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26.01.2023

16:48

Diversität

Investoren fordern mehr Frauen und Ausländer in Führungsgremien deutscher Unternehmen

Von: Tanja Kewes

Der Druck von Geldgebern steigt: Unternehmen riskieren den Zugang zu Eigenkapital zu verlieren, wenn ihre Diversitätsanforderungen nicht genügen.

Einer Studie zufolge tun deutsche Unternehmen gut daran, sich bei ihren Diversitätsbemühungen nicht nur auf das gesetzliche Mindestmaß zu beschränken. Imago/Westend61

Geschäftstreffen

Einer Studie zufolge tun deutsche Unternehmen gut daran, sich bei ihren Diversitätsbemühungen nicht nur auf das gesetzliche Mindestmaß zu beschränken.

Düsseldorf Es ist nicht mehr länger nur die Politik, die mit gesetzlichen Vorgaben wie der Frauenquote den Druck auf deutsche Unternehmen erhöht, für mehr Vielfalt in ihren Spitzengremien zu sorgen. Verstärkt fordern das auch Investoren.

„Wir drängen zunehmend darauf, dass sich deutsche Unternehmen in ihren Führungsgremien vielfältiger aufstellen“, sagt Antje Stobbe, Head of Stewardship bei Allianz Global Investors und damit verantwortlich für das Abstimmungsverhalten auf rund 200 Hauptversammlungen im Jahr in Deutschland und 10.000 weltweit. Sie fügt hinzu: „Wir sind überzeugt, dass Unternehmen mit vielfältig besetzten Führungsgremien bessere Ergebnisse liefern und innovativer sind.“

Es ist nicht nur Allianz Global Investors, die den Druck erhöht. Einer Studie zufolge tun deutsche Unternehmen insgesamt gut daran, sich bei ihren Diversitätsbemühungen in der Zusammensetzung von Spitzengremien nicht nur auf das gesetzliche Mindestmaß zu beschränken.

Laut der Initiative „Investors for Diversity“, einem Expertennetzwerk der Hochschule für Wirtschaft und Recht (HWR) in Berlin, stellen mittlerweile 73 Prozent der 30 einflussreichsten institutionellen Investoren im deutschen Markt entsprechende Anforderungen an ihre Portfoliounternehmen. Das ist eine deutliche Zunahme.

Im Jahr 2020, als die Studie, die vom Bundesministerium für Familie gefördert wird, das erste Mal erstellt wurde, tat das nur jeder zweite Investor. Im Rahmen der Studie wurden die Anlagerichtlinien von 30 Geldgebern untersucht, die 2022 über 23 Prozent der Gesamtstimmrechtsanteile im Dax und MDax verfügten und damit für ein Anlagevolumen von rund 490 Milliarden Euro stehen. Neben Allianz Global Investors zählen zu ihnen J.P. Morgan, Vanguard und Blackrock.

Ohne Vielfalt kein neues Kapital

Die Unternehmen, die den gestiegenen Diversitätsanforderungen der Investoren nicht genügen, riskieren, den Zugang zu Eigenkapital zu verlieren oder schlechtere Abstimmungsergebnisse auf den Hauptversammlungen zu erzielen. „Der Druck ist deutlich gestiegen“, sagt Philine Sandhu, die Akademische Leiterin des Aufsichtsratsprogramms der HWR und Co-Autorin der Studie.

Dabei würde zunehmend eine stärker gemischte Zusammensetzung der Aufsichtsräte und Vorstände angestrebt, die der Strategie und dem Geschäftsmodell des Unternehmens besser entspricht. „Damit kommt der professionelle Hintergrund und die Nationalität der Mitglieder stärker in den Blick“, sagt Sandhu.

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Expertin Sandhu sagt: Die Unternehmen müssten nicht nur mehr Vielfalt in ihren obersten Führungsgremien liefern, sondern auch insgesamt mehr Transparenz – etwa in Hinblick auf ihre grundsätzliche Diversitätsstrategie. Konzerne sollten stärker offenlegen, inwieweit Geschlecht, Herkunft, Alter oder andere Diversitätsaspekte bei der Rekrutierung von neuen Vorständen und Aufsichtsräten berücksichtig würden.

Der Druck der Investoren nimmt häufig das vorweg, was gesetzlich geregelt ist. Mehr Durchblick dürfte die europäische Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) bringen, die ab 2024 auch für die Nachhaltigkeitsberichte vieler deutscher Unternehmen gelten wird.

Im Rahmen der Studie wurden die Anlagerichtlinien von 30 Geldgebern untersucht. Neben Allianz Global Investors zählen zu ihnen J.P. Morgan, Vanguard und Blackrock. Reuters

Allianz Global Investor

Im Rahmen der Studie wurden die Anlagerichtlinien von 30 Geldgebern untersucht. Neben Allianz Global Investors zählen zu ihnen J.P. Morgan, Vanguard und Blackrock.

Das dürfte nicht die letzte Regelung in diesem Bereich bleiben. Bundesfamilienministerin Lisa Paus lud zur Präsentation der Studie zahlreiche Investorenvertreter ein. Dazu zählten neben Antje Stobbe unter anderem Ingo Speich (Deka), Birgit Ludwig (Blackrock) und Hendrik Schmidt (DWS); außerdem der Nachhaltigkeitsbeauftragte der Deutschen Börse, Nicolaus Heinen, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, Marc Tüngler, sowie die Multiaufsichtsrätinnen Simone Menne und Janina Kugel.

Ihnen wurde nahegelegt, auf die Unternehmen einzuwirken. So empfahl Sandhu: „Mit Ihrem Gewicht können Sie die immer noch recht ausgeprägte Homogenität der Führungsgremien in den deutschen börsennotierten Unternehmen weiter aufbrechen.“ Beispielsweise indem sie darauf drängten, „mehr internationale Perspektiven und unterschiedliche Ausbildungshintergründe einzubeziehen oder die Repräