Nach zehn Jahren im Schweizer Exil kehrt der Steueranwalt nach Deutschland zurück. Zunächst kommt er in Untersuchungshaft – und schon bald auf die Anklagebank.
Hanno Berger
Demr Strippenzieher in der Steueraffäre Cum-Ex blickt droht eine lange Haft.
Bild: Simon Habegger / 13 Photo
Düsseldorf Hanno Bergers Tage in der Justizvollzugsanstalt Cazis Tignez sind gezählt. Nach Informationen des Handelsblatts hat das Schweizer Bundesamt für Justiz den Antrag auf Auslieferung am 16. Februar endgültig bewilligt. Berger scheiterte mit seinen Beschwerden vor Schweizer Gerichten. Zuletzt hatte sich das Schweizer Bundesgericht mit dem Fall befasst.
Seit dem 7. Juli 2021 sitzt der Deutsche in Auslieferungshaft in der Schweiz. Grundlage der Auslieferung sind zwei Anklagen, die in Deutschland gegen Berger vorliegen. Eine kommt von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, die andere von der Staatsanwaltschaft Köln. Die Ermittlungsbehörden werfen dem Anwalt schwere Steuerhinterziehung und Anlagebetrug vor.
Vor zehn Jahren war der heute 71-Jährige in die Schweiz geflüchtet. Damals durchsuchten Ermittler seine Kanzlei in Frankfurt und sein Haus im Südosten Hessens. In der Frankfurter Anklageschrift wird Berger als „Spiritus Rector“ der Cum-Ex-Geschäfte bezeichnet, in denen es darum ging, sich mittels Aktiengeschäften rund um den Dividendenstichtag nicht gezahlte Kapitalertragsteuer erstatten zu lassen. Die Ankläger sehen in Berger den Hauptverantwortlichen für den Cum-Ex-Skandal, der den deutschen Staat Expertenschätzungen zufolge insgesamt zwölf Milliarden Euro kostete – oder sogar mehr.
Bergers Lebenslauf ist einmalig in der Affäre. Er wuchs in einem Pastorenhaushalt auf. Geboren 1951 in Elm, südlich von Fulda, besuchte er das humanistische Lessing-Gymnasium in Frankfurt, dann wurde er Staatsdiener. Berger ging in die Finanzverwaltung, promovierte und stieg zum höchsten Bankenprüfer der Oberfinanzdirektion Hessen auf.
Berger war gefürchtet. Jahr für Jahr investierten die Geldhäuser Millionen in die Gestaltung ihrer Steuererklärungen, Jahr für Jahr presste Berger viel mehr aus ihnen heraus, als sie zahlen wollten. „Ich war einfach besser als die auf der anderen Seite vom Tisch“, sagte Berger einmal im Gespräch mit dem Handelsblatt. „Auch wenn die viel mehr verdienten.“
1996 wechselte Berger die Seiten, ging erst zu der Vorgängerkanzlei von Clifford Chance, dann 1999 zu Shearman & Sterling. Nach fünf Jahren zog er weiter zur Kanzlei Dewey Ballantine, wo sein Team mit einem Umsatz von 15 Millionen Euro zu den leistungsstärksten Beratereinheiten weltweit wurde. Fünf weitere Jahre später machte er sich selbstständig. Sein Credo: „Steuern sind nur Kosten. Und Kosten müssen optimiert werden.“
Es war ein Motto, das seine Kunden gern hörten. Mitglieder der Industriellenfamilie Quandt (BMW) ließen sich von Berger beraten, die E-Commerce-Unternehmer Marc und Oliver Samwer (Rocket Internet), Konzerne wie Adidas und Karstadt-Quelle, und selbst die Stadtwerke München vertrauten auf seine Expertise. Weil Berger auch härter arbeitete als fast jeder andere Anwalt, wurde er bald legendär.
Ab 2006 konnte Berger seinen Ruf vergolden. Beim Cum-Ex-Handel, der heute als kriminell eingestuft wird, generierte er sagenhafte Renditen für seine Kunden und soll auch selbst Unsummen verdient haben. „Dreistellig“ sei Berger mit Cum-Ex geworden, sagte ein Insider dem Handelsblatt. Der Begriff bezeichnet ein Vermögen ab 100 Millionen Euro.
2009 bekam die Erfolgskurve von Berger erstmals einen Knick. Bei seinem Kunden Rafael Roth gab es eine Betriebsprüfung in der Firma, über die Cum-Ex-Handel gelaufen war. Roth sollte 123 Millionen Euro an das Finanzamt zurückzahlen, dabei hatte er nur 50 Millionen Euro investiert. 500 Millionen Euro hatte er sich von der Hypo-Vereinsbank geliehen, es folgten Klagen zwischen Roth, der Bank und Berger.
Ende November 2012 durchsuchten Ermittler Bergers Büroräume im 32. Stock des Frankfurter Skyper Hochhauses. Als Berger davon hörte, war er gerade auf der Autobahn. Er steuerte geradewegs in die Schweiz und kehrte seither nicht mehr nach Deutschland zurück.
Geplant war das eigentlich nicht. „Natürlich stelle ich mich einem Prozess“, sagte Berger dem Handelsblatt, als er 2017 gefragt wurde, ob er bei einer möglichen Anklage vor einem deutschen Gericht erscheinen würde. „Ich bin ein Mann des Rechts.“ Ein Jahr später war die Anklage fertig, aber Berger wollte nicht mehr. Sein Kommen sei „unnötig“, sagte Berger dem Handelsblatt im Mai 2018. Die Anklage gegen ihn sei unbegründet.
Als die Anklage zugelassen wurde, meldete Berger sich krank. Sein Gesundheitszustand mache ihn dauerhaft verhandlungsunfähig, teilten seine Anwälte mit. Ihr Vorschlag: Das Landgericht möge das Verfahren einstellen. Corona und Bergers nie abreißende Einsprüche gegen seine Auslieferung verzögerten seine Rückkehr weitere drei Jahre.
Jetzt ist damit Schluss. Bergers Auslieferung dürfte schnell erfolgen, „erfahrungsgemäß binnen einer Woche“, sagt ein Strafverteidiger. Offen ist, vor welchem Landgericht Berger zuerst angeklagt wird. Wahrscheinlich läuft es auf Bonn hinaus, weil dort die Hauptverhandlung schneller eröffnet werden kann. Das Gericht hat bereits drei Cum-Ex-Urteile gesprochen. Zuletzt wurde ein Warburg-Banker zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×