PremiumVor 15 Jahren begann Said Hammouche seine Mission für mehr Vielfalt in französischen Belegschaften. Heute zählen internationale Konzerne zu seinen Kunden.
Said Hammouche
Hammouche gründete Mozaik RH, eine Organisation, um Talente aus sozial schwachen Schichten an Firmen zu vermitteln.
Paris Das Büro von Said Hammouche befindet sich im vierten Arrondissement, ein vornehmes Viertel im Zentrum von Paris. Hammouche sitzt dort an einem Konferenztisch und erzählt von einem Freund, der in einer ganz anderen Welt aufgewachsen ist: in den nördlichen Vororten der Hauptstadt. Die Banlieue mit ihren Hochhaussiedlungen ist für viele Franzosen ein Synonym für Kriminalität und Integrationsprobleme.
Der Freund, berichtet Hammouche, habe eine der besten Ingenieurschulen des Landes mit Topnoten abgeschlossen. Dennoch habe er wegen seiner Vorstadtbiografie und seiner maghrebinischen Abstammung große Schwierigkeiten bei der Jobsuche gehabt. Es waren Erfahrungen wie diese, die Hammouche vor etwa 15 Jahren zu dem Entschluss brachten, für eine neue Einstellungspraxis in französischen Unternehmen zu kämpfen.
Hammouche gründete damals eine Organisation, um Talente aus sozial schwachen Schichten an Firmen zu vermitteln und so die Chancengleichheit in der französischen Arbeitswelt zu fördern. Mittlerweile ist daraus Mozaik RH geworden, eine schnell wachsende Personalagentur mit internationalen Konzernen als Kunden.
„Heute sieht die Wirtschaft Vielfalt als Trumpfkarte“, sagt Hammouche. Der 50-Jährige versteht sich als eine Art sozialer Headhunter, um den eigenen Profit gehe es ihm nicht: Mozaik RH ist ein gemeinnütziges Unternehmen. Die Gewinne fließen in eine Stiftung, die gegen Diskriminierung vorgeht und das Ziel eines „inklusiven Arbeitsmarkts“ verfolgt.
Das Engagement stößt auch auf große Aufmerksamkeit in der Politik. Erst Ende November organisierte Mozaik mit der französischen Regierung eine Konferenz zur Förderung von sozialer und kultureller Vielfalt in Unternehmen. Wirtschaftsminister Bruno Le Maire hob dort den Beitrag von Akteuren wie Mozaik hervor und gab das Ziel aus: „Frankreich muss die Nation der Inklusion werden.“
In einer im September veröffentlichten Umfrage der Marktforschungsfirma Sapio Research erklärten 76 Prozent der französischen Unternehmenslenker, dass Fragen der Diversität und Inklusion wichtig seien. Und 71 Prozent der befragten Chefs gaben an, ein Budget für Maßnahmen in diesem Bereich bereitzustellen.
Die Antidiskriminierungsgesetze sind in Frankreich über die Jahre verschärft worden. Es gibt auch ein staatliches Diversity-Label für Unternehmen, die bei der Rekrutierung und der Personalentwicklung besonders auf die Gleichstellung achten. Eine Analyse des französischen Wirtschafts- und Finanzministeriums zeigt allerdings, dass noch viel zu tun bleibt.
„Verschiedene Studien bestätigen, dass die Diskriminierungen auf dem französischen Arbeitsmarkt weiterexistieren“, heißt es in dem Papier vom November. Das Ministerium führt darin unter anderem eine Untersuchung von Bewerbungsverfahren an, die ein internationales Wissenschaftlerteam um den US-Soziologen Lincoln Quillian veröffentlichte: Demnach haben als weiß wahrgenommene Franzosen mit ihrer Kandidatur eine bis zu doppelt so hohe Chance wie Angehörige von Minderheiten, zu einem Bewerbungsgespräch eingeladen zu werden.
In den Vierteln mit hohem Migrationsanteil „gebe es viele junge Leute, die Lust darauf haben, erfolgreich zu sein“, sagt Hammouche. „Die sehr intelligent sind, studieren oder eine Ausbildung machen. Doch man spricht immer nur über diejenigen, die kriminell werden.“
Das zeigt sich gerade wieder im Präsidentschaftswahlkampf. Am rechten Rand machen die Kandidaten Marine Le Pen und Éric Zemmour Stimmung gegen Einwanderer und Muslime. Und die Kandidatin des bürgerlich-konservativen Lagers, Valérie Pécresse, holte kürzlich den „Kärcher“ aus dem Keller – mit dem Bild des Hochdruckreinigers aus deutscher Produktion hatte einst schon Präsident Nicolas Sarkozy angekündigt, die Vorstädte zu säubern.
