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Special

Special: Cum-Ex

13.01.2022

18:18

Steuerskandal

Geständiger Investmentbanker belastet langjährigen Warburg-Chef im Cum-Ex-Prozess

Von: Sönke Iwersen, Volker Votsmeier

Lange wies der angeklagte Warburg-Mitarbeiter alle Vorwürfe von sich, aber nun vollzieht er eine Kehrtwende. Er ist der erste Warburg-Banker, der seine Schuld eingesteht.

Viele Jahre lang fungierte er als Sprecher der Gesellschafter von M. M. Warburg, bis er Mitte 2014 als Chef in den Aufsichtsrat wechselte. ullstein bild -  Fabricius/WELT

Christian Olearius

Viele Jahre lang fungierte er als Sprecher der Gesellschafter von M. M. Warburg, bis er Mitte 2014 als Chef in den Aufsichtsrat wechselte.

Bonn Der Angeklagte M. wirkt gelöst, ja befreit. 13 Verhandlungstage lang wehrte der 63-jährige Mitarbeiter der Warburg Bank alle Vorwürfe ab, dann vollzog er eine Kehrtwende. Am Tag nach seinem Geständnis beantwortet er fast locker dem Bonner Landgericht und seinen Anklägern alle Fragen.

Seine Aussagen haben Bedeutung weit über seinen eigenen Fall hinaus. M. schützte mit seiner Abwehrhaltung auch die einstige Führungsspitze von M. M. Warburg, allen voran Christian Olearius. Olearius und Max Warburg gehörte der Löwenanteil der Bank, Olearius führte sie viele Jahre als Sprecher der Gesellschafter, bis er Mitte 2014 als Chef in den Aufsichtsrat wechselte.

Nun bestätigt M., was die Staatsanwaltschaft ihm und anderen seit Langem vorwarf und die Bank als falsch zurückwies. Unter der Ägide von Olearius beteiligten sich die Bank und deren Investmenttochter Warburg Invest von 2007 bis 2011 an Cum-Ex-Geschäften. Dieser Aktienhandel rund um den Dividendenstichtag zielte darauf ab, sich Kapitalertragsteuern erstatten zu lassen, die vorher gar nicht gezahlt worden waren.

Der Angeklagte M. war lange in verantwortlicher Position bei Warburg Invest. Er war mit zuständig für zwei Fonds, in die reiche Investoren ihr Geld anlegen konnten. Laut Anklage hieß der Fonds 2009 BC German Equity, 2010 war es der Fonds BC German Hedge. Die Profite dieser Fonds stammten aus der Steuerkasse.

„Ich habe mir die damaligen Vorgänge und Ereignisse immer wieder schöngeredet“, sagte M. vor Gericht. Grund sei gewesen, „mein damaliges Handeln vor mir selbst, vor anderen und auch der Justiz gegenüber zu rechtfertigen. Das war falsch.“

Vorwürfe an Olearius

M. freilich sieht sich nur als Rad in einem großen Getriebe. Er habe sich von der Führung der Warburg-Bank unter Druck gesetzt gefühlt, erklärte er dem Gericht. „Ich hatte die Befürchtung, dass eine Weigerung meinerseits das Ende meiner Karriere in der Warburg Gruppe bewirkt hätte.“ Mit der Äußerung einer abweichenden Meinung gegenüber den Partnern habe er bereits Jahre zuvor negative Erfahrungen gemacht.

Der Richter wollte genau wissen, wen M. damit meinte. Olearius sei das gewesen, erklärte M. Auf einer Weihnachtsfeier sei ihm sein Chef äußerst kühl begegnet, weil er eine andere Meinung vertreten habe. Solche Situationen habe es häufiger gegeben.

Olearius habe auch den engsten Kontakt zu Steueranwalt Hanno Berger gehalten. Berger gilt in Ermittlerkreisen als „Spiritus Rector“ der Cum-Ex-Geschäfte und sitzt derzeit in der Schweizer Auslieferungshaft. Auf ihn warten in Deutschland gleich mehrere Anklagen.

