Handelsblatt App
Jetzt 4 Wochen für 1 € Alle Inhalte in einer App
Anzeigen Öffnen
MenüZurück
Wird geladen.

Special

Special: Cum-Ex

28.07.2021

21:20

Cum-Ex-Skandal

Der Bundesgerichtshof bestätigt: Aktiengeschäfte zulasten der Steuerzahler waren strafbar

Von: Volker Votsmeier

Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs hat weitreichende Folgen für die Finanzbranche. Finanzminister Scholz steht in der Kritik.

Der BGH bestätigte zudem, dass von der in die Affäre verwickelten Privatbank M.M. Warburg die zu Unrecht erlangte Kapitalertragsteuer einzuziehen sind. dpa

Bundesgerichtshof

Der BGH bestätigte zudem, dass von der in die Affäre verwickelten Privatbank M.M. Warburg die zu Unrecht erlangte Kapitalertragsteuer einzuziehen sind.

Köln Das bundesweit erste Strafurteil wegen der Cum-Ex-Aktiengeschäfte zulasten der Steuerkasse ist rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe verwarf am Mittwoch die Revisionen der beiden angeklagten Ex-Börsenhändler Martin S. und Nick D. aus London sowie der Staatsanwaltschaft. Außerdem bestätigte der BGH, dass von der in die Affäre verwickelten Privatbank M.M. Warburg die zu Unrecht erlangten Rückerstattungen von Kapitalertragsteuer in dreistelliger Millionenhöhe einzuziehen sind.

Bei den Cum-Ex-Geschäften ging es den beteiligten Banken und Investoren darum, sich eine nur einmal abgeführte Kapitalertragsteuer doppelt erstatten zu lassen. Dazu handelten sie große Aktienpakete rund um den Ausschüttungstermin mit (cum) und ohne (ex) Dividende im Kreis. Das Verwirrspiel führte dazu, dass zwei oder gar mehrere Parteien Steuerbescheinigungen erhielten und beim Finanzamt einlösen konnten.

Christoph Spengel, Steuerprofessor an der Universität Mannheim, bezeichnete das Urteil als „Schuss vor den Bug für alle Beteiligten“. Die Täter müssten nun damit rechnen, für ihr Mitwirken zu Haftstrafen verurteilt zu werden. Vielen Banken drohten außerdem hohe Nachzahlungen. „Das kann einige Institute in die Knie zwingen“, sagte Spengel.

Schätzungen zufolge haben die Cum-Ex-Geschäfte Schäden in zweistelliger Milliardenhöhe verursacht – bisher ist nur ein Teil des Geldes an den Staat zurückgeflossen. „Die Entscheidung des BGH ist für den Staat sehr erfreulich. Im Rahmen der Strafverfahren wird es nun viel leichter, die illegal erlangten Steuererstattungen zurückzuholen“, sagte Spengel.

Das gelte nicht nur für die Institute, die unmittelbar Cum-Ex-Geschäfte gemacht hätten, sondern auch für anderweitig beteiligte Finanzdienstleister. Spengel nannte Depotbanken, Finanzierer und Institute, die die Kursrisiken abgesichert haben.

Rückenwind für Ermittler

Den Staatsanwälten in Köln, Frankfurt, München und Stuttgart verschafft die Entscheidung aus Karlsruhe Rückenwind. Allein die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt in rund 80 Komplexen gegen mehr als 1000 Beschuldigte.

NRW-Justizminister Peter Biesenbach (CDU) hat die Kapazitäten in der Behörde kürzlich deutlich aufgestockt. „Die Entscheidung des Bundesgerichtshofes bestätigt mich in meiner Schwerpunktsetzung auf die Cum-Ex-Verfahren“, sagte Biesenbach dem Handelsblatt. Als Minister werde er weiter alles in seiner Macht Stehende tun, um die Ermittler im Kampf gegen diesen schwerwiegenden Betrug am Staat und an jedem einzelnen Bürger zu unterstützen.

In dem Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof stand das erste Cum-Ex-Strafurteil überhaupt auf dem Prüfstand. Das Landgericht Bonn hatte die beiden britischen Börsenhändler S. und D. zu Bewährungsstrafen verurteilt, die zunächst für die Hypo-Vereinsbank und dann bei der Finanzfirma Ballance gearbeitet hatten.

Im März 2020 verurteilte das Gericht S. wegen Mittäterschaft und D. wegen Beihilfe zu schwerer Steuerhinterziehung. Der Angeklagte S. sollte außerdem seine aus den illegalen Geschäften stammenden Profite in Höhe von 14 Millionen Euro an die Justizkasse zahlen.

Die Urteile des Landgerichts fielen relativ mild aus, weil beide Angeklagten sich zu einer umfassenden Kooperation mit der Staatsanwaltschaft bereit erklärt hatten. In zahlreichen Vernehmungen gaben die Banker Auskunft über das Cum-Ex-System und halfen damit den Ermittlern in etlichen anderen Verfahren. Im Rahmen der Revision stellte S. die angeordnete Einziehung infrage, der wegen Beihilfe verurteilte D. wollte in Karlsruhe eine Aufhebung des Urteils erreichen – letztlich ohne Erfolg.

