Interne Dokumente der Dekabank belasten Bafin-Vizepräsidentin Elisabeth Roegele. Die Aufseherin und frühere Chefjuristin der Bank sieht keine Schuld.
Düsseldorf Die Unterlagen waren so heikel, dass die Besucher aus Kanada ihren deutschen Gegenübern erst mal eine Frage stellten: Waren sich Chefjuristin Elisabeth Roegele und die anderen sechs Abgesandten der Dekabank des Risikos bewusst, das sie hier eingingen? Die Geschäftspartner, die Bank of Nova Scotia und die Dekabank, steckten im Sommer 2013 mitten im Cum-Ex-Skandal.
Jahrelang hatten sich Banken und Investoren per Aktienhandel mit (cum) und ohne (ex) Dividende bereichert. Jetzt war das Spiel vorbei. Die Mehrfacherstattung von Kapitalertragsteuern klappte nicht mehr, Staatsanwälte ermittelten. Cum-Ex war vom Renditebringer zum Risiko geworden. Es galt, Vorkehrungen zu treffen.
Die Scotiabank hatte Details der 2010 gemeinsam abgewickelten Aktiendeals geprüft. Nun hielten sie Unterlagen in den Händen, die „eventuell den Steuererstattungsanspruch der Dekabank gefährden können“, warnten die Kanadier. „Es wurde hinterfragt, ob die Dekabank diese Informationen wirklich haben wollte.“
Sie wollte. Dem Handelsblatt liegt das Protokoll der Dekabank aus einer zweitägigen Besprechung der beiden Geldhäuser im Juni 2013 vor. Es zeigt, dass die Frankfurter Bank schon zu diesem Zeitpunkt gewusst haben muss, dass ihre Händler sich auf die Geschäfte auf Kosten der Steuerzahler einließen.
Aber nicht vorsätzlich, sagt die damalige Chefjuristin Roegele heute. Alles andere würde sie wohl in eine unhaltbare Lage bringen. Roegele ist heute Vizepräsidentin der Bafin. Ausgerechnet jener Behörde also, die darüber Aufsicht führen soll, dass Banken und Fonds in Deutschland die Gesetze einhalten. Hat die Bafin einen Bock zum Gärtner gemacht?
Als Ex-Chefjuristin der Dekabank soll sich Elisabeth Roegele in Sachen Cum-Ex-Skandal im Finanzausschuss erklären. Der sieht teils den Ruf der Bafin gefährdet.
Nicht, wenn man Roegele folgt. „Ich halte Cum-Ex-Geschäfte für rechtswidrig, damals wie heute“, sagt die Bafin-Vizepräsidentin. Die Cum-Ex-Deals der Dekabank seien quasi versehentlich passiert. Ein Geschäftspartner habe die Aktien zu spät geliefert. Dadurch sei unbeabsichtigt eine Lage entstanden, in der sich zwei Banken eine nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer erstatten ließen.
Genau dies ist bei Cum-Ex-Deals das Ziel. Deutschlandweit erschlichen sich Schätzungen zufolge mehr als 100 Banken und Investoren gut zwölf Milliarden Euro. Machte die Dekabank als einzige aus Versehen mit? Das Protokoll aus dem Juni 2013 dokumentiert einen anderen Ablauf. Die Scotiabank fand demnach eine SMS eines Mitarbeiters. „Darin bittet der Händler der Scotiabank zu Beginn des Jahres 2010, mit Herrn K. (von der Dekabank) in Sachen Cum-Ex-Transaktionen in Kontakt treten zu können.“ Die Partner sprachen ausdrücklich von der Variante des Aktienhandels, die Roegele als illegal bezeichnete.
Eine Auswertung weiterer Nachrichten zeigte, dass die verspätete Lieferung der Aktien kein Irrtum war. „Manufactured Fails“ nannten die Forensiker der Scotiabank die Praxis, Aktien kurz vor der Ausschüttung zu verkaufen, aber erst danach zu liefern. Mindestens eine der Dekabank zuzuordnende Person sei eingebunden gewesen. Zu 100 Prozent seien die Aktien zudem „naked short“ verkauft worden, so die Scotia-Vertreter. Es handelte sich also um ungedeckte Leerverkäufe.
Solche Leerverkäufe sorgten dafür, dass sich mehrere Akteure als Eigentümer derselben Aktie ausgaben – und sich mehrfach die Dividendensteuer erstatten ließen. All dies, so hielt es später das Hessische Finanzgericht im Urteil gegen die Dekabank fest, war genau geplant. Die Akteure hätten vorab Geschäftsumfang und Gewinnmarge festgelegt. Die vereinbarten Ziele seien „nur erreichbar, wenn ein Drittel der Aktien verspätet geliefert und bei einmaliger Steuererhebung eine doppelte Steueranrechnung stattgefunden hat“.
Roegele wollte dies nicht einsehen. Weder heute, als Bafin-Vizin, noch 2013, als ihr die Scotiabank die Cum-Ex-Beweise lieferte. „Es gab keine Kommunikation, die Informationen/Indikationen enthalten hätten, dass die Dekabank der Scotiabank erlaubt bzw. diese sogar aufgefordert habe, spät, das heißt nach dem Hauptversammlungstag, zu liefern“, steht im Protokoll. Die Scotiabank antwortete kühl: Es würde solche Kommunikation auch nicht geben. Vielmehr würde man dies aus der Gesamtschau und dem Pricing ableiten.
Nun lag Misstrauen in der Luft. Zwei Tage lang wurden Fragen diskutiert. Die Scotiabank interessierte vor allem, wie das Verhalten der Deka auf sie abfärbte. Die Behörden hatten 53 Millionen Euro von der Dekabank zurückgeholt, wogegen diese Klage einreichte. Könnte die Deka ihren Einspruch nicht zurücknehmen?, fragen die Kanadier. Würde das allen Beteiligten Ermittlungen ersparen?
All das ist sechs Jahre her. Die Klage, die Roegele als Chefjuristin der Dekabank anstrengte, scheiterte 2016. Die Bank musste die 53 Millionen Euro endgültig abschreiben. Heute betont die Deka, sie habe alles zur Aufklärung unternommen. Und Roegele? Der Juristin schadete die Affäre bisher nicht. Ein „wunderbares Angebot“ habe ihr die Bafin gemacht, sagt Roegele. In Sachen Cum-Ex habe sie sich nichts vorzuwerfen.
Und wenn es andere tun? Sowohl die Dekabank als auch die Scotiabank sind Ziel von Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Köln. Die Scotiabank reagierte auf Nachfrage nicht. Auf der Beschuldigtenliste stehen Mitarbeiter der Kanadier und Ex-Kollegen von Roegele bei der Dekabank.
Roegele selbst ist nicht beschuldigt. Dass es dazu kommt, mag sich bei der Bafin niemand vorstellen. Roegele sei „eine der besten, kompetentesten und integersten Aufseherinnen in Europa“, sagte Bafin-Chef Felix Hufeld am 3. April im Finanzausschuss. Darf sie auch bleiben, falls es zu Ermittlungen kommt? Die Behörde: „Zu hypothetischen Fragen äußern wir uns grundsätzlich nicht.“
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