Nach Angaben von M. wurde bei der Warburg Bank das Cum-Ex-Projekt auf Anraten von Berger umgesetzt. In der Bank hätten einige Leute Bedenken geäußert, vor allem nach einem Schreiben aus dem Bundesfinanzministerium im Frühjahr 2009. Selbst Max Warburg habe von „Bauchschmerzen“ gesprochen. Gestoppt wurden die Geschäfte dennoch nicht.

Namhafte Banken machten mit

Und Warburg Invest hatte namhafte Mitstreiter. Die Deutsche Bank stellte 2009 für die Geschäfte 742,9 Millionen Euro Fremdkapital zur Verfügung. Als Depotbank agierte die BHF Asset Servicing, die später von BNY Mellon übernommen wurde. 2010 übernahm Merrill Lynch die Funktion des Fremdkapitalgebers. Depotbank wurde die genossenschaftliche Apotheker- und Ärztebank. „Chaotisch“ nannte M. die Zusammenarbeit mit der Apo-Bank.

Einer der Angeklagten zeigte sich nun vor dem Landgericht in Bonn geständig. Reuters

Landgericht Bonn

Einer der Angeklagten zeigte sich nun vor dem Landgericht in Bonn geständig.

Über Vehikel wie Sitara und Maltinvest steckten vermögende Anleger Geld in diese Fonds, auch die Unternehmer Klaus-Peter Schulenberg und Erwin Müller gehörten zu den Investoren. Zusammen sollen die Beteiligten den Fiskus um rund 109 Millionen Euro geprellt haben.

Die Investoren behaupteten später, sie hätten nichts über die wahre, schädliche Natur der Fonds gewusst. Auch die beteiligten Banken machten sich gegenseitig Vorwürfe, die Deutsche Bank und Warburg etwa stecken seit geraumer Zeit in einem erbitterten Streit darüber, wer die Folgen ausbaden muss.

Nun müssen sich viele Akteure vor der Justiz verantworten. Olearius und Warburg sind selbst beschuldigt, weisen aber alle Vorwürfe zurück. Bisher hatten sie Rückendeckung von ihren Untergebenen. Nun gibt es ein Geständnis. Ein Sprecher von Olearius wollte die aktuellen Entwicklungen im Strafprozess gegen M. nicht kommentieren.

Beobachter sind sich einig, dass eine Anklage gegen Christian Olearius durch die Kehrtwende von M. näherrückt. Er ist der erste Beschuldigte aus der Riege der Warburg-Banker, der seine Taten einräumt und als falsch bezeichnet. Der ehemalige Warburg-Generalbevollmächtigte S. – ein enger Vertrauter von Olearius – hatte in seinem Prozess eine Schuld von sich gewiesen. Er wurde zu fünfeinhalb Jahren Haft verurteilt. Zwei weitere Warburg-Manager sind noch angeklagt, ihr Prozess wurde abgetrennt.

Nach dem Geständnis des Angeklagten wird das Landgericht Bonn wahrscheinlich bald ein Urteil fällen. Im ersten Prozess hatte die Kammer zwei britische Aktienhändler zu Bewährungsstrafen verurteilt. Diese Entscheidung hat der Bundesgerichtshof bereits bestätigt.

Bei seiner Urteilsverkündung ließ der Vorsitzende BGH-Richter Rolf Raum kaum Spielraum für alle, die sich an Cum-Ex-Geschäften beteiligten oder davon profitierten. Die Steuer‧deals seien ohne jede Frage strafbar, sagte Raum. „Es gab hier weder ein legales Steuergestaltungsmodell noch das zulässige Ausnutzen einer Gesetzeslücke.“ Der Cum-Ex-Handel sei ein „blanker Griff in die Kasse, in die alle Steuerzahler einzahlen“.

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