Die jetzige Hamburg Commercial Bank beteiligte sich an mutmaßlich kriminellen Aktiendeals. Die Hamburger Staatsanwälte mochten nicht ermitteln. Jetzt liegt der Fall in Köln.
Zentrale der Hamburg Commercial Bank
Die hanseatischen Staatsanwälte schlossen nach einer Vorprüfung die Akten.
Bild: imago/Chris Emil Janßen
Düsseldorf Die Hamburg Commercial Bank hat dem deutschen Steuerzahler viel zu verdanken. Drei Milliarden Euro frisches Kapital steckte der Fiskus 2009 in das Geldinstitut, das damals noch eine Landesbank war und unter dem Namen HSH Nordbank agierte. Für zehn Milliarden Euro übernahm der Staat Garantien.
Dankbar waren ihre Mitarbeiter dem Steuerzahler trotzdem nicht – jedenfalls nicht alle. Nach Informationen des Handelsblattes ermittelt die Staatsanwaltschaft Köln gegen zwei frühere Verantwortliche wegen des Verdachts auf schwere Steuerhinterziehung. Demnach waren die Manager dabei, den Staat auszunehmen, während der Staat die Bank durch die Krise schleppte.
Die Verdächtigen verfuhren dabei nach dem Verfahren Cum-Ex. Beim Handel von Aktien mit (cum) und ohne (ex) Dividendenanspruch, gaukelten sie und ihre Geschäftspartner den Finanzämtern vor, es gebe mehrere Eigentümer ein- und derselben Aktien. Einer von ihnen führte dann eine Kapitalertragsteuer ab, mehrere ließen sie sich erstatten.
Cum-Ex gilt als größter Steuerskandal Deutschlands – mehr als 130 Banken sind verdächtig. Im Ganzen soll der Schaden für den Steuerzahler zwölf Milliarden Euro betragen. Inzwischen sind Staatsanwaltschaften in ganz Deutschland aktiv. Die Hypo-Vereinsbank (HVB) steht im Mittelpunkt des ersten Cum-Ex-Strafprozesses in Deutschland. Seit Anfang September machen vor dem Landgericht Bonn zwei ehemalige Aktienhändler der HVB tagelange Aussagen.
Die Angeklagten Martin S. und Nick D. sind „vollumfänglich kooperativ“, wie ihre Anwälte es nennen. Die HVB selbst hat auch schon einiges zur Aufklärung beigetragen. Gut 100 Millionen Euro gab die Bank für Anwälte und Berater aus, 9,8 Millionen musste sie als Geldbuße bezahlen. Auf 180 weitere Millionen Euro vor allem bedingt durch Steuerrückzahlungen beziffert die HVB den Schaden, der durch misslungene Cum-Ex-Geschäfte entstand – und verklagte drei frühere Vorstände vor dem Landgericht München auf entsprechenden Schadenersatz.
Nach Angaben der Angeklagten in Bonn war auch das damals noch als HSH Nordbank firmierende hanseatische Geldinstitut tief in Cum-Ex-Geschäfte involviert. Die HSH Nordbank sei regelmäßig als Käufer von Aktien aufgetreten, die für Geschäfte auf Kosten der Steuerzahler missbraucht wurden. Sie habe Steuern auf Dividendenkompensationen erhalten, die gar nicht abgeführt wurden. Ein Angeklagter nannte die HSH einen „Big Player“ in Cum-Ex.
Sie wurde aber auch ein reumütiger Spieler. Viel früher als manch andere Bank begann die HSH damit, ihre Cum-Ex-Vergangenheit aufzuarbeiten. 2013 beauftragte die Bank die Kanzlei Clifford Chance mit einer gründlichen Untersuchung. Das Projekt lief unter dem Codewort „Saturn“ und lieferte eindeutige Ergebnisse: Die Landesbank hatte zu Unrecht kassiert.
In der Folge 2014 zahlte die HSH 126 Millionen Euro an die Staatskasse, davon „rund 112 Millionen für gegebenenfalls zu Unrecht erfolgte Steueranrechnungen und rund 14 Millionen für Zinsen“, wie sie formuliert. „Etwaige zu Lasten der Finanzkasse im Zusammenhang mit sogenannten Cum-Ex-Aktiengeschäften erlangte Steueranrechnungen hat die HSH damit ausgeglichen“, betonte ein Sprecher.
Die Bank hätte gern auch mit den Strafverfolgungsbehörden eine Lösung gefunden, schließlich war die öffentliche Aufregung groß. „Die beschriebenen Geschäfte erfüllten ohne jeden Zweifel den objektiven und subjektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung“, sagte der damalige schleswig-holsteinische FDP-Abgeordnete Wolfgang Kubicki – und die HSH wollte die Verantwortlichen nicht schonen. Auch bei der Staatsanwaltschaft Hamburg lag der Fall auf dem Tisch. Doch die hanseatischen Beamten schlossen nach einer Vorprüfung die Akten.
Auch bei der Bankenaufsicht regte sich wenig. Volle vier Jahre lang lag der Bericht der Kanzlei Clifford bei der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, ohne dass dort jemand den zahlreichen Indizien für Steuervergehen nachging.
Dass die ehemaligen Manager der Hamburg Commercial Bank sich nun doch strafrechtlich für ihre Cum-Ex-Vergangenheit verantworten muss, liegt an der Staatsanwaltschaft Köln. Dort arbeitet sich seit Jahren eine eigens gegründete Sondereinheit durch Deutschlands größten Steuerskandal. 56 verschiedene Untersuchungskomplexe sind inzwischen identifiziert, die meisten davon untereinander verwoben.
Das macht Köln zur Speerspitze der Aufklärung. Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker wurde jüngst vom nordrhein-westfälischen Justizminister Peter Biesenbach überschwänglich für ihre Leistungen gelobt. Es sei ihr gelungen, aus Beschuldigten Kronzeugen zu machen und hochkomplexe Vorgänge zu entschlüsseln. Das ganze System Cum-Ex liege nun offen. Der begonnene Prozess in Bonn sei als Blaupause für zahlreiche weitere Prozesse. Biesenbach: „Das geht wie am Fließband.“
Weiter nördlich scheint solcher Arbeitseifer fremd zu sein. Weder bei der Hamburg Commercial Bank sahen die hanseatischen Staatsanwälte einen Grund zum Handeln, noch bei der ebenfalls in Cum-Ex-Geschäfte verstrickten Traditionsbank M. M. Warburg. Warburg weist zwar die Vorwürfe zurück, steht aber ebenfalls in Köln auf der Liste. So wie die junge Varengold Bank und ein weiteres Institut.
Erste Arbeitsschritte gab es wohl, bestätigt eine Sprecherin der Hamburger Staatsanwaltschaft. Aber damit war es auch gut: „Es gab bei uns vier Prüfverfahren. In keinem Fall wurde ein förmliches Ermittlungsverfahren eingeleitet.“
Mehr: Im Strafprozess in Bonn spricht der Ex-Banker vom Ziel „maximaler Profitoptimierung“ mit den Steuertricks. 2007 habe er enorme Gewinne eingefahren – und gründete eine eigene Cum-Ex-Firma.
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