Nach der Pleite der Maple Bank fordert Insolvenzverwalter Michael Frege nun Millionen von den ehemaligen Managern zurück – und von der Beratungsgesellschaft.
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Der Maple-Insolvenzverwalter sieht die Beratungsfirma als mitverantwortlich für den Schaden, der durch die Pleite entstand.
Bild: LightRocket/Getty Images
Düsseldorf Ihr Rat war teuer, aber nicht gut. Jahrelang attestierten die Experten der Beratungsgesellschaft Ernst&Young (EY) ihrem Kunden, dass alles in Ordnung sei. Die Maple Bank in Frankfurt ließ sich auf Aktienhandel der fragwürdigsten Sorte ein: Cum-Ex.
„Denklogisch unmöglich“, nannte das Finanzgericht Köln später die Grundannahme, auf der diese Geschäfte beruhten: Das Finanzamt sollte eine Steuer, die einmal abgeführt wurde, zweimal erstatten. Jahrelang ging dies trotzdem gut, nicht zuletzt dank hochbezahlter Prüfberichte der vermeintlich renommierten Adresse EY. Dann flog der Schwindel auf.
Fast 300 Staatsanwälte, Steuerfahnder und BKA-Ermittler durchsuchten im Herbst 2015 die Frankfurter Dependance der Maple Bank. Der Verdacht der Beamten lautete auf Steuerhinterziehung im großen Stil – die Behörden bezifferten den Schaden auf 450 Millionen Euro. Im Februar 2016 verhängte die Finanzaufsicht ein Moratorium über die Bank. Das Geldinstitut war damit für den Kundenbetrieb geschlossen, wenig später übernahm der Insolvenzverwalter Michael Frege das Sagen.
Frege ist vor allem einer Gruppe verpflichtet: den Gläubigern der Maple Bank. Gewaltige 2,7 Milliarden Euro an Forderungen standen offen, als sie unterging. Im August 2019 meldete Frege, er habe fast zwei Milliarden Euro eingesammelt. Das meiste stammte von den Schuldnern der Maple Bank. Doch Frege war noch nicht fertig.
Der Insolvenzverwalter verklagte die vermeintlich renommierte Kanzlei Freshfields. Ohne deren Gutachten, so Frege, hätte die Maple Bank die Cum-Ex-Geschäfte niemals durchführen können. Und diese Gutachten wurden gerade von der Staatsanwaltschaft zerpflückt. Frege forderte von Freshfields 95 Millionen Euro Schadensersatz.
Die Kanzlei wollte nicht zahlen. „Für Ansprüche gegen uns sehen wir keine Grundlage“, sagte ein Freshfields-Sprecher. Die Spitzenanwälte wollten sich „vollumfänglich verteidigen“.
Es kam anders. Insolvenzverwalter Frege und Freshfields einigten sich auf einen Vergleich. „Wir sind weiterhin der festen Überzeugung, dass unsere Beratung der geltenden Rechtslage entsprach“, sagte ein Kanzleisprecher. Der Vergleich bedeute keine Anerkennung von Schuld. Freshfields zahlte trotzdem 50 Millionen Euro.
Nun klagt Frege gegen EY. Der Insolvenzverwalter sieht die Beratungsfirma als mitverantwortlich für den Schaden, der durch die Maple-Pleite entstand. Eine Sprecherin des Landgerichts Stuttgart bestätigte dem Handelsblatt: „Der Insolvenzverwalter hat die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von rund 95 Millionen Euro in Anspruch genommen.“ Stuttgart ist der Sitz der Deutschlandzentrale von EY.
Frege spricht nicht über seine Klage. Nach Informationen des Handelsblatts wird er vermutlich verschiedene Leistungen von EY für Maple ins Feld führen. Diese werden auch von Staatsanwälten moniert, die in Sachen Cum-Ex ermitteln. EY-Berater sollen die Finanzverwaltung gezielt irreführend über den Sinn und Zweck der Cum-Ex-Geschäfte informiert haben, die bei der Maple Bank liefen.
Außerdem habe EY offenbar falsche Bescheinigungen über das Verhältnis und den Kenntnisstand verschiedener Beteiligter bei dem Aktienhandel rund um den Dividendenstichtag ausgestellt. EY fertigte anscheinend auch positive Prüfbescheide für die Jahresabschlüsse der Maple Bank. Parallel soll EY bei der Erstellung und Abgabe falscher Steuererklärungen geholfen haben.
Für eine Beratungsgesellschaft wie EY sind dies ungeheuerliche Vorwürfe – im Kern das Gegenteil des Auftrags, dem sie sich verpflichtet fühlt. „Bei EY setzen wir alles daran, dass die Welt besser funktioniert.“ So beginnt die Selbstdarstellung von EY unter der Überschrift „Unser Unternehmenszweck“. Das Kapitel lässt für Steuerhinterziehung keinen Platz. „Mit unserem umfassenden Wissen und der Qualität unserer Dienstleistungen stärken wir weltweit das Vertrauen in die Kapitalmärkte und Volkswirtschaften.“
Für Frege sind dies Worte mit einem vertrauten Klang. Die Kanzlei Freshfields, die ihm 50 Millionen Euro zahlte, schlug in ihrer Selbstbeschreibung ganz ähnliche Töne an. Freshfields, so behauptet die Kanzlei, sei inspiriert von der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948. Alles Tun ihrer Anwälte sei einem Ziel verpflichtet: Es möge einen langfristigen positiven Effekt auf die Gesellschaft haben.
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