Jedem dritten Profiklub in der Fußball-Bundesliga droht die Pleite. Liga-Chef Christian Seifert versucht, sie zu retten – mit allen Mitteln.
Fußball-Bundesliga-Partie zwischen dem FC Schalke 04 und dem 1. FC Köln
Viele Profiklubs sind wegen der Krise in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Bild: action press
München Manchmal hängt das Schicksal an einer Zahl. Im Fall der Fußballbundesliga lautet sie: 230 Millionen Euro. Diese Summe soll den Profiklubs das Überleben in Coronazeiten sichern.
Nach zähen Gesprächen hat der Pay-TV-Betrieb Sky das Rettungsgeld als letzte von vier Raten für Übertragungsrechte in der unterbrochenen Saison vorzeitig gewährt – das sind 80 Prozent des eigentlich verabredeten Betrags von rund 300 Millionen, der bei einem normalen Saisonverlauf eigentlich erst einige Wochen später fällig gewesen wäre. Der Deal steht im Fokus der Mitgliederversammlung der Deutschen Fußball Liga (DFL) am Donnerstag – und ist die Trumpfkarte von DFL-Chef Christian Seifert gegenüber den 36 Vereinen der ersten und zweiten Liga.
Mit der Cash-Injektion soll vom 9. Mai an der Kicker-Betrieb neun Spieltage lang weiterlaufen – mit Geisterspielen, ohne Zuschauer. Mehr erlaubt die Pandemie nicht. Und schon dieser Neustart ist ein lobbytechnisches Kunststück.
Zugleich legt die akute Krise ökonomische Schwachstellen des Systems bloß, das mit Kurzarbeit und Gehaltsverzicht, auch der Profis, reagiert hat. „Vielen steht das Wasser bis zum Hals“, sagt der Aufsichtsrat eines Erstligisten. Es fehlen nun Erlöse aus Ticketverkauf, Sponsoring und Merchandising.
Die DFL sei ein „Wirtschaftsunternehmen“ – wenn Daimler jetzt wieder anfährt, „müssen wir das auch tun können“, heißt es im Umfeld der Liga. Größte Helfer dabei sind zwei Ministerpräsidenten, die in Corona-Fragen oft streiten: Markus Söder aus Bayern und Armin Laschet aus NRW. Beide gaben öffentlich kund, sich eine Geisterrunde im Mai vorstellen zu können.
So etwas soll positiv auf Wähler wirken. „Ein Wochenende mit Fußball ist deutlich erträglicher als ein Wochenende ohne Fußball“, findet CSU-Politiker Söder, der mit Rekordmeister FC Bayern München gut betraut und Fan des 1. FC Nürnberg ist.
CDU-Kanzlerkandidat Laschet wiederum denkt an die vielen Profiklubs in seinem Revier, etwa an Schalke 04 – einen Klub mit 200 Millionen Euro Schulden und 26 Millionen Verlust. Man hatte sich einfach, mit der Sicherheit künftig fließender TV-Raten von Sky, üppige Kredite besorgt.
Mit einem Bettelbrief baten die Schalker zuletzt ihre Fans um Geld: Käufer von Logen, Tagestickets oder Dauerkarten sollten auf die Erstattung der Geisterspiele verzichten.
Schalke plant nun, nach einem üblichen Modell, die Fußballprofis aus dem eingetragenen Verein in eine gesonderte Firma auszulagern. So könnte man auch Notkredite von der Staatsbank KfW erhalten, die Vereinen nicht helfen kann. Hertha BSC Berlin dagegen, von Investor Lars Windhorst gut alimentiert, soll etwa 20 Millionen von der KfW erhalten.
