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Special

Special: Cum-Ex

12.03.2021

15:22

Cum-Ex-Skandal

Oberlandesgericht Frankfurt macht Weg für Hanno Bergers Auslieferung frei

Von: René Bender, Sönke Iwersen, Volker Votsmeier

Der im Schweizer Exil lebende Steueranwalt Hanno Berger muss sich in der Cum-Ex-Affäre auch wegen bandenmäßigen Betrugs verantworten. Die Auslieferung droht.

Mit allen Mitteln versuchte Steueranwalt Hanno Berger bislang, seine Auslieferung nach Deutschland zu verhindern. imago/Ralph Peters

Oberlandesgericht Frankfurt

Mit allen Mitteln versuchte Steueranwalt Hanno Berger bislang, seine Auslieferung nach Deutschland zu verhindern.

Köln Mit allen Mitteln versucht Hanno Berger, seine Auslieferung nach Deutschland zu verhindern. Nun hat der Steueranwalt dabei einen schweren Rückschlag erlitten: Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt schmetterte seine Beschwerde gegen den Erlass eines Haftbefehls durch das Landgericht Wiesbaden ab.

Besonders gravierend ist der Beschluss, weil die Richter die angeklagten Taten nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs werteten. Das dürfte schwerwiegende Folgen für den im Schweizer Exil lebenden angeklagten Berger haben.

Schon die Anklageschrift der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt hat es in sich. Nach jahrelanger Ermittlungsarbeit im Cum-Ex-Milieu bezeichnen die Ankläger den Steueranwalt als „Spiritus Rector, der ein Betrugssystem entwickelt und umgesetzt“ hat.

Mit dem „System“ sind Kreisgeschäfte mit milliardenschweren Aktienpaketen gemeint, die einzig und allein dazu dienten, den Staat zu schröpfen.

Der Handel der Papiere erfolgte rund um den Hauptversammlungstermin mit (cum) und ohne (ex) Dividende. Ziel der beteiligten Banken und Investoren war es, sich eine Kapitalertragsteuer doppelt oder gar mehrfach „erstatten“ zu lassen.

Ende März beginnt der Strafprozess

Am 25. März soll nun vor dem Landgericht Wiesbaden der Strafprozess gegen Berger und vier Angeklagte beginnen. Neben dem Steueranwalt sind vier ehemalige Banker der Hypo-Vereinsbank angeklagt, die in den Jahren 2006, 2007 und 2008 für einen reichen Immobilieninvestor aus Berlin ein Cum-Ex-Produkt entwickelten und umsetzten. Der Fiskus zahlte an dessen Firma deutlich mehr als 100 Millionen Euro Kapitalertragsteuer aus.

Der ursprünglich ebenfalls beschuldigte Investor ist inzwischen verstorben. Paul Mora, einer der damals verantwortlichen Händler der HVB, hat sich nach Neuseeland zurückgezogen. Sein Verfahren wurde abgetrennt. Er wird mit einem internationalen Haftbefehl gesucht. Zwei seiner ehemaligen Kollegen am HVB-Handelstisch in London leben im Ausland. Ob sie vor Gericht erscheinen werden, ist Corona-bedingt ungewiss.

Ob Berger am 25. März in Wiesbaden erscheinen wird, ist trotz der aktuellen Entscheidung unwahrscheinlich. Nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts ist es wohl aber nur eine Frage der Zeit, bis Berger ausgeliefert werden könnte. Zunächst muss die Schweizer Justiz über den Beschluss informiert werden.

Im Grunde stehe der Auslieferung aber nichts mehr im Wege, sagte ein mit dem Vorgang vertrauter Mitarbeiter der Justiz. Denn anders als die Steuerhinterziehung sei der „gewerbsmäßige Bandenbetrug“ ein Delikt, das auch nach Schweizer Recht eine Auslieferung möglich mache.

Der Senat des Oberlandesgerichts ließ keinen Zweifel daran, dass es bei den Cum-Ex-Geschäften um einen „von Anfang an geplanten Betrug durch Kombination von im Einzelnen zulässigen Finanzinstrumenten“ ging.

Quotenverteilung innerhalb der Bande

Ein tatsächlich existierender Aktienbestand sei in diesem System „quasi gespiegelt“ worden. Einziges Ziel der Beteiligten sei es gewesen, „eine zweite, tatsächlich unberechtigte Steuerbescheinigung zu erhalten“. Die erlangten Gelder in Höhe von 113 Millionen Euro seien nach einer bestimmten, vorher vereinbarten Quote unter den Mitgliedern der Bande aufgeteilt worden.

Hanno Bergers Verteidiger Kai Schaffelhuber hält den Beschluss des OLG Frankfurt unterdessen für „juristisch unhaltbar“. Das Steuerstrafrecht sei nach klarer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein Sonderstrafrecht, das den Betrugsvorwurf bis auf wenige Ausnahmesituationen verdränge. Eine mögliche Auslieferung würde zudem voraussetzen, dass die Schweiz den Sachverhalt ebenfalls als Betrug werte.

Schaffelhuber sieht in dem Beschluss daher „den verzweifelten Versuch“, Hanno Berger nach Deutschland ausliefern zu lassen. „Seit fast einem Jahrzehnt ermitteln Staatsanwälte zu Cum-Ex. Und stets lautete der Vorwurf auf Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Nun fällt dem OLG Frankfurt plötzlich ein, dass es sich um bandenmäßigen Betrug handeln soll. Das ist geradezu absurd“, so der Anwalt.

Nicht einmal das Landgericht Bonn sei im ersten Strafurteil hierzulande in Sachen Cum-Ex von einem Betrugsfall ausgegangen. „Der Beschluss des OLG Frankfurt setzt sich zudem mit dem Vorbringen der Verteidigung inhaltlich überhaupt nicht auseinander und verletzt insoweit das Recht auf rechtliches Gehör“, kommentiert Schaffelhuber. Vor dem Landgericht Bonn waren im Pilotprozess um Cum-Ex-Transaktionen vor einem Jahr zwei britische Aktienhändler verurteilt worden.

In Bonn steht Hanno Berger ebenfalls ein Strafprozess bevor. Dort soll er sich wegen seiner Taten im Zusammenhang mit den Cum-Ex-Geschäften der Hamburger Bank M.M. Warburg verantworten. Das Institut hat den Anwalt auf Schadensersatz verklagt. Berger hat alle Vorwürfe bisher stets zurückgewiesen.

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