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Special

Special: Cum-Ex

30.04.2021

19:19

Untersuchungsausschuss

Scholz will sich im Cum-Ex-Skandal an nichts erinnern

Von: Christoph Kapalschinski, Volker Votsmeier

Der SPD-Kanzlerkandidat beklagt „haltlose Schauermärchen“ im Zusammenhang mit fragwürdigen Aktiengeschäften der Warburg Bank. Die Hamburger Opposition hat ein Problem.

Der Bundesminister der Finanzen und ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal. dpa

Olaf Scholz

Der Bundesminister der Finanzen und ehemalige Erste Bürgermeister von Hamburg als Zeuge vor dem parlamentarischen Untersuchungsausschuss der Hamburgischen Bürgerschaft zum Cum-Ex-Skandal.

Hamburg, Köln Es gebricht Olaf Scholz nicht an Selbstbewusstsein. Er sei zuversichtlich, dass der nächste Kanzler ein Sozialdemokrat werde, sagte Scholz den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Es ist möglich, das Kanzleramt zu erringen mit einem Wahlergebnis von oberhalb 20 Prozent", sagte der Bundesfinanzminister und SPD-Kanzlerkandidat weiter. Derzeit liegen die Sozialdemokraten in Umfragen kaum über 15 Prozent.

Und Scholz kann sich noch nicht voll darauf konzentrieren, die Kanzlerschaft zu erringen. Der SPD-Politiker muss sich immer wieder mit Untersuchungsausschüssen herumschlagen.

Exakt eine Woche nach seinem Auftritt im Berliner Ausschuss zur Wirecard-Pleite musste er am Freitagnachmittag zu seiner Rolle bei einer umstrittenen Steuererstattung als Zeuge aussagen. Es ging im Hamburger Rathaus um seine Zeit als Bürgermeister.

Wie eine Woche zuvor vermied Scholz offensiv das symbolträchtige Bild auf dem Zeugenstuhl abzugeben. Vor den Kameras drehte er eine demonstrativ gut gelaunte Begrüßungsrunde durch den prächtigen Festsaal des Rathauses. Erst nachdem die Kameraleute den Saal verlassen mussten, nahm der SPD-Kanzlerkandidat am Tisch mit dem nüchternen Namensschild „Olaf Scholz – Zeuge“ Platz.

Anlass des Hamburger Untersuchungsausschusses sind Vorgänge aus den Jahren 2016 und 2017. 2016 wollten Hamburger Finanzbeamte für das Steuerjahr 2009 einen Betrag von 47 Millionen Euro zunächst von der Hamburger Warburg Bank zurückfordern, die aus illegalen Cum-Ex-Geschäften stammen sollen. Doch die Behörde änderte ihre Meinung und verzichtete auf das Geld. Schon damals hatte die Staatsanwaltschaft Köln Ermittlungen eingeleitet und war sogar zu einer Razzia nach Hamburg ausgerückt.

Ende 2017 spitzte sich die Situation wieder zu. Diesmal ging es um das Steuerjahr 2010 – und einen strittigen Betrag von 43 Millionen Euro. In Hamburg gab es einen massiven Streit innerhalb der Behörde. Schließlich mussten die Hanseaten vom Bundesfinanzministerium in Berlin per Weisung gezwungen werden, die Forderungen nicht verjähren zu lassen. Der Verdacht bei Opposition und Medien: Vorherige Treffen zwischen den Bankeignern Christian Olearius und Max Warburg mit Scholz könnten zu dem Meinungswechsel in der Steuerverwaltung beigetragen haben.

Fakt ist, dass sich Scholz mehrfach mit den Warburg-Bankern getroffen und auch über das Steuerthema gesprochen hat. Scholz hatte diese Treffen nach dem Bekanntwerden der Tagebucheinträge von Olearius bestätigt.

Vor dem Untersuchungsausschuss ging Scholz nun mit ruhiger Stimme in die Offensive – und erklärte vor den Bürgerschaftsabgeordneten die Diskussion um die mutmaßliche Affäre schlichtweg als beendet. „Ich habe mich nicht in das Steuerverfahren Warburg eingemischt. Das wäre eine politische Dummheit – und dazu neige ich nicht“, sagte Scholz. Bei anderslautenden Vermutungen handle es sich um „haltlose Schauermärchen“ aus politischen Gründen. „Ich werde nicht verhehlen, dass mich das empört.“

CDU-Abgeordneter wirft Scholz „selektive Erinnerung“ vor

Nicht alle Abgeordneten nahmen ihm das ab. „Ich habe den Eindruck gewonnen, dass Sie aufgrund Ihrer selektiven Erinnerung nicht die Wahrheit sagen“, wetterte der CDU-Abgeordnete Richard Seelmaecker. Er kritisierte, dass sich Scholz an den Inhalt der Treffen mit den Bankern nicht erinnern konnte. Das sei bei dem „großen Anliegen“ unverständlich. „Gab es denn da nur Dampfplaudern im Bürgermeisterzimmer?“, fragte Seelmaecker.

