionen Euro. Als die Familie 40 Millionen Euro anlegte, war das Ergebnis null. Immer wieder habe sein Sohn Marcel bei Sarasin nachgefragt, immer wieder sei er vertröstet worden, berichtete Maschmeyer. Erst im März 2012 erkundigte er sich dann persönlich, wie genau sein Geld eigentlich angelegt war.
Und erst dann, mehr als eineinhalb Jahre nach seinem ersten Investment, will Maschmeyer erfahren haben, dass sein Geld in einer „heißen Kiste“ steckte, wie er formulierte. In einem Anlagemodell, bei dem nicht nur die Rendite, sondern auch die Rückzahlung des Geldes davon abhing, dass eine Steuer mehrfach erstattet wurde. Nur wurde sie nun nicht mehr erstattet.
Der Fiskus war den Cum-Ex-Deals auf die Schliche gekommen. Investoren wie Maschmeyer standen vor dem Totalverlust. Nun zog er alle Register. Er telefonierte. Er drohte. „Antreten, alles mitbringen, jetzt ist hier Ende im Gelände“, sagte er den Sarasin-Leuten gegen Ostern 2012. Kurz vor Weihnachten fuhr er nach Zürich und kündigte an, in der Bank zu übernachten, wenn er nicht endlich Antwort über den Verbleib seines Geldes erhielte. Und immerhin: Von den 40 Millionen Euro, die er und seine Familie investiert hatten, erhielt er 26,4 Millionen Euro zurück. Durch einen späteren Vergleich mit Sarasin flossen noch einmal 8,2 Millionen. So blieb der Gesamtverlust auf 5,4 Millionen Euro begrenzt.
Auf aktuelle Anfrage teilt Maschmeyer mit, dass die mit dem Fonds „avisierten durchschnittlichen Jahresrenditen von zehn Prozent vor sechs Jahren eine durchaus übliche Performance waren“. Als er den Eindruck gewann, sein Geld könnte „vertragswidrig“ angelegt worden sein, habe er Anzeige erstattet.
Er ist also Opfer, meint Maschmeyer. Der Untersuchungsausschuss muss ihm das nicht glauben, Maschmeyer musste im Vorfeld seiner Aussage schon viel Schelte einstecken. Wenn er sich mit seinen Kritikern einigen müsste, dann vielleicht auf eine Lebensweisheit aus seinem Buch „Die Millionärsformel“: „Die häufigsten Fehler beim Umgang mit Geld sind mangelnde Konsequenz, zu große Gier und schlichte Unkenntnis.“
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