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Special

Special: Cum-Ex

15.07.2015

17:14

Cum-Ex-Geschäft der Hypo-Vereinsbank

Münchener Ablasshandel

Von: Volker Votsmeier, Kerstin Leitel

Für ihre Steuersünden aus der Vergangenheit zahlt die Hypo-Vereinsbank ein Millionen-Bußgeld. Trotzdem ermittelt die Staatsanwaltschaft weiter – wegen sogenannter Cum-Ex-Geschäfte. Es droht Streit mit Ex-Vorständen.

Cum-Ex-Deals brachten zunächst hohe Gewinne, doch nun muss die Bank büßen. IMAGO

HVB-Zentrale in München

Cum-Ex-Deals brachten zunächst hohe Gewinne, doch nun muss die Bank büßen.

Düsseldorf, München Es war eine Gewinnmaschine und niemand bei der Hypo-Vereinsbank (HVB) wollte sie stoppen. Zahlreiche Warnungen blieben folgenlos. Es geschah ja zur Freude des Vorstands, dass die Händler in London und die Vermögensverwalter in München Jahr für Jahr hohe Profite ablieferten.

Ihr Erfolgsrezept waren Cum-Ex-Transaktionen. Das Prinzip: Durch den schnellen Handel von Wertpapieren mit (cum) und ohne (ex) Dividende gelang es ihnen, sich für eine nur einmal gezahlte Ausschüttung doppelt oder sogar mehrfach Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen. Eine vom Aufsichtsrat der Bank in Auftrag gegebene Untersuchung offenbarte, wie viel Kapitalertragsteuer die HVB so abkassieren konnte: 2005 waren es 29 Millionen Euro, ein Jahr später 54 Millionen, 2007 bereits 70 Millionen und 2008 schließlich 144 Millionen Euro.

Große Teile des Geldes musste die Bank und ihre Kundschaft inzwischen zurückzahlen, jetzt büßt sie ein weiteres Mal für ihre Gewinnmasche in früheren Jahren: Eine Einigung mit der Staatsanwaltschaft Köln steht kurz bevor. Mit der Sache befasste Personen aus dem Umfeld der HVB bestätigten, dass die Staatsanwaltschaft ein Bußgeld von etwa zehn Millionen Euro verhängen will. Weder die Bank noch die Staatsanwaltschaft Köln wollten offiziell etwas zu dem Fall sagen. Zuerst hatte die „Süddeutsche Zeitung“ über den Vorgang berichtet.

Steuertricks mit Aktien: Cum-Ex

Was sind eigentlich „Cum-Ex-Geschäfte“ genau?

Steuerrechtlich sind diese Aktiendeals schon lange heiß umstritten. Bei den auch „Dividendenstripping“ genannten Geschäften geht es um den raschen Kauf und Verkauf von Aktien rund um den Dividendenstichtag, um Kapitalertragssteuern mehrfach vom Fiskus erstattet zu bekommen. Von Banken bekamen sie eine Bestätigung, eine Kapitalertragsteuer abgeführt zu haben, was sie beim Fiskus mehrfach steuerlich geltend machten - obwohl sie so nicht gezahlt hatten. Die Behörden kamen dem erst später auf die Schliche. Sie gehen nun davon aus, dass die Tricksereien illegal waren.

Waren diese Geschäfte auch etwas für Kleinanleger?

Eher nicht. Eine Reihe von Banken sollen laut Presseberichten solche Geschäfte betrieben haben, teils im Eigenhandel, teils im Auftrag vermögender Kunden. Für Kleinanleger ist das Ganze dagegen nichts. Schon alleine deshalb, weil sich der Aufwand bei kleineren Summen nicht rechnet. Sie hätten nur geringe bis keine Chancen gehabt, an solchen Deals zu verdienen.

Warum waren solche Geschäfte überhaupt möglich?

