Der Steueranwalt war eine der zentralen Figuren in Deutschlands größtem Steuerhinterziehungsskandal. Das Gericht will fast 13,7 Millionen Euro bei Berger einziehen.
Hanno Berger am Dienstag vor dem Landgericht Bonn
Schaden in der Steuerkasse von einem Ausmaß, „das seinesgleichen sucht“.
Bild: Reuters
Bonn In der strafrechtlichen Aufarbeitung von Deutschlands größtem Steuerskandal ist ein weiterer Meilenstein erreicht. Das Landgericht Bonn hat den Steueranwalt Hanno Berger wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung zu acht Jahren Haft verurteilt.
Das Landgericht Bonn sah es als erwiesen an, dass Berger als Berater der Warburg-Gruppe mitverantwortlich war für einen Steuerschaden von 278 Millionen Euro. Er selbst soll sich dabei um 13,7 Millionen Euro bereichert haben. Die soll er nun zurückzahlen.
Berger habe vorsätzlich gehandelt, sagte der Vorsitzende Richter Roland Zickler. Der Schaden, der durch Berger in der Steuerkasse angerichtet wurde, habe „ein Ausmaß, das seinesgleichen sucht“.
Besonders schwere Steuerhinterziehung beginnt bei 50.000 Euro. Zickler rechnete vor, dass Bergers Taten diese Zahl um mehr als den Faktor 5000 übersteigen.
Deshalb liege es nahe, das höchstmögliche Strafmaß zu finden. Andererseits sei bei einer Strafe zu berücksichtigen, dass die Taten lange zurückliegen – und ob der Täter erneut straffällig werden könnte. Das sei bei Berger wohl auszuschließen.
Ebenfalls strafmildernd für Berger, wenn auch nur bedingt: sein sogenanntes Geständnis im August. „Das war nicht glaubwürdig. Sie wollten uns allen hier erklären, warum wir auf dem Holzweg sind“, sagte Richter Zickler zu Berger.
Berger fiel über sogenannte Cum-Ex-Geschäfte. Die Beteiligten ließen sich dabei Steuern erstatten, die sie gar nicht gezahlt hatten. Der Fall Warburg steht bundesweit im Fokus, weil Bundeskanzler Olaf Scholz darin eine Rolle spielte.
Olaf Scholz vor seiner Aussage vor dem Cum-Ex-Untersuchungsausschuss
Der Bundeskanzler soll vor dem Cum-Ex-Ausschuss in Hamburg eine Reihe Fragen beantworten.
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Warburg-Inhaber Christian Olearius traf sich mehrmals mit Scholz, als dieser noch Erster Bürgermeister von Hamburg war. Die Hamburger Finanzverwaltung ließ anschließend von einer Rückforderung über 46 Millionen Euro Steuern ab, die sie zuvor eintreiben wollte. In Hamburg läuft deshalb ein Untersuchungsausschuss. Die Anklage gegen Olearius liegt vor.
Der Chef der Hamburger Traditionsbank empfing Hanno Berger Anfang 2006 persönlich in der Warburg-Zentrale an der Hamburger Binnenalster, um sich zu Cum-Ex-Geschäften beraten zu lassen. Ab 2007 mischte die Bank bei den Geschäften auf Kosten der Steuerzahler mit.
Ab 2009 soll Warburg solche Cum-Ex-Geschäfte auch für Kunden möglich gemacht haben. Olearius und Berger trafen sich erneut persönlich, um Details zu besprechen. 2009 und 2010 legte die Banktochter Warburg Invest Cum-Ex-Fonds auf. Während Mitgesellschafter Max Warburg laut internen Dokumenten „Bauchschmerzen“ bei den Geschäften hatte, kamen sie durch den „persönlichen Einsatz“ von Olearius zustande.
Zu den Investoren in die Cum-Ex-Fonds von Warburg zählten CTS-Eventim-Chef Klaus Dieter Schulenberg und Drogerieunternehmer Erwin Müller. Beide bestreiten, dass ihnen die schädliche Natur der Geschäfte bekannt gewesen sei. Olearius soll auch persönlich investiert haben. Während die Bank ihre Einschätzung zu Cum-Ex-Geschäften inzwischen als „falsch“ bezeichnet, bleibt Olearius dabei, er habe sich nichts vorzuwerfen.