Hammouche kennt diese Vorurteile: Er kommt aus der Pariser Vorstadt Bondy, wuchs in einer Arbeiterfamilie auf. Seine Eltern stammen aus Marokko. In seiner Jugend war er ein erfolgreicher Judoka. Mit 16 Jahren erhielt er die französische Staatsbürgerschaft, um an den nationalen Meisterschaften teilnehmen zu können. Die Statur eines Kampfsportlers hat er bis heute.
Sein Studium finanzierte sich Hammouche mit Jobs in Schnellrestaurants, nach dem Abschluss in Betriebswirtschaft und Personalwesen arbeitete er für das französische Bildungsministerium. Dort verfestigte sich sein Eindruck, dass nicht gute Zeugnisse über den beruflichen Erfolg entscheiden – sondern die Herkunft. „Wenn man nur über Netzwerke oder die Eltern an die guten Jobs kommt, dann ist das ein Problem“, sagt er.
Mit der Gründung der französischen Antidiskriminierungsbehörde im Jahr 2005 wuchs der Druck auf Unternehmen, den Stellenbewerbern unabhängig von Namen oder Geburtsort die gleichen Chancen zu geben. „Der nächste Schritt war herauszufinden, wo man geeignete Kandidaten findet, um Unternehmen diverser zu machen“, sagt Hammouche. „Da hatten wir die Idee einer Personalvermittlung, die sich auf diese Fälle spezialisiert.“
2007 startete er Mozaik, zunächst als gemeinnützigen Verein. Dann wurde das Netzwerk Ashoka, das weltweit soziales Sozialunternehmertum fördert, auf ihn aufmerksam. „Ich kannte damals den Begriff des Social Entrepreneurs gar nicht“, sagt Hammouche. „Aber es ist ein Konzept, das mir sofort zugesagt hat.“
Mozaik hat heute mehr als 80 Angestellte. Die Personalagentur vermittelte zuletzt jährlich rund 2000 Kandidaten mit Hochschulabschluss, viele davon in Führungslaufbahnen. Mozaik veranstaltet auch Schulungen in Betrieben und prüft für Unternehmen, wo diese noch Nachholbedarf beim Thema Diversity haben.
Zu den Kunden zählen große Konzerne wie Total und Sanofi, aber zunehmend auch mittelständische Firmen. „Es ist viel in Bewegung“, sagt Hammouche. „Unternehmen positionieren sich inzwischen klar für mehr Diversität.“ Das liege nicht zuletzt auch am Druck der Konsumenten und Investoren, die diese Personalpolitik einfordern würden.
Als weiteren Grund für den Wandel führt Hammouche an, dass sich die französischen Eliten erneuern würden. Für die jüngere Managergeneration gehöre Diversität in der Belegschaft dazu. Und es gebe immer mehr Menschen mit Migrationshintergrund in Führungspositionen, die bei der Personalauswahl auf diese Themen achten würden. Schließlich trage auch der Fachkräftemangel etwa in der Tech-Branche dazu bei, dass bei den Bewerbern zunehmend die Kompetenzen und nicht der Stammbaum zählen würden.
Mozaik hat mehrere Außenstellen in Frankreich eröffnet: in Lille, Lyon, Toulouse und Nantes. Außerdem setzt Hammouche auf die Internetpräsenz seiner Personalagentur. In diesem Jahr, sagt er, wolle er das digitale Angebot auch auf Deutschland ausweiten. Derzeit sei man auf der Suche nach Partnern in der Bundesrepublik.
Das gutbürgerliche Gebäude nahe der Pariser Bastille, in dem Hammouche über seine Pläne spricht, entwickelt sich derweil zu einem Drehkreuz für das soziale Unternehmertum in der Hauptstadt. In den vergangenen Jahren haben sich hier weitere gemeinnützige Firmen und Organisationen angesiedelt, die Minderheiten in Frankreich den sozialen Aufstieg ermöglichen wollen. Es ist eine Art Bürogemeinschaft über mehrere Etagen, die unter dem französischen Namen „Ascenseur“ firmiert. Auf Deutsch: Fahrstuhl.
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