BNY Mellon bildet wegen der Cum-Ex-Geschäfte ihrer Tochtergesellschaften hohe Rückstellungen. Die Steuerbehörden bitten immer mehr Institute zur Kasse.
Frankfurt
Welche Finanzbehörde die BNY Mellon belangte, ist nicht bekannt. Weil das Institut in Frankfurt seinen Sitz hat, ist es womöglich ein hessisches Amt.
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Köln Der Schock kam spät und hart. 253 Millionen Euro zahlte die Bank of New York Mellon 2010 für die deutsche BHF Asset Servicing und eine Tochter. Der damalige Co-Chef Tim Keaney sagte, die Amerikaner wollten sich „eine starke Ausgangsbasis für weiteres Wachstum“ schaffen. Nun gibt es für den elf Jahre alten Zukauf einen herben Aufschlag: mehr als 120 Millionen Euro, zu zahlen an die deutsche Steuerkasse.
Die älteste Bank Amerikas soll für Geschäfte büßen, mit denen sich ihre deutsche Tochter zwei Jahre vor der Übernahme versündigte. Die BHF Asset Servicing beteiligte sich an Cum-Ex-Geschäften. Der lateinische Begriff steht für Aktienkreisgeschäfte rund um den Dividendenstichtag, die dazu dienten, sich eine einmal abgeführte Steuer doppelt oder sogar mehrfach erstatten zu lassen.
Unerlässlich für diese Geschäfte waren die Dienste von Depotbanken, die Aktienpakete für die Verkäufer und Käufer verwahrten und Steuerbescheinigungen ausstellten, auf deren Grundlage das Finanzamt die Steuern auszahlte. Einzelheiten können die Amerikaner inzwischen in deutschen Ermittlungsakten nachlesen. Es gibt Verfahren gegen mehr als 80 Institute, auch BNY gehört zu den Verdächtigen.
Die Zukäufe der BNY Mellon waren an verschiedenen Stellen als Depotbank aktiv. Die BHF Asset Servicing stellte 2008 für die Cum-Ex-Fonds BC German Equity und HI 1 insgesamt acht Steuerbescheinigungen über rund 120 Millionen Euro aus. Das Bundeszentralamt für Steuern überwies das Geld unmittelbar an die BHF. Das Oberlandesgericht Frankfurt wertet Cum-Ex-Geschäfte als „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“.
Depotbanken und Fondsgesellschaften waren demnach Teil der Bande. Deshalb musste sich BNY Mellon als Rechtsnachfolgerin der BHF Asset Servicing bereits einem Strafprozess stellen. Vor dem Landgericht Bonn waren zwei britische Aktienhändler angeklagt. Das Gericht hatte in diesem Verfahren fünf Institute zu Einziehungsbeteiligten gemacht – darunter BNY Mellon.
Zur Einziehung kam es nicht. Das hatte aber keine inhaltlichen, sondern prozessuale Gründe. Das Verfahren musste wegen Corona abgekürzt werden. Es endete mit einer Verurteilung der beiden Angeklagten. Nur bei der ebenfalls betroffenen Warburg-Gruppe ordnete das Gericht eine Einziehung an. Im Juni wird sich der Bundesgerichtshof mit der Sache befassen.
Für BNY Mellon ist die Sache damit nicht ausgestanden, zumal sie nicht allein mit den Altlasten der BHF zu tun hat. Zur BHF gehörte auch die Frankfurter Service Kapitalanlage-Gesellschaft (FSKAG). Auch diese Firma war im Cum-Ex-Geschäft aktiv. Sie legte 2009 einen Fonds namens JSF Fund auf und verwaltete ihn. Auch dieser Fonds steht heute im Visier der Ermittler, weil dessen Profite aus der Steuerkasse stammten. In Summe geht es um 27,5 Millionen Euro Kapitalertragsteuer.
Auf Nachfragen des Handelsblatts wollte BNY Mellon nicht antworten. Allerdings teilt die US-Bank in ihrem kürzlich veröffentlichten Geschäftsbericht mit, dass sie wegen der Cum-Ex-Geschäfte eine Rückstellung in Höhe von rund 150 Millionen Dollar gebildet habe.
„Europäische Tochtergesellschaften von BNY Mellon wurden von deutschen Behörden über Ermittlungen wegen möglicher Cum-Ex-Geschäfte informiert“, heißt es in dem Bericht. Im November und Dezember 2020 hätten deutsche Steuerbehörden entsprechende Bescheide verschickt.
BNY Mellon ist nicht bereit, das Geld ohne Wenn und Aber abzuschreiben. Die Bank hat gegen die Bescheide Einspruch eingelegt. Außerdem, so heißt es, habe man von den Verkäufern eine Haftungsfreistellung erhalten. Für den Fall, dass die Bank bei den deutschen Behörden scheitert, soll der frühere Eigentümer der Gesellschaft zahlen. Das dürfte schwierig werden: Verkäuferin war die inzwischen untergegangene Sal. Oppenheim.
Die BNY Mellon ist nicht die einzige Bank, die wegen ihrer Depotbankdienste zur Kasse gebeten wird. In NRW etwa musste kürzlich auch die Apobank 50 Millionen Euro zurückzahlen, in Bayern erwischte es die Caceis. Dort fiel die Rechnung mit 312 Millionen Euro besonders hoch aus.
Welche Finanzbehörde die BNY Mellon belangte, ist nicht bekannt. Weil das Institut in Frankfurt seinen Sitz hat, ist es womöglich ein hessisches Amt. Wegen des Steuergeheimnisses macht das Finanzministerium keine Angaben zu Einzelfällen, teilte aber auf Anfrage mit, es gebe insgesamt 29 Verfahren, von denen 17 verschiedene Haftungsschuldner betroffen seien. Laut einem Sprecher des Ministeriums beträgt das Volumen der Haftungsbescheide in den 29 Fällen insgesamt circa 520 Millionen Euro.
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