Dies war lange auch Bergers Attitüde. 2012, als die Staatsanwaltschaft seine Kanzlei in Frankfurt durchsuchte, floh er in die Schweiz. Von dort aus versuchte Berger, eine „Phalanx“ gegen die Staatsgewalt zu organisieren. Er wollte die federführende Ermittlerin Anne Brorhilker von der Staatsanwaltschaft Köln verklagen und aus dem Amt treiben. Seine Ankündigung: „Die Staatsanwältin steht erst am Anfang ihrer kriminellen Karriere.“
Es kam anders. Bergers ehemaliger Kanzleipartner brach aus der Phalanx aus, öffnete sich der Staatsanwaltschaft und wurde zum Kronzeugen. Je mehr die Behörden über die genauen Abläufe der Cum-Ex-Geschäfte erfuhren, desto klarer wurde die Rechtsmeinung. Im Juli 2021 klassifizierte der Bundesgerichtshof Cum-Ex-Geschäfte als strafbar. Im März 2022 stufte der Bundesfinanzhof sie als steuerrechtswidrig ein. Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass alle Gewinne aus Cum-Ex-Geschäften eingezogen werden können.
Berger wurde im Juli 2021 in der Schweiz festgenommen und im Februar 2022 ausgeliefert. Im April begann sein Prozess. Das Urteil gegen Berger ist das sechste in dem Skandal. Alle endeten mit Schuldsprüchen.
Richter Zickler hielt dem Angeklagten beim Urteil vor, kaum Einsicht und Reue gezeigt zu haben. Zwar habe Berger ein Teilgeständnis abgelegt. Anschließend habe er sich aber darin ergangen, das Gericht ständig zu bekritteln und zu rügen. Dies habe nicht zur Abkürzung des Verfahrens beigetragen. „Es war eine quälende Passage der Hauptverhandlung“, so Zickler. „Das war unnötig.“
Bergers Anwalt nickt. Seit Monaten versucht Richard Beyer, seinen Mandanten im Zaum zu halten. Es ist ihm nicht gelungen.
Laut Zickler dürfte dies auch mit der Persönlichkeitsstruktur Bergers zusammenhängen. Berger habe einen Habitus, der es ihm schwer mache, Ansichten wahrzunehmen, die nicht mit seiner eigenen übereinstimmten. Das Gericht habe das als strafmildernd zur Kenntnis genommen.
Es gab viele weitere strafmildernde Umstände. Bergers Alter, seine angeschlagene Gesundheit. Der Umstand, dass Berger schon seit 18 Monaten in Untersuchungshaft sitzt. Sogar die breite Berichterstattung sei als Last anzusehen.
Hanno Berger vor der Urteilsverkündung
Das Gericht sah eine hohe kriminelle Energie bei dem Steueranwalt.
Bild: Reuters
Andererseits: Berger hatte eine hohe kriminelle Energie. Er habe gezielt gehandelt und die Geschäfte verschleiert. Im Konzert mit anderen habe er das Tatmodell immer weiterentwickelt. „Sie haben es in die Breite getragen, die vorher undenkbar war. Sie waren der Erfinder von Cum-Ex 2.0“, so Zickler.
Er habe eine Zeugin – eine Finanzbeamtin – „auf eine unsagbare Weise“ mit Schadenersatzforderungen bedroht. Letztlich müsse das Gericht feststellen, dass Berger erfolgreich war, seine Tatbeute zu verstecken. „Jetzt schütteln Sie wieder den Kopf“, sagt Zickler. „Aber Sie haben doch noch keinen Heller gezahlt, oder? Na, sehen Sie.“
Berger hat nie verraten, wo seine Cum-Ex-Millionen abgeblieben sind. Sein Partner hat einen Teil seiner Cum-Ex-Beute gerade zurückgezahlt, der Rest soll bald folgen. Auch viele Banken haben bereits Hunderte von Millionen Euro erstattet. Allerdings: Der Schaden wird auf zwölf Milliarden Euro geschätzt. Unter dem Strich hat der Staat durch Banken, Steueranwälte und Investoren einen ungeheuren Verlust erlitten.
Bundesweit führen verschiedene Staatsanwaltschaften insgesamt mehr als 120 Cum-Ex-Verfahren mit mehr als 1600 Beschuldigten. Allein bei der Deutschen Bank gibt es fast 80 Beschuldigte, bis hinauf zum ehemaligen Co-Chef Jürgen Fitschen und Ex-Vorstand Garth Ritchie.
Ob Berger Revision einlegen wird, steht noch nicht fest. Für ihn wird es auch so schon bald vor Gericht weitergehen. Er sitzt in Wiesbaden schon auf einer zweiten Anklagebank. Dort muss sich Berger wegen Cum-Ex-Geschäften der Hypo-Vereinsbank und des inzwischen verstorbenen Immobilienunternehmers Rafael Roth verantworten.
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