Der Dienstleister Digital Charging Solutions vermittelt Ladesäulen – und kämpft dabei gegen viele fehlerhafte Daten. Noch ist es ein Zuschussgeschäft.
Erste Ultraschnellladestationen an der A20
DCS vereinfacht das Laden von Elektroautos. Ionity-Ladestationen der Beteiligten des Joint Ventures würden dabei nicht bevorzugt.
Bild: dpa
Düsseldorf Es könnte so einfach sein, Elektroautos aufzuladen: Die Navigation steuert den Fahrer zielgenau zu einer Ladesäule. Die Säule erkennt automatisch, wer am Steuer sitzt, und berechnet die genaue Ladezeit. Abgerechnet wird über eine App mit transparentem Preis – und die Fahrt geht weiter. Für Tesla-Besitzer ist das bereits Realität.
Für alle anderen Elektroautofahrer ist der Ladealltag deutlich komplizierter. Wer lange Strecken fährt, muss eine freie Ladesäule finden, hoffen, dass die Ladestationen nicht defekt sind, und immer eine Handvoll Ladekarten zum Freischalten dabeihaben.
Der Dienstleister Digital Charging Solutions (DCS), eine Ausgründung von Autobauer BMW, will wie Tesla alle Bereiche des Ladens zusammenführen und vereinfachen. In der App „Charge Now“ können E-Auto-Fahrer Ladesäulen finden, in ihre Route integrieren und den geladenen Strom abrechnen. Nur das automatisierte Freischalten und Abrechnen der Ladestationen direkt über das Auto bietet Tesla damit noch exklusiv an. Für jede Ladung kassiert DCS eine Vermittlungsgebühr.
DCS ist heute ein Joint Venture mit Mercedes und BP, alle halten jeweils ein Drittel der Anteile. Allein im ersten Halbjahr 2022 ist die Zahl der Kunden von DCS nach eigenen Angaben um fast 39 Prozent gestiegen, die Zahl der Transaktionen um knapp 51 Prozent.
Absolute Kundenzahlen nennt das Unternehmen nicht, das 2021 laut Creditreform 32 Millionen Euro Umsatz gemacht hat. Marktanteile wolle man für sich behalten, man sei aber Marktführer, sagte Geschäftsführer Jörg Reimann dem Handelsblatt.
Während DCS in der Vergangenheit einen Hauptteil seines Umsatzes mit der Entwicklung von Ladekarten und Apps für die Anteilseigner und andere Autohersteller machte, würden nun die Ladeumsätze zunehmend an Bedeutung gewinnen.
Anders als Tesla, das seine Supercharger selbst betreibt, ist Charge Now nur Vermittler für aktuell 850 Partner – vom kleinen Stadtwerk bis zum herstellereigenen Schnellladenetzwerk Ionity. Durch das Netzwerk hat DCS Zugriff auf 300.000 Ladepunkte.
Die Ladesäulen der DCS-Anteilseigner oder bestimmter Kunden würden dabei nicht bevorzugt, heißt es von dem Unternehmen. Die Ionity-Ladestationen, die zu einem Konsortium um Mercedes, BMW und weitere Autohersteller gehören, würden genauso angezeigt wie jede andere Ladesäule.
Die Vermittlung von Ladesäulen sei vor allem ein Kampf um Daten, macht DCS-Chef Reimann deutlich. Denn der Service von DCS ist nur so gut wie die Ladesäulen der Partner. Diese liefern Daten zu Standort, Ladeleistung und Verfügbarkeit. Gerade die Frage, ob eine Ladesäule belegt oder defekt ist, kann bei der Routenplanung entscheidend sein.
Doch mitunter fehlen DCS diese Daten. „Etwa 30 bis 40 Prozent der Daten, die wir bekommen, müssen wir nachqualifizieren, damit sie unseren Anforderungen entsprechen“, erklärt Reimann. „Wir können die Anzeige defekter Ladesäulen nicht ausschließen.“
Reisende mit Elektroautos müssen also, auch wenn sie Charge Now nutzen, für den Notfall immer genügend Restreichweite einplanen, um bei Ausfall der Ladesäule eine Ausweichstation zu erreichen. Das empfiehlt der ADAC genauso auch für Planungsapps wie „A better Routeplanner“ oder „Pump“. Damit ist das Laden eines Elektrofahrzeugs heute noch deutlich komplizierter als das Tanken eines Verbrenners. Das sollte sich nach Ansicht des ADAC möglichst bald ändern.
