Razzia in Frankfurt, München und Hamburg: Ermittler forschen bei den Banken Hauck & Aufhäuser und Varengold nach Belegen für mögliche Geschäfte auf Kosten des Fiskus.
Sitz der Varengold Bank in Hamburg
Das Institut ist in Strafverfahren bezüglich Steuervergehen ein bekannter Name.
Bild: Varengold Bank AG
Düsseldorf Staatsanwälte, Steuerfahnder und Polizisten durchsuchen seit Dienstagmorgen die Geschäftsräume der Bank Hauck & Aufhäuser in Frankfurt und München sowie der Varengold Bank in Hamburg. Nach Informationen des Handelsblatts sind die Beamten sogenannten Reverse Market Claims auf der Spur. Experten bezeichnen diese Konstrukte als Nachfolgemodelle der berüchtigten Cum-Ex-Geschäfte, die der Gesetzgeber ab 2012 unmöglich machte.
Gegen die Initiatoren von Cum-Ex-Geschäften laufen seit Jahren Strafverfahren, im März endete der erste Prozess mit einer Verurteilung der zwei angeklagten Börsenhändler. Die beteiligten Banken wurden in der noch nicht rechtskräftigen Entscheidung zu einer Schadensersatzzahlung von 176,5 Millionen Euro verpflichtet.
Es war nur der erste Fall, viele weitere werden folgen. Allein die Staatsanwaltschaft Köln führt knapp 70 Verfahren mit rund 900 Beschuldigten. Deutschlandweit soll der Schaden zwölf Milliarden Euro betragen.
Nachdem Cum-Ex-Geschäfte ab 2012 unmöglich wurden, begann in vielen Dutzend Banken die Aufarbeitung. Einige Geldhäuser zahlten bereits Hunderte von Millionen Euro für Anwälte und Berater, ähnliche Summen flossen teils in Vergleiche mit dem Fiskus. Manche Vorstände gelobten Besserung, stärkten die Compliance-Strukturen. Andere suchten nach neuen Wegen, um sich auf Kosten der Steuerzahler zu bereichern.
Details zu dem Verdacht neuer Steuertricks erhoffen sich Ermittler an diesem Dienstag in Frankfurt und Hamburg. Auf dem Durchsuchungsbefehl für die Varengold Bank stehen mehrere Beschuldigte, darunter aktuelle und einige ehemalige Verantwortliche. Der Verdacht lautet auf Steuerhinterziehung beziehungsweise Beihilfe dazu.
Bei der Bank Hauck & Aufhäuser sind nach Handelsblatt-Informationen zwei frühere Manager im Visier. Weil die Banker nicht mehr für die Hauck tätig sind, läuft die polizeiliche Aktion deshalb unter dem Titel „Durchsuchung Dritter“ – gut möglich allerdings, dass die Bank sich selbst für die Beteiligung an den dubiosen Geschäften verantworten muss. Hauck & Aufhäuser sagte auf Anfrage, man werde vollumfänglich mit den Behörden kooperieren. Varengold äußerte sich zu den Vorgängen vorerst nicht.
Die Ermittler wollen Geschäften auf den Grund gehen, bei denen bestimmte Fonds eingesetzt wurden. Deren Namen sind Bezeichnungen für Edelsteine und Schmucksteine entlehnt, darunter „Smaragd“, „Amethyst“ und „Amber“ – das englische Wort für Bernstein. Daneben geht es um ein Vehikel namens Fidus Capital Investment AG. Die Finanzfirmen sollen so konstruiert worden sein, dass sie selbst von der Steuer befreit waren.
Das Erstaunliche: Die Ermittlungen erstrecken sich auf die Jahre 2012 bis 2016. Demnach hätten die Beteiligten also Wege gefunden, den Fiskus auch noch Jahre nach dem Stopp der klassischen Cum-Ex-Geschäfte zu schädigen. Nach Informationen des Handelsblatts gehen die Kriminalbehörden und Steuerfahnder davon aus, dass diese Konstruktionen ähnlich wie im Cum-Ex-Skandal dazu gedient haben sollen, unberechtigte Steuererstattungen zu generieren.
