Ehemalige HVB-Banker müssen sich wegen des Vorwurfs der schweren Steuerhinterziehung verantworten. Es fehlt: Hanno Berger. Hinter den Kulissen wird aber hart gerungen.
Düsseldorf Der Vorlauf war lang. Fast drei Jahre nachdem die Staatsanwaltschaft Anklage erhoben hat, beginnt in Wiesbaden nun der Prozess wegen schwerer Steuerhinterziehung. Von den fünf Männern, die die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt eigentlich auf die Anklagebank setzen wollte, sind allerdings nur zwei ehemalige Banker der Hypo-Vereinsbank (HVB) übrig geblieben.
Drei Fälle hat das Gericht abgetrennt. Zwei frühere Aktienhändler der Bank können wegen der Corona-Pandemie nicht aus dem Ausland anreisen. Ihr früherer Chef Paul Mora hat sich in seine Heimat Neuseeland abgesetzt. Nach ihm wird international gefahndet.
Und dann ist da noch Hanno Berger, der Hauptangeklagte. Die Staatsanwälte bezeichnen den Steueranwalt in ihrer Anklageschrift als „Spiritus Rector“ der Cum-Ex-Geschäfte. Berger habe das Geschäftsmodell, das im Ergebnis auf eine doppelte Anrechnung nur einmal abgeführter Kapitalertragsteuer abzielte, auf reiche Privatkunden zugeschnitten. Die Ankläger sehen in dem Juristen den Kopf einer Gruppe, die den Staat um einen dreistelligen Millionenbetrag prellen wollte.
Konkret geht es im Wiesbadener Prozess um Aktiengeschäfte, zu denen Berger beriet. Die Münchener HVB wickelte die Deals in den Jahren 2006, 2007 und 2008 für die Firma eines reichen Berliner Immobilienunternehmers ab. Gehandelt wurden die deutsche Aktien rund um den Ausschüttungstermin mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Auf diese Weise gelang es dem Investor, sich vom Finanzamt mehr als 100 Millionen Euro auszahlen zu lassen. Erst nach einer Betriebsprüfung forderte der Fiskus das Geld wieder zurück.
Das Gericht wird sich mit Hanno Berger aller Voraussicht nach im Rahmen dieses Strafprozesses noch nicht beschäftigen können. Zwar hatte Berger immer wieder betont, er sei ein „Mann des Rechts“ und wolle sich einem Verfahren in Deutschland stellen. Die Realität war allerdings eine andere. Seit seiner Flucht in die Schweiz unmittelbar nach einer Razzia Ende 2012 hat sich der 70-Jährige in Deutschland nicht mehr blicken lassen.
Zuletzt trug Berger vor, aus gesundheitlichen Gründen nicht zum Prozess erscheinen zu können. Schweizer Ärzte hatten ihm das bescheinigt. Einer Untersuchung durch einen deutschen Arzt allerdings verweigerte er sich. Die deutsche Justiz reagierte mit einem Haftbefehl. Dagegen beschwerte sich Berger – ohne Erfolg. Kürzlich wies das Oberlandesgericht Frankfurt sein Anliegen zurück.
In dem Beschluss, der dem Handelsblatt vorliegt, bereiten die Richter den Boden für Bergers Auslieferung aus der Schweiz. Das Handeln des Angeklagten 1 – gemeint ist Berger – stelle tatbestandsmäßig einen gewerbsmäßigen Bandenbetrug und damit ein Verbrechen aus dem Kernstrafrecht dar. Diese Wertung hat weitreichende Folgen: Die Schweiz liefert im Falle einer Steuerhinterziehung nicht aus, bei gewerbsmäßigen Bandenbetrug schon.
Das Gericht geht noch weiter. Der Angeklagte habe ein „Lügengebäude“ aufgebaut, das ausschließlich auf die Verschleierung der wahren Sachverhalte angelegt gewesen sei, heißt es in dem Beschluss. „Nach den akribisch von der Generalstaatsanwaltschaft zusammengetragenen Beweismitteln besteht kein Raum für Zweifel, dass das gesamte von dem Angeklagten entwickelte und durchgeführte Geschäftsmodell von Anfang an auf Betrügereien angelegt und ausgerichtet war.“
Dass sich Berger und Mora nun in der Schweiz und in Neuseeland niedergelassen haben, wertet das Gericht als Flucht. „Die beiden Haupttäter haben sich ins Ausland abgesetzt, nachdem sie erkannten, dass ihr Lügengebäude in sich zusammengebrochen war“, schreiben die Richter. Berger habe sich schon bei erster Gelegenheit im hiesigen Verfahren in die Schweiz abgesetzt und sich dort „verschanzt“. In der Gesamtstrafe drohe ihm eine Freiheitsstrafe von bis 15 Jahren.
Kai Schaffelhuber, einer von zwei Verteidigern Bergers, wird am Donnerstag nach Wiesbaden kommen. Er sieht seinen Mandanten als unschuldig an. An dem Beschluss des OLG Frankfurt lässt er kein gutes Haar. Die darin zum Ausdruck gebrachte Vorstellung von der angeblichen mehrfachen Anrechnung nur einmal einbehaltener Kapitalertragsteuer bezeichnete er als „pseudojuristische Albernheit, die wohl auf einer unreflektierten Übernahme von Zeitungsmeinungen beruht“.
Allerdings haben bereits mehrere Finanzgerichte Cum-Ex-Geschäfte als steuerrechtlich unhaltbar eingestuft. Der Präsident des Finanzgerichts Köln bezeichnete die Deals sogar als „kriminelle Glanzleistung“. Und in einem ersten Strafprozess verurteilte das Landgericht Bonn zwei britische Aktienhändler wegen Beihilfe und Mittäterschaft zur Steuerhinterziehung.
Schaffelhuber hält von den Urteilen nichts. Die Entscheidung des OLG Frankfurt hält er für „juristisch unhaltbar und einen verzweifelten Versuch“, seinen Mandanten Hanno Berger nach Deutschland ausliefern zu lassen. „Seit fast einem Jahrzehnt ermitteln Staatsanwälte zu Cum-Ex. Und stets lautete der Vorwurf auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Nun fällt dem OLG Frankfurt plötzlich ein, dass es sich um bandenmäßigen Betrug handeln soll“, so Schaffelhuber.
Sein Mandant Hanno Berger glaubt offenbar nicht, dass er das Gericht in Wiesbaden von seiner Unschuld überzeugen kann. Jedenfalls wird er bei diesem Strafprozess fehlen. Das könnte sich bald ändern. Denn um seine Auslieferung wird hinter den Kulissen hart gerungen. Und einige Beobachter gehen davon aus, dass die Schweiz schon bald handeln wird.
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