Um das Laden über die Charge-Now-App für die Kunden zuverlässiger und einfacher zu machen, muss DCS die Daten händisch nachpflegen. Das ist aufwendig und teuer. Aktuell beschäftigt die Firma 200 Mitarbeiter – und ist gerade erst in größere Büros in Berlin umgezogen.
Für eine genaue Routenplanung müssen die Daten außerdem in die Navigationssysteme der Ladepartner integriert werden. Hier sieht Reimann ein Alleinstellungsmerkmal seines Unternehmens. „Wir haben eine hohe Integrationskompetenz in die Automobilhersteller und ihre Fahrzeuge.“
Doch ein Problem bei den Daten gibt es auch hier: Die Hersteller spielen keine realen Ladekurven ihrer Elektrofahrzeuge an DCS zurück. Während Tesla im eigenen Navigationssystem sehr realistische Ladezeiten angeben kann, arbeitet DCS mit den offiziellen, öffentlich bekannten Datenblättern der Hersteller, um Ladezeiten verschiedener Modelle zu kalkulieren. „Wir sind nicht die Speerspitze der Entwicklungsabteilung der Autobauer, sondern ein eigenständiges Unternehmen im Markt“, erklärt Reimann.
Bislang ist DCS für die Anteilseigner BMW, Mercedes und BP noch ein Zuschussgeschäft. 2020 lag der Fehlbetrag in der Bilanz bei 27 Millionen Euro. Dieser resultierte aus Investitionen in die Markterschließung und den Aufbau des Partner-Netzwerkes, heißt es von DCS. Reimann sagt: „Diesen Anfangsinvestitionen standen aufgrund des langsamen Absatzes von Elektroautos in Europa noch sehr geringe Umsätze aus Ladevorgängen gegenüber.“
Reimann betont jedoch, man verfolge „ein Geschäftsmodell, das auch so gestaltet ist, dass eine nachhaltige Profitabilität sich sehr bald einstellen wird“. Das ist wohl auch dringend nötig: Von einigen Geschäften wie dem Carsharing haben BMW und Mercedes sich zuletzt getrennt, weil sie keine schnellen Erfolge mehr erwarteten.
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DCS setzt auf Wachstum und will das Geschäft mit Flotten- wie Privatkunden ausbauen. Der Markt für gebrauchte Elektroautos werde zulegen, nicht alle Käufer würden dann auf die Ladekarten der Hersteller setzen. „Das wird in Zukunft nach unserer Einschätzung ein großes und lukratives Marktsegment“, so Reimann.
Mit der Anzahl der verkauften Elektroautos steigt auch die Nachfrage nach öffentlichen Ladestationen und damit nach Ladediensten. 2020 kamen laut einer aktuellen KfW-Studie deutschlandweit acht Elektroautos auf eine Schnellladesäule, 2022 sind es bereits 23 Fahrzeuge.
Selbst wenn Elektroauto-Fahrer künftig einfacher laden können, haben sie weiterhin ein Problem: An der Tankstelle zahlen alle den gleichen Preis, an der Ladesäule unterscheiden sich die Preise deutlich. Hersteller locken Käufer mit vergünstigten Ladetarifen, Fremdkunden drohen – wie beim Schnellladenetz Ionity – oft empfindliche Aufschläge.
„Beim Thema Preistransparenz sind wir noch nicht da, wo die Branche hinmuss“, gibt auch Reimann zu. Eine Preisdeckelung wie beim geplanten Deutschlandnetz sei dafür aber nicht die richtige Lösung. Damit ließe sich guter Service nicht mehr monetarisieren.
„Was bringt ein günstiger Tarif, wenn die Säule beispielsweise nicht auffindbar oder belegt ist“, sagt Reimann. Daher solle man die Investitionen in diesem Bereich nicht durch Regulierung einschränken.
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