Bei Cum-Ex ließen sich die Beteiligten eine nur einmal gezahlte Kapitalertragsteuer mehrfach erstatten. Bei den nun im Visier der Ermittler stehenden „Reverse Market Claims“ oder „Shared Accounts“ wurden Steuern gar nicht erst gezahlt, sondern nur die Erstattungen geltend gemacht.
Die Konstrukte sollen dazu gedient haben, Aktien zu erwerben, die einen Erstattungsanspruch für vermeintlich gezahlte Kapitalertragsteuern hatten. Die Beteiligten sollen die Papiere aber so geschickt gehandelt haben, dass sie den Zeitpunkt der Abführung der Steuern übersprungen haben sollen. Obwohl sie also gar keine Steuern abführten, sollen die Fonds später Erstattungen von ihrem Finanzamt gefordert haben – und erhielten sie womöglich auch.
Die Rolle von Hauck & Aufhäuser bei den Geschäften könnte überraschen. Die Bank tauchte im kriminellen Cum-Ex-Komplex bislang nicht auf. Beim Nachfolgemodell „Reverse Market Claims“ soll Hauck & Aufhäuser dagegen sowohl aufseiten des Verkäufers als auch aufseiten des Käufers der fraglichen Papiere als Depotbank aufgetreten sein. Das legt eine intime Kenntnis des Gesamtablaufs der Geschäfte nahe – inklusive der steuerlichen Folgen.
Bei der Varengold Bank gibt es hinsichtlich des mutmaßlich neuen Steuertrickmodells bereits eine Einschätzung der Kontrollinstanzen. Die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin) stuft die Vehikel als potenziell kritisch ein. Bei den Fonds liege möglicherweise „ein Cum-Ex-Bezug“ vor.
Dazu zählte die „Fidus Capital Investment AG“ ebenso wie die unter dem Dach der Varengold-Investment-Aktiengesellschaft mit Teilgesellschaftsvermögen geführten Fonds „Smaragd“ und „Amethyst“. In der Auflistung der Bafin von Ende 2016 heißt es: „In den Genehmigungsverfahren, Jahresgesprächen und Fondsprüfberichten ist aufgefallen, dass dieses Sondervermögen wahrscheinlich Dividendenstrategien verfolgen.“
Die Varengold Bank ist in Strafverfahren bezüglich Steuervergehen ein bekannter Name. Zum einen geht es in einem anderen Verfahren um einen Fonds der Varengold Investment AG, deren Minderheitsgesellschafterin die Varengold Bank war, aus dem Jahr 2010. Der Fonds mit dem Namen „Caerus II Equity“ wurde von vermögenden Investoren gezeichnet. Jüngst gab es in diesem Zusammenhang Festnahmen von teils ehemaligen Bankern der Firma Duet, die gegen Kaution wieder freikamen.
Im Geschäftsbericht vom 29. Mai 2020 berichtete Varengold lapidar von Ermittlungsverfahren „im Zusammenhang mit Aktientransaktionen um den jeweiligen Dividendenstichtag der Jahre 2010 bis 2013 gegen ehemalige und aktuelle Mitarbeiter der Bank wegen des Anfangsverdachts der Steuerhinterziehung“.
Die Führung gibt sich in dem Bericht gelassen. „Die Varengold Bank und die eingeschalteten externen Sachverständigen messen dem Eintritt dieses Risikos keine Wahrscheinlichkeit zu, die zu der Bildung einer Rückstellung geführt hätte.“
In einem separaten Verfahren ermittelt die Staatsanwaltschaft gegen die Tochtergesellschaft Varengold Verwaltungs AG i. L. (ehemals Varengold Investmentaktiengesellschaft mit Teilgesellschaftsvermögen AG). Auch hierzu herrscht in der Bank eine hanseatische Kühle: „Auf Basis der Stellungnahme eines Rechtsanwalts schätzt der Vorstand das Risiko einer Inanspruchnahme der Tochtergesellschaft als denkbar, das Risiko einer Haftung der Varengold Bank für die Tochtergesellschaft als sehr gering ein.“
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