Insgesamt gelten 13 der 36 Profiklubs als insolvenzgefährdet. Darunter sind Namen wie Schalke, Paderborn und Mainz aus der ersten Liga, vor allem aber Zweitligisten. Der Karlsruher SC diskutiert bereits über eine Insolvenz in Eigenverwaltung, es fehlen fünf bis zehn Millionen Euro, um die Gehälter zahlen zu können. Die jüngsten positiven Finanznachrichten der DFL sollen die Badener davon abhalten – Geschäftsführer Seifert befürchtet einen Dammbruch.
Kein Wunder, dass die Spitzen der DFL jüngst alle Klubs baten, sich mit Statements zurückzuhalten. Einige hätten sich als „Wichtigtuer“ hervorgetan. Zu sensibel ist die Lage, zu wacklig das Meinungsklima, zu brisant die Bilanz vieler Klubs – die sich erbittert um jene 20 Millionen streiten, die finanzpotente Großklubs wie Bayern München oder Dortmund als Solidarhilfe ausgereicht haben.
Nichts soll am Ende die Sky-Millionen gefährden. An Gegnern fehlt es nicht, zumal Sportarten wie Eishockey, Volleyball oder Handball zum Saisonabbruch übergingen. „Der Profifußball ist längst krank genug und gehört weiter in die Quarantäne“, erklärt der bundesweite Zusammenschluss der Ultra-Fans.
In der Politik fällt Bremens Innensenator Ulrich Mäurer (SPD) auf, der Geisterspiele „für keine gute Idee“ hält. Vor allem SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach tritt als Dauerkritiker auf: „Die Bundesliga würde mehrere Zehntausend Tests verbrauchen, die in Pflegeeinrichtungen und Schulen fehlen. Niemand braucht Brot und Spiele.“ Das sei eine „Lex Bundesliga“, befürchtet er.
Das nötige Hygienekonzept will die DFL bei der anstehenden Versammlung wohl nur grob vorstellen. Auch hier Geheimhaltung. Sicher ist: Alle Spieler müssten in strikter Quarantäne leben und vor Einsätzen genau gecheckt werden. Mindestens 20.000 Tests sind nötig – Schalke-Präsident Clemens Tönnies bietet an, in den Laboren seines Fleischbetriebs zu Diensten zu sein.
Bei einer Positiv-Meldung jedenfalls würde sofort der Streit einsetzen, wer noch spielen darf. So ist ein Start der Liga am 9. Mai wahrscheinlicher als ihre Durchführung bis zum Ende. Wenn irgendwann abgebrochen werden muss, hat man wenigstens das Geld von Sky kassiert.
Sky-Deutschlandchef Devesh Raj stimmte dem Deal nur zu, weil er nun Topchancen hat, beim nächsten Vierjahresvertrag (2021/22 bis 2025/26) zum Zug zu kommen. Das überzeugte auch seinen hart gesottenen Arbeitgeber, den Comcast-Konzern der Familie Roberts aus Philadelphia. Im Sommer wird mit der DFL fertig verhandelt.
Um auf Nummer sicher zu gehen, setzt Liga-Chef Seifert auch auf einen „Plan B“. Er verhandelte mit mehreren Banken und hat nun die Finanzfirma Nomura gewonnen. Sie soll für einen Notfall Kreditpakete von Investoren organisieren. Die Japaner haben so etwas für die Formel 1 diskret erledigt.
Es stellen sich jenseits solcher Finanzdeals aber noch ganz andere Fragen. „Die Bundesliga war eine Schönwetterveranstaltung“, wettert ein Klub-Manager, „man organisierte sich Geld und verheizte es für Transfers. Dieses Modell ist ausgereizt.“
Ein Notfallfonds beim DFL ist genauso im Gespräch wie Gehaltsdeckelungen oder eine noch stärkere Beachtung von Nachwuchsquoten zur Förderung von Spielern aus der eigenen Jugend der Klubs. Von einer „Gratwanderung“ beim Neustart spricht Seifert: „Die Politik vertraut uns und wir – vor allem die Spieler – müssen jetzt Vorbild sein.“
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