Entscheidung über M.M Warburg von besonderer Bedeutung

Von besonderer Bedeutung für die gesamte Finanzbranche ist die Einziehungsentscheidung der am Prozess beteiligten Hamburger Bank M.M. Warburg. Die Privatbank hatte sich aus Sicht des Landgerichts 176 Millionen Euro Kapitalertragsteuer zu Unrecht erstatten lassen.

Grafik

M.M. Warburg wehrte sich vor dem BGH im Wesentlichen mit zwei Argumenten gegen die Entscheidung: Zum einen seien die beiden Angeklagten keine Vertreter gewesen und hätten die Geschäfte im eigenen Interesse gemacht – letztlich zulasten der Bank.

Außerdem seien die Jahre, um die es gehe, zumindest teilweise verjährt. Von den 176 Millionen Euro entfielen etwa zwei Drittel auf die Jahre 2007, 2008 und 2009, an denen nicht mehr zu rütteln sei. Lediglich 2010 und 2011 seien noch nicht verjährt. Der BGH folgte dieser Einschätzung nicht.

Warburg teilte mit, dass das Urteil ohne wirtschaftliche Auswirkungen für die Bank bleibe. Sie habe schon im Jahr 2020 alle von den Steuerbehörden wegen der sogenannten Cum-Ex-Geschäfte gegen sie geltend gemachten Steuerforderungen beglichen. „Eine nochmalige und damit doppelte Zahlung wegen der nun bestätigten Einziehungsentscheidung ist rechtlich nicht möglich“, sagte ein Sprecher. Gegen die Steuerbescheide wehrt sich die Bank noch mit Klagen vor den Finanzgerichten.

Finanzminister Scholz in der Kritik

Der Fall der Hamburger Warburg Bank hat auch eine politische Dimension. Die Hamburger Finanzbehörden hatten lange davon abgesehen, die Kapitalertragsteuer von der Privatbank zurückzufordern, selbst als bereits die Staatsanwaltschaft Köln wegen des Verdachts der schweren Steuerhinterziehung ermittelte und sogar zu Durchsuchungen nach Hamburg ausrückte.

Wie später bekannt wurde, hat sich der damalige Erste Bürgermeister Hamburgs und heutige Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) mehrfach mit dem früheren Bankchef Christian Olearius getroffen und auch über das Thema Cum-Ex ausgetauscht.

Scholz streitet eine Einflussnahme zugunsten Warburgs ab, steht aber in der Kritik. Die Hamburger Bürgerschaft hat in dieser Sache einen Untersuchungsausschuss installiert. Scholz berief sich bei seiner Befragung auf Erinnerungslücken.

Bundespolitiker wie Fabio De Masi, Finanzexperte der Linken im Bundestag, wollen das nicht gelten lassen. De Masi bezeichnete das BGH-Urteil als „Ohrfeige“ für Scholz. „Der Finanzminister traf sich als Erster Bürgermeister von Hamburg mehrfach mit dem Beschuldigten Warburg-Bankier Olearius. Nur Gerichte haben am Ende eine Verjährung der Cum-Ex-Tatbeute der Warburg Bank zum Schaden Hamburgs unterbunden“, sagt De Masi.

Scholz habe damals Olearius aufgefordert, ein Schriftstück der Warburg Bank dem damaligen Finanzsenator und heutigen Ersten Bürgermeister Peter Tschentscher zu übermitteln. „Im engen zeitlichen Zusammenhang mit diesen Treffen änderte die Finanzverwaltung ihre Linie und wollte auf den Einzug der Tatbeute verzichten“, kritisiert De Masi.

Lisa Paus von den Grünen sieht Scholz ebenfalls durch das BGH-Urteil beschädigt. Die Cum-Ex-Gelder seien zu Unrecht auf den Konten der Hamburger Privatbank Warburg geblieben. Man müsse den Eindruck haben, dass Scholz dafür eine Mitverantwortung trage. „Olaf Scholz steckt selbst im Cum-Ex-Sumpf“, sagte Paus.

In Hamburg schritt schließlich das Bundesfinanzministerium ein. Es erteilte der Hamburger Finanzbehörde eine Weisung, um zumindest die Steuern für das Jahr 2010 zurückzufordern, für das damals die Verjährung drohte.

Scholz selbst äußerte sich am Abend zu dem Urteil. Er erwartet weitere Strafverfahren gegen Beteiligte, die sich zu Unrecht Steuern erstattet lassen haben. Der SPD-Kanzlerkandidat sprach am Mittwochabend von einem „wirklich großen Tag“. Die Entscheidung des obersten Gerichts zur Strafbarkeit der Cum-Ex-Geschäfte sei „eine harte Grundlage“ dafür, „dass sich der Staat das Geld zurückholt und auch dass ganz viele von den Staatsanwaltschaften in Deutschland angeklagt werden“, sagte Scholz bei einer Veranstaltung der Zeitschrift „Brigitte“.

Kommentare (7)

Selber kommentieren? Hier zur klassischen Webseite wechseln.  Selber kommentieren? Hier zur klassischen Webseite wechseln.

Account gelöscht!

28.07.2021, 14:09 Uhr

Kreislauf der Steuertrickser,

weshalb schreiben Sie 5 % ap

Direkt vom Startbildschirm zu Handelsblatt.com

Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.

Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.

×