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Special

Special: Cum-Ex

06.07.2020

13:23

Cum-Ex

Top-Kanzlei Clifford Chance steckt im Sog des Steuerskandals

Von: Sönke Iwersen, Volker Votsmeier

Anwälte aus Spitzenkanzleien zählen im Steuerskandal um Cum-Ex-Geschäfte zu den Beschuldigten. Dem Steuerchef von Clifford Chance wird sogar Strafvereitelung vorgeworfen.

Anwälten der Kanzlei wird von der Staatsanwaltschaft Köln vorgeworfen, an der Vertuschung der Cum-Ex-Verbrechen mitgewirkt zu haben. imago stock&people

Büros von Clifford Chance in Frankfurt

Anwälten der Kanzlei wird von der Staatsanwaltschaft Köln vorgeworfen, an der Vertuschung der Cum-Ex-Verbrechen mitgewirkt zu haben.

Düsseldorf Sie gelten als die Besten ihrer Branche. Von all den Kanzleien, die sich in London tummeln, stechen fünf Namen heraus. Allen & Overy, Clifford Chance, Freshfields Bruckhaus Deringer, Linklaters und Slaughter and May. „Magic Circle“ wurde der Spitzenkreis getauft. Nun ermittelt bei zwei Kanzleien die Staatsanwaltschaft nicht nur gegen Mandanten, sondern auch gegen die Anwälte selbst.

Den größten Reputationsverlust erlitt Freshfields. Im November 2019 verließ der weltweite Steuerchef Ulf Johannemann die Kanzlei. Eine Anklage ist geschrieben, dasselbe gilt für Johannemanns Ex-Freshfields-Partner Thomas Schmitz.*

Beide, Johannemann und Schmitz, machten sich in der Cum-Ex-Beratung einen Namen. Der Begriff bezeichnet den Handel von Aktien mit („cum“) und ohne („ex“) Dividendenanspruch. Die Beteiligten ließen sich zweimal Kapitalertragsteuern erstatten, die sie nur einmal abführten. Freshfields erstellte Gutachten, dies sei legal. Später wurden die Anwälte eines Besseren belehrt.

„Denklogisch unmöglich“ sei das Prinzip, sich eine Steuer zweimal erstatten zu lassen, rügte Benno Scharpenberg, Präsident des Finanzgerichts Köln. Dass es trotzdem gelang, „war eine Glanzleistung, aber eben eine kriminelle“. Richter Roland Zickler, dessen Kammer am Bonner Landgericht im März 2020 das erste Strafurteil in Sachen Cum-Ex sprach, verwendete den Begriff „organisierte Kriminalität.“

Anwälten einer anderen „Magic Circle“-Kanzlei wird nun von der Staatsanwaltschaft Köln vorgeworfen, an der Vertuschung der Cum-Ex-Verbrechen mitgewirkt zu haben. Im November 2019 kam es zu einem Eklat bei einer Durchsuchung der Bank ABN Amro in Frankfurt. Den Grund dafür verorteten die Staatsanwälte bei Clifford Chance. Kaum war die Razzia im Gange, so berichten Augenzeugen, eilten zahlreiche Anwälte aus der schräg gegenüberliegenden Kanzlei in die Bank an der Mainzer Landstraße.

Störfeuer bei den Durchsuchungen

Clifford-Chance-Anwälte sollen verhindert haben, dass die Staatsanwälte auf Daten von ABN Amro zugreifen konnten. Die Juristen hätten den Bankmitarbeitern geraten, jede Auskunft zu verweigern, teils sollen Anwälte sich den Ermittlern sogar in den Weg gestellt haben.

Die Kanzlei bestreitet ein destruktives Verhalten gegenüber der Staatsgewalt. „Die von der zuständigen Staatsanwaltschaft vorgebrachten Vorwürfe gegen unsere Anwälte in Wahrnehmung ihres Mandats halten wir für vollkommen ungerechtfertigt“, sagt Christoph Tillmanns, Marketing-Direktor von Clifford Chance.

Die Staatanwaltschaft schweigt zu ihren Ermittlungen – und zu dem Umstand, dass die Razzia im November verfrüht abgebrochen wurde. Drei Monate später, am 27. Februar 2020, kamen die Beamten wieder – diesmal mit Unterstützung des Bundeskriminalamts. Im Durchsuchungsbeschluss stand, die Clifford-Anwälte hätten den ersten Versuch „in einem Maße erschwert“, dass er weitgehend „ergebnislos verlief“. Als die Beamten dann zum zweiten Mal kamen, legte sich Clifford Chance erneut quer.

