Die nordrhein-westfälische Finanzverwaltung hat eine Marktlücke entdeckt. Sie erlöst bei Steuerdelikten hohe Summen bei Schweizer Banken. Da übertreffen die kecken Deutschen sogar die US-Kollegen.
Kavallerie
Nachgespielte Schlacht: Die Kavallerie reitet aus Düsseldorf gen Schweiz.
Bild: Imago
Zürich/Düsseldorf Theo und Eva Buchfeld* hatten lange gewartet. Am Ende aber waren die Nerven zu schwach. Jahrzehntelang hütete das Unternehmerpaar aus der Nähe von Dortmund ihr geheimes Konto wie einen Schatz. Doch in den letzten Jahren kamen die Einschläge immer näher. Sie hörten von Klaus Zumwinkel, dem Steuersünder von der Post. Sie lasen über immer neue Daten-CDs mit Tausenden Namen Schweizer Bankkunden. Und dann gab Uli Hoeneß den Buchfelds den Rest. Als der Fall des damaligen FC-Bayern-Präsidenten Anfang 2014 öffentlich wurde, entschied sich das Paar, reinen Tisch zu machen. Sie erstatteten Selbstanzeige. Das war weniger schmerzhaft, als sie angenommen hatten. Die Buchfelds nahmen sich einen Steueranwalt; ihr geheimes Konto in der Schweiz wurde legalisiert, und sie zahlten Steuern nach, zuzüglich Hinterziehungszinsen. Kostenpunkt: fast 250 000 Euro. „Wir hatten trotzdem ein gutes Gefühl“, sagt Theo Buchfeld. „Es war, als hätten wir uns von einer großen Last befreit.“ Der Schock war umso größer, als dann zwei Steuerfahnder vor der Tür standen.
Guten Tag, sie hätten da ein paar Nachfragen zur Selbstanzeige. Kaum hatten die Buchfelds geöffnet, wurden die beiden mit Fragen gelöchert, eine knappe Stunde lang: „Wer war Ihr Ansprechpartner bei der Bank? Hat die Bank Selbstanzeigen thematisiert? Wenn ja, wann? Hat die Bank von einer Legalisierung abgeraten? Hat sie Trusts, Stiftungen oder Lebensversicherungen angeboten?“ Die Buchfelds hörten nie wieder von den Fahndern. Denn die hatten, was sie brauchten. Der Besuch war kein Zufall.
Im Visier der Fahnder
Gegen welche Banken ermittelt werden und Zahl der Selbstanzeigen in Deutschland. Um die Grafik zu vergrößern, klicken Sie bitte auf das Bild.
Seit Monaten ist ein Spezialtrupp von Steuerfahndern aus Nordrhein-Westfalen unterwegs, um Selbstanzeigen auszuwerten. Sie nennen es „Selbstanzeigen-Analyse“. Die Ermittler konzentrieren sich dabei nicht nur auf ihr eigenes Bundesland. Sie sind in ganz Deutschland unterwegs und sammeln Aussagen von Kunden über das Geschäftsgebaren von Banken. Die vielen Einzelinformationen setzen die Fahnder zum großen Puzzle zusammen. Konfrontiert mit den pikanten Details, die Banker als Helfer bei Steuerdelikten erscheinen lassen, greifen Geldhäuser zum Kompromiss.
Seit 2010 haben die Fahnder bereits knapp 600 Millionen Euro von Banken eingespielt, denen sie Beihilfe zur Steuerhinterziehung nachweisen konnten. Die Informationen kommen von akquirierten Daten-CDs – und immer häufiger aus der Flut von Selbstanzeigen. Das Besondere dabei: Das komplette Geld fließt in die Staatskasse von Nordrhein-Westfalen.
„Die Ermittler listen minutiös auf, welche Kunden bei welcher Bank welche Geschäfte getätigt haben“, sagt Jörg Schauf, Steueranwalt bei Flick Gocke Schaumburg. Er hat viele Selbstanzeigen begleitet und Banken beim Ablasshandel mit dem Fiskus beraten. Seiner Erfahrung nach sind die Spezialfahnder äußerst effektiv.
Für Schweizer Geldhäuser, die sich früher gezielt um Schwarzgeld bemühten und mit ihrer Diskretion warben, steht die Welt auf dem Kopf. Kunden, die bereits eine Selbstanzeige gestellt haben, sind in der Regel nicht zurückhaltend bei ihren Aussagen über ihre Bank. Die Beweislast ist erdrückend. Es gilt: Die Masse macht’s.
Der geistige Vater dieses Feldzugs gegen Sünder-Banken ist Norbert Walter-Borjans (SPD). Der Finanzminister Nordrhein-Westfalens will mehr Steuergerechtigkeit erreichen. Was aber nicht heißen muss, dass ganz Deutschland von seinem Feldzug profitiert. Im Gegenteil. Denn ob die belastenden Aussagen der Kunden aus Düsseldorf, Hamburg oder München stammen, ist für den Kompromiss mit der betreffenden Bank egal. Sie zahlt immer in eine Kasse: in die von Walter-Borjans.
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