Seit vielen Jahren lastet der Cum-Ex-Skandal auf der Unicredit-Tochter. Mit ehemaligen Vorständen hat sie Vergleiche geschlossen, doch die Ermittlungen dauern an.
HVB-Tower in München
Seit Jahren bemüht sich die HVB, Altlasten aus den Steuerdeals abzutragen.
Bild: dpa
Düsseldorf „Tu das Richtige“ steht in großen Buchstaben auf der ersten Seite des gerade vorgelegten Geschäftsberichts der Hypo-Vereinsbank (HVB), unterschrieben vom Aufsichtsratsvorsitzenden Gianpaolo Alessandro. 64 Seiten später steht in kleineren Buchstaben, was passierte, weil Mitarbeiter der HVB etwas anderes taten. Drei Staatsanwaltschaften ermitteln. Das Verhalten von Mitarbeitern und Führungskräften hat Millionen gekostet.
Offensichtlich beteiligte sich die HVB an Geschäften, die so gar nicht den rechtlichen und ethischen Standards entsprachen, denen sich die Bank nach eigenen Angaben verpflichtet fühlt: Cum-Ex-Handel. Bei diesen steuergetriebenen Kreisgeschäften nahmen sich die Beteiligten ihre Gewinne aus der Steuerkasse.
Das Oberlandesgericht Frankfurt bezeichnet Cum-Ex-Geschäfte als „gewerbsmäßigen Bandenbetrug“. In Wiesbaden läuft gerade ein Prozess der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen zwei ehemalige HVB-Banker, weitere sollen sich noch verantworten. In München hat die Staatsanwaltschaft rund ein Dutzend einstige HVB-Manager im Visier. Auch die Staatsanwaltschaft Köln hat zahlreiche Banker aus München auf ihrer Beschuldigtenliste. Das erste Strafurteil in der Sache traf zwei Ex-Aktienhändler der HVB aus London.
„Die Hypo-Vereinsbank hat in Zusammenhang mit der Aufarbeitung von Cum-Ex stets kooperativ, transparent und konsequent gehandelt – und wird dieser Linie auch weiterhin folgen“, sagte Unternehmenssprecherin Andrea Rexer auf Nachfrage des Handelsblatts.
Das ist auch notwendig, denn die Bank ist mit dem Thema noch lange nicht durch. Laut Geschäftsbericht ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln wegen Cum-Ex-Geschäften mittels Exchange Traded Funds (ETF). Solche Fonds bilden Börsenindizes ab und sind vor allem bei Privatanlegern beliebt. Womöglich nutzte die HVB Aktien aus diesen Fonds für Cum-Ex-Geschäfte.
Im April 2019 lagen den Beamten weitere Erkenntnisse vor. Danach war die HVB ein wichtiger Lieferant von Aktien nach dem Dividendenstichtag. Für die Aktienkreisgeschäfte à la Cum-Ex spielten diese sogenannten Ex-Ex-Stückgeber eine wichtige Rolle. Denn die Leerverkäufer mussten sich nach dem Dividendenstichtag mit Aktien ohne Dividendenanspruch in großem Umfang eindecken. Die HVB verkaufte und lieferte ohne Dividenden – daher der Begriff Ex-Ex. Die Bank soll eine externe Kanzlei eingeschaltet haben, um die Vorgänge aufzuarbeiten.
Seit Jahren bemüht sich die HVB, die Altlasten aus den Steuerdeals abzutragen. 2014 legte der Aufsichtsrat einen millionenteuren Bericht zu Cum-Ex-Geschäften vor. 2018 verklagte die Bank ihre ehemaligen Vorstände Rolf Friedhofen, Ronald Seilheimer und Andreas Wölfer auf Schadensersatz. 2020 einigten sich die Parteien außergerichtlich – die Manager zahlten laut Insidern einen niedrigen zweistelligen Millionenbetrag.
Freilich war es nicht ihr Geld – die Zahlung erfolgte von einem Versicherer-Konsortium unter Führung der Allianz Italien, über die sich die Unicredit versichert hat. Die Beiträge für die D&O-Policen, also die Versicherungen für leitende Angestellte, waren zuvor natürlich von der Bank gezahlt worden.
Wenn Bankmitarbeiter krumme Geschäfte machen, gibt es in der Regel auch ein institutionelles Versagen. Im Rahmen eines Ordnungswidrigkeitenverfahrens überwies die HVB 9,8 Millionen Euro an die Staatsanwaltschaft Köln sowie jeweils fünf Millionen Euro in Frankfurt und München. Doch es zeigt sich, dass die HVB mit den Zahlungen die Akte Cum-Ex noch immer nicht schließen kann und weitere Zahlungen erforderlich werden können.
Zu allem Überfluss fand die Betriebsprüfung in München weitere problematische Geschäfte aus den Jahren 2013 bis 2016. So soll die HVB an sogenannten Cum-Cum-Geschäften beteiligt gewesen sein.
Auch bei dieser Spielart des Aktienhandels bemühen sich die Beteiligten um eine Umgehung der Steuervorschriften. Während viele Teilnehmer sie als harmlosen Bruder der Cum-Ex-Geschäfte bezeichnen, stufen das Bundesfinanzministerium sowie diverse Finanzgerichte Cum-Cum-Deals heute prinzipiell als rechtswidrig ein.
Die HVB hat deshalb neue Risiken in den Büchern. „Es ist nicht auszuschließen, dass die HVB in diesem Zusammenhang Steuerforderungen der zuständigen Steuerbehörden oder zivilrechtlichen Ansprüchen Dritter ausgesetzt sein könnte“, steht in ihrem Geschäftsbericht. Ob Steuern angerechnet oder erstattet werden können und welche Folgen sich für die HVB bei Ablehnung einer steuerlichen Anerkennung ergeben könnten, sei derzeit offen. „Die HVB hat Rückstellungen gebildet“, heißt es dazu.
Mitarbeit: Christian Schnell
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