Der Durchsuchungsbeschluss des Amtsgerichts Köln erstreckte sich auch auf die Kanzleiräume von Clifford. Die Firma wollte das nicht hinnehmen. „Unverhältnismäßig“ sei der Besuch der Ermittler gewesen. Der Staatsanwalt habe sich nicht einmal angekündigt. Mit der Beschwerde am Landgericht Köln scheiterte Clifford aber kläglich. „Die 12. große Strafkammer hat die Klage mit klaren Worten zurückgewiesen“, sagte ein Sprecher des Gerichts auf Nachfrage.

Gab es etwas, das die Anwälte verbergen wollten? Das Handelsblatt hat Hunderte interne Dokumente gesichtet. Danach lautet eine mögliche Erklärung für das Verhalten der ehrwürdigen Kanzlei: Selbstschutz.

„Wir haben zwei Rechtsmeinungen zu dem vorgeschlagenen Handel“, stand in einer internen Präsentation des britischen Brokers Icap im April 2008. Eine dieser Meinungen stammte von Freshfields, die andere von Clifford Chance. Beide seien „sehr positiv“, was die Steuerpflicht der Geschäfte in Deutschland betraf. Nach Meinung von Clifford Chance soll Icap selbst dann nicht in Gefahr gewesen sein, von bestimmten Gesetzen zur Steuervermeidung getroffen zu werden, wenn die Geschäfte steuergetrieben waren.

„Im Detail erklärt“

Das waren sie ohne Zweifel – und genau daher rührten Icaps Vorbehalte. Cum-Ex wirkte wie eine Wunschvorstellung: ein Geschäft mit hohem Gewinn und ohne Risiko. Icap problematisierte intern den möglichen „Missbrauch von Gesetzen“ und die Gefahr, die deutsche Steuerfahndung auf den Plan zu rufen.

Nur die Ruhe, sollen die Experten von Clifford Chance laut den Dokumenten signalisiert haben. Solange bestimmte Abläufe bei den beabsichtigten Cum-Ex-Geschäften eingehalten würden, bestehe für Icap „kein Nachteil.“

Die Abläufe wurden genau besprochen. „In den Telefonkonferenzen mit Clifford Chance haben wir ihnen die Kommerzialität im Detail erklärt“, heißt es in dem Icap-Dokument. Man sei sich nun sicher, dass die Voraussetzungen für eine gute Rechtsmeinung erfüllt seien. Icap machte bei den Deals schließlich mit. Heute reagiert der Broker auf Nachfrage nicht.

Einer der Clifford-Anwälte hieß Felix Dörfler*. Der Mann, der später einmal die Leitung der deutschen Steuerpraxis von Clifford Chance übernehmen sollte, war ein Kenner von Cum-Ex. Seit 2000 bei Clifford, stieg er nach Stationen bei Goldman Sachs und JP Morgen zum Partner auf und beriet Kunden wie Icap, gegen die heute ermittelt wird. Auf Nachfrage sagte Clifford-Direktor Tillmanns: „Clifford Chance hat keine Gutachten erstellt, in denen wir missbräuchliche Cum-Ex-Modelle befürworten oder sonst in irgendeiner Weise förderten.“

Der Zusammenbruch des Cum-Ex-Prinzips förderte etwas anderes für Clifford Chance: das Beratungsgeschäft. Zuerst sollen die Anwälte der Kanzlei Kunden wie Icap erklärt haben, warum Cum-Ex-Geschäfte unter bestimmten Voraussetzungen rechtskonform wären. Dann nahm Clifford Chance neue Mandate an – diesmal zur Aufarbeitung solcher Geschäfte.

Das Geschäft brummt

Im Fall der Hypo-Vereinsbank (HVB) trat Clifford im Auftrag der Bank zunächst im Streit gegen den Cum-Ex-Investor Rafael Roth und ausgerechnet Icap auf – das Mandat musste die Kanzlei wegen des Interessenkonflikts niederlegen. Zudem wirkte Clifford Chance bei internen Ermittlungen der HSH Nordbank, die heute als Hamburg Commercial Bank firmiert.

Im ersten Cum-Ex-Strafprozess vor dem Landgericht Bonn vertraten die Clifford-Anwälte mit der Société Générale und der BNY Mellon zwei Institute, die vom Richter zum Prozess hinzugeladen wurden – zwecks Einziehung der Kapitalertragsteuer von insgesamt rund 100 Millionen Euro. Wegen der Coronakrise wurden die beiden Institute vorläufig aus dem Verfahren entlassen, erledigt ist das Thema für sie damit aber nicht.

Für Clifford Chance und Steuerchef Dörfler war Cum-Ex bis dato stets ein gutes Geschäft. Doch nun wendet sich das Blatt, der Ruf Dörflers und seiner Kanzlei ist in Gefahr. Die Staatsanwaltschaft Köln ermittelt gegen den Leiter der Steuerpraxis sowie gegen einen Clifford-Anwalt wegen möglicher Strafvereitelung. Jede Kanzlei weiß: Ein Mandat zu ersetzen ist kein Drama. Beim Ruf ist es anders.
*Namen geändert

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