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Tatsächlich berief sich Scholz auf mangelndes Erinnerungsvermögen. Drei Treffen und ein Telefonat mit den Bank-Gesellschaftern habe er mit seinem Outlook-Kalender rekonstruieren können. Bekannt geworden waren diese, weil Bank-Chef Olearius sie in einem Tagebuch festgehalten hatte, das die Staatsanwaltschaft beschlagnahmte. An Inhalte könne er sich nicht erinnern, da er sehr viele Gespräche führe. „Das Bürgermeisterbüro ist keine aktenführende Stelle“, betonte Scholz. Daher gebe es keine Unterlagen.

Scholz zitierte stattdessen aus den in Medien veröffentlichten Tagebuchauszügen, er habe keine konkreten Zusagen gemacht – und sprach viel in Konjunktiven. „Jedenfalls soll ich Herrn Olearius an die zuständigen Behörden verwiesen haben“, sagte Scholz etwa. Er deutete dabei auf den Tagebuchvermerk hin, der damalige Bürgermeister habe an die Finanzbehörde und den damaligen Finanzsenator und Scholz-Nachfolger Peter Tschentscher (SPD) verwiesen.

Er nehme an, die Darstellung im Tagebuch sei richtig, sagte Scholz: „Es wäre etwas, das ich in meinem Leben oft gemacht habe: etwas auf den Dienstweg zu verweisen.“ So vermeide er Interessenkonflikte. „Wenn ein Unternehmen an den Finanzsenator schreibt, ist das keine politische Beeinflussung“, hielt er kritischen Nachfragern vor.

Einen Beweis für die vermutete Einflussnahme haben die Abgeordneten bislang nicht. dpa

Großer Festsaal im Hamburger Rathaus

Einen Beweis für die vermutete Einflussnahme haben die Abgeordneten bislang nicht.


Das sei ebenso wie Treffen mit Wirtschaftsvertretern „nichts Besonderes“. Die Bank-Gesellschafter hätten also keine Vorzugsbehandlung erhalten – auch wenn er sich nicht erinnere: „Das kann nicht anders sein, weil ich mich in solchen Begegnungen stets korrekt verhalte.“ Zudem habe die Bank ja inzwischen ihre Steuern beglichen, sagte Scholz – wegen des Steuergeheimnisses mit Verweis auf Medienberichte. Gegen die Steuerbescheide geht Warburg allerdings rechtlich vor, ebenso wie gegen einige frühere Geschäftspartner.

Linken-Abgeordneter: „Wir haben jetzt ein Problem“

Auch von Spenden der Warburg Bank an den SPD-Kreis des damaligen Abgeordneten und einflussreichen Hamburger SPD-Manns Johannes Kahrs habe er aus Prinzip nichts gewusst. Die Hamburger SPD habe sich unter seiner Ägide strengere Regeln auferlegt als die Bundespartei. Die beinhalten, Amtsträger nicht zu informieren.

Einen Beweis für die vermutete Einflussnahme haben die Abgeordneten bislang nicht. „Wir haben jetzt das Problem, dass wir keine Spuren haben im Zusammenhang mit den Gesprächen“, räumte der Linken-Abgeordnete Norbert Hackbusch ein. Das sei ein Versäumnis von Scholz – zumal die Banker ihm gegenüber 2017 damit gedroht haben sollen, die für den Standort Hamburg wichtige Bank gerate wegen der Steuerforderung in Insolvenzgefahr.

Scholz hingegen meinte, bei solchen Terminen sei es üblich, mit Anliegen behelligt zu werden: „Die Klage gehört zum Geschäft des Kaufmanns. Wenn ich mir das immer ganz zu Herzen nehmen würde, käme ich aus dem Mitleiden nicht mehr heraus“, sagte der Finanzminister. Dennoch sei er stets offen für Treffen. Dazu bräuchten die Unternehmen keine Türöffner. Der Lobby-Einsatz ehemaliger Politiker – wie derjenige des Hamburger SPD-Urgesteins Alfons Pawelczyk für Warburg – sei vielmehr „oft peinlich“. Scholz: „Vielleicht mal ein guter Ratschlag in alle Welt: Das ist alles überflüssig.“

In den vergangenen beiden Wochen hatten bereits die Anwälte der Warburg Bank im Untersuchungsausschuss argumentiert, Treffen mit der Politik seien im kleinen Bundesland Hamburg üblich. Die Bank sieht sich zudem nicht als Steuersünder. Vielmehr sei sie selbst hintergangen worden – eine Ansicht, die die Gerichte nicht teilen. Derzeit sitzt gerade der ehemalige Generalbevollmächtigte von M. M. Warburg auf der Anklagebank des Landgerichts Bonn. Er gilt als ehemals rechte Hand von Christian Olearius.

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