Auf Empfehlung des Gesundheitsministeriums werden immer mehr Messen, Sport-Events und Konzerte abgesagt. Betroffen sind vor allem kleine Firmen.
Leeres Stadion in Dortmund
Auf die Fußball-Bundesliga könnten Geisterspiele zukommen.
Bild: imago/Eibner
Düsseldorf, Frankfurt Für den deutschen Fußball ist es eine Tragödie. Schalke gegen Dortmund – das wohl emotionalste Spiel der Bundesliga – muss am kommenden Samstag vermutlich ohne Zuschauer auskommen. Dass die Spieler nun vor leeren Zuschauerrängen auflaufen dürften, ist eine Folge der Empfehlung, die Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) am Wochenende ausgesprochen hatte. Wegen der deutschlandweiten Ausbreitung des Coronavirus sollen Veranstaltungen mit mehr als 1000 Teilnehmern abgesagt werden, so der Politiker.
Während das Revierderby immerhin noch im Fernsehen stattfindet, fallen andere Veranstaltungen ganz aus. Wichtige Branchentreffen wie die Hannover Messe wurden bereits verschoben oder gleich ganz abgesagt. Nun stehen fast alle großen Sportveranstaltungen, Konzerte und Kunstausstellungen auf der Kippe. Die Schäden durch das Coronavirus für die Veranstaltungsbranche drohen sich in den nächsten Wochen dramatisch auszuweiten.
Jens Michow, Präsident des Bundesverbands der Konzert- und Veranstaltungswirtschaft, warnt vor einem Kollaps der Industrie. So seien vor allem die rund 250 kleinen und mittelständischen Veranstaltungsbetriebe auf die Einnahmen aus den von ihnen angebotenen Events angewiesen, sagte Michow dem Handelsblatt. „Fielen mehrere Veranstaltungen hintereinander aus, könnte einigen Veranstaltern schnell finanziell die Luft ausgehen.“
Es ist ein Horrorszenario, das zumindest in Nordrhein-Westfalen schon sehr greifbar wird. Noch am Sonntagabend kündigte das bevölkerungsstärkste Bundesland an, Spahns Empfehlung landesweit umzusetzen. Davon betroffen sind zunächst einmal die großen Bundesligaspiele. Doch auch in der zweiten Liga beginnen die Vereine bereits, ihren Kartenvorverkauf zu stoppen – wie etwa beim VfL Bochum.
Die Coronakrise setzt den Sport gehörig unter Druck. Die Bundesliga muss bis Mai beendet werden, um einzelnen Klubs die Teilnahme an internationalen Wettbewerben zu ermöglichen. Große Stadtmarathons haben teure Läufer engagiert und gehen hier finanzielle Verpflichtungen ein. Deutsche Sportler, die sich auf die Olympischen Spiele im Sommer in Tokio vorbereiten, befinden sich zur Vorbereitung auf sämtlichen Kontinenten der Erde.
Die nationalen Spitzenverbände, der Deutsche Fußball-Bund (DFB), die Deutsche Fußball-Liga (DFL), der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB), sie alle wissen um die Verantwortung für ihre Sportler, aber auch um die Konsequenzen, die Absagen von Sportveranstaltungen mit sich bringen. Sportler und Vereine werden um Einnahmen gebracht, Sponsoren um Aufmerksamkeit, Fans um das Live-Event.
Für viele Sportvereine ist der Ticketverkauf eine wichtige Einnahmequelle. Laut „DFL Report“ macht das Ticketing bei Heimspielen der 1. Bundesliga im Schnitt rund 13 Prozent der jährlichen Einnahmen eines Klubs aus, die sich zudem aus Werbung, TV-Erlösen, Transfers und Merchandising zusammensetzen. In der 2. Liga sind es aufgrund weniger TV-Einnahmen schon 17 Prozent, in der 3. Liga gar 21. Prozent.
„Gerade die 3. Liga hängt am Tropf der Spieltageseinnahmen. Wenn diese wegbrechen, kann das in Zukunft auch sportliche Konsequenzen haben“, sagt Sportmarketingexperte Peter Rohlmann. Denn häufen sich Geisterspiele, könnte einem Verein im Sommer das nötige Geld für einen wichtigen Transfer fehlen. Der Experte plädiert daher dafür, dass sich im Sinne der Gleichbehandlung der Vereine DFB, DFL und die zuständigen Gesundheitsbehörden auf eine konzertierte Aktion einigen. Die Benachteiligung Einzelner durch die in den Bundesländern unterschiedlich stark ausgeprägte Coronakrise sei sonst zu groß.
Wer für den entstandenen Schaden im Zweifel aufkommt, hängt davon ab, wer die Sportveranstaltung absagt. Ist es der Klub selbst, so ist er haftbar – und meist durch sogenannte Ausfallversicherungen abgesichert. Wenn diese den Fall einer Epidemie nicht von vornherein ausgeschlossen haben. Nur wenn die Absage einer behördlichen Anordnung folgt, handelt es sich um „höhere Gewalt“ – dann sind die Versicherungen dafür zuständig, die Kosten für den Ausfall zu übernehmen.
In der Branche sorgt diese Regelung für Unsicherheit. „Viele Unternehmen überlegen noch, ob sie präventiv Veranstaltungen absagen oder ob sie das Risiko eingehen“, sagt Rechtsanwältin Laureen Schuldt von der Berliner Kanzlei CMS Hasche Sigle. „Die Empfehlung von Minister Jens Spahn stellt rechtlich keine Weisung dar, sie ist deshalb nicht verbindlich. Für die Wirtschaft ist damit noch keine Klarheit erreicht.“
Zudem ist nicht jeder Veranstalter auch automatisch mit einer eigenen Police gegen einen möglichen Ausfall abgesichert. Denn solche Spezialversicherungen sind teuer – egal ob es dabei um sportliche Großveranstaltungen, Open-Air-Konzerte oder die Verleihung der Oscars geht.
Stets handelt es sich bei einer solchen Police um ein individuelles Vertragswerk, in dem über eine Vielzahl von Seiten genau geklärt ist, bei welcher Art von Ausfall eine Entschädigung in welcher Höhe fließt. „Generell sind bei einer solchen Versicherung Ausschlüsse weit verbreitet“, heißt es bei AGCS, der Industrieversicherung der Allianz.
Der Grund dafür ist einfach: Solche Policen belasten den Gewinn einer Veranstaltung. Entsprechend werden von den Veranstaltern nur die Risiken in das Vertragswerk aufgenommen, denen eine bestimmte Wahrscheinlichkeit des Eintritts zugeschrieben wird.
Dazu gehörte der Ausbruch einer gefährlichen Krankheit bislang nicht. Erst wenige Tage vor Bekanntwerden des ersten deutschen Coronafalls im Januar hatte AGCS eine Umfrage veröffentlicht, bei der rund 2700 Experten aus über 100 Ländern nach den größten Risiken für die Industrie befragt wurden.
Erstmals stand dabei ein Cyberangriff an erster Stelle, gefolgt von Betriebsunterbrechungen, einer veränderten Rechtsprechung und Regulierung sowie dem Klimawandel. Gefahren durch Epidemien oder Pandemien kamen unter den aufgelisteten Top zwölf allerdings gar nicht vor.
Entsprechend hoch ist die sogenannte „Protection Gap“ in diesem Bereich, also der Anteil der unversicherten Fälle. Jedoch berichten Versicherer, dass mit Ausbruch des Coronavirus die Nachfrage nach einem solchen Schutz gestiegen ist.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×