Banken und Investoren nutzten bestimmte Eigenheiten der Abwicklungssysteme an den Börsen, aber auch steuerrechtliche Besonderheiten - und das offensichtlich über Jahre hinweg und mit Wissen von Bund, Ländern und Finanzbehörden. So erklärte der Bundesfinanzhof das Dividendenstripping bereits in einem Urteil aus dem Jahr 1999 für grundsätzlich rechtens. Geschlossen wurde das Schlupfloch aber erst 2012 durch eine Neuregelung der Nachweispflichten. Ob Investoren mit solchen Geschäften eine unzulässige Steuergestaltung betrieben, wird die zentrale Frage bei der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesfinanzhof sein. Sie wird allerdings wegen des Steuergeheimnisses aller Voraussicht nach unter Ausschluss der Öffentlichkeit geklärt.

Um wieviel Geld geht es?

So genau weiß das niemand. Weil sehr viele Geschäfte dieser Art in verschiedensten Varianten abgewickelt worden sein sollen, wird die Summe nach Medienberichten auf bis zu zwölf Milliarden Euro geschätzt. An anderer Stelle ist von „nur“ einer Milliarde Euro die Rede, was die ausstehenden Forderungen der Länder betrifft. Alleine die Hypovereinsbank, die früher solche Geschäfte betrieben haben soll, hat für den Fall, dass sie Steuern nachzahlen muss, vorsorglich 200 Millionen Euro zurückgelegt. Auch der krisengeschüttelten HSH Nordbank drohen Steuernachzahlungen, sie hatte Rückstellungen von 127 Millionen Euro angekündigt.

Wer ist an dem Verfahren vor dem BFH beteiligt?

Es geht dem Vernehmen nach um eine Gesellschaft, hinter der Anleger stehen und die ein Depot zur Abwicklung führte sowie ein Finanzamt aus Norddeutschland. Auch der Bund ist involviert. Grund für die unklaren Angaben ist das Steuergeheimnis. Das macht es auch schwierig, einen deutschlandweiten Überblick über das Thema zu bekommen. Von mehr als 50 Verfahren berichtete die „Süddeutsche Zeitung“ unter Berufung auf die Länder. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, die sich schwerpunktmäßig mit „Cum-Ex-Geschäften“ befasst, lässt nur wissen, dass sie aktuell in vier Verfahren wegen Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt.

Wann fällt die Entscheidung?

Nach einer mündlichen Verhandlung mit Rechtsgespräch treffen die Richter des Bundesfinanzhofes ihre Entscheidung, über die die streitenden Parteien innerhalb von 14 Tagen zu unterrichten sind. Anschließend darf der BFH auch die Öffentlichkeit informieren. Schriftlich liegt das Urteil nach etwa zwei bis drei Monaten vor.

Wie könnte das Verfahren ausgehen?

Das oberste deutsche Steuergericht hat sich schon mehrfach mit dem Dividendenstripping befasst - und es dabei teils für rechtens erklärt. Doch das muss nichts heißen, denn die Richter könnten im aktuellen Fall auch zu einem anderen Ergebnis kommen.

Welche Tragweite hat das Urteil?

Klar ist: Beim Bundesfinanzhof liegen immer Einzelfälle auf dem Tisch - die aber Signalwirkung haben können. Wie die Finanzbehörden die Entscheidung letztendlich umsetzen werden, muss aber abgewartet werden. Möglich wäre beispielsweise auch, dass das Bundesfinanzministerium zu dem Urteil einen sogenannten Nichtanwendungserlass ausgibt, wenn es damit nicht einverstanden ist. Dann wäre die Entscheidung nur auf den konkreten Einzelfall anzuwenden, nicht aber auf andere, vergleichbare Fälle.

Ehemalige Vorstände eventuell in Mitverantwortung

Offenbar wird der Bußgeldbescheid in Kürze erlassen. Er stützt sich auf Paragraf 30 des Ordnungswidrigkeitengesetzes. Danach können Staatsanwälte eine Firma belangen, ohne dass zuvor gegen einzelne Personen ermittelt wurde.

Die HVB hat damit eine weitere Baustelle beseitigt, die die Cum-Ex-Geschäfte zulasten des Fiskus angeht. Ausgestanden ist die Sache allerdings nach dem Deal noch nicht.

Denn der vom Aufsichtsrat in Auftrag gegebene Untersuchungsbericht der Kanzlei Skadden Arps Slate Meagher & Flom hatte offenbart, dass die ehemaligen Vorstände Rolf Friedhofen (Finanzen), Andreas Wölfer (Vermögensverwaltung) und Ronald Seilheimer (Investmentbanking) womöglich für die Cum-Ex-Geschäfte mitverantwortlich waren.

Prozess noch nicht abgeschlossen

Nach Informationen des Handelsblatts sollten sich die Ex-Manager zwar ursprünglich bis Ende 2014 zu den Untersuchungsergebnissen äußern, doch das Prozedere ziehe sich. Die früheren Vorstände hätten Einsichtnahme in weitere Unterlagen verlangt. Vor Ende des Jahres sei deshalb nicht zu erwarten, dass dieses Problem gelöst werde. Auch die Frage, ob die Vermögensschadenhaftpflicht (D&O) einspringt, dürfte eine wichtige Rolle spielen.

Um die Grafik vollständig anzuzeigen, klicken Sie bitte auf die Lupe.

Infografik: Ermittlungsverfahren wegen Cum-Ex-Geschäften

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Ob aktuelle Manager der HVB zu den Beschuldigten in den seit Jahren laufenden Ermittlungen gehören, ist nicht bekannt. Aus dem Skadden-Bericht geht lediglich hervor, dass der heutige Vorstandschef Theodor Weimer und der einstige Finanzchef Peter Hofbauer im Jahr 2010 fragwürdige Körperschaftsteuererklärungen mit unterschrieben haben. Womöglich sind sie trotzdem nicht ins Visier der Ermittler geraten – anders als der Deutsch-Banker Jürgen Fitschen, der im Umsatzsteuer-Ermittlungsverfahren wegen einer Unterschrift zu den Beschuldigten gehört.

Fakt ist: Auch nach der Einigung mit der Bank sind drei Staatsanwaltschaften weiterhin mit Cum-Ex-Geschäften beschäftigt. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt ermittelt seit rund drei Jahren wegen hochvolumiger Aktientransaktionen des inzwischen verstorbenen Investors Rafael Roth.

Verdacht der Steuerhinterziehung

Ende 2012 hatte es deshalb eine spektakuläre Razzia gegeben. Neben einigen ehemaligen Bankmitarbeitern gehört Roths Steueranwalt Hanno Berger zu den Beschuldigten. Berger streitet die Vorwürfe ab. Zudem ermitteln die Staatsanwaltschaften München und Köln. Vor allem in Frankfurt halten Beobachter eine Anklage für wahrscheinlich. Die HVB selbst muss nach dem Deal nicht mehr fürchten, noch einmal belangt zu werden.

Außerdem steht die HVB kurz davor, eine weitere steuerliche Altlast zu beseitigen. Dabei geht es um den Vorwurf der Beihilfe zur Steuerhinterziehung in Luxemburg. Auch hier bestätigten mit der Sache vertraute Personen Medienberichte, nach denen es auf rund zehn Millionen Euro Bußgeld hinausläuft. Mit den Luxemburg-Geschäften deutscher Banken sind federführend die Staatsanwaltschaft Köln und nordrhein-westfälische Steuerfahndung befasst. Einer der Hauptvorwürfe gegen die Banken ist, dass sie ihren Kunden jahrelang den Zugang zu Offshore-Briefkastenfirmen verschafft haben, mit denen diese ihr Geld vor dem Fiskus verstecken konnten. Vor allem Panama spielte dabei eine wichtige Rolle.

Bereits die Luxemburger Tochter der Commerzbank Cisal ist deshalb ins Visier der Ermittler geraten. Die HVB hat das offenbar zum Anlass genommen, die Sache intern aufzuklären – obwohl sie ihr Luxemburger Geschäft bereits im Jahr 2010 an die DZ Bank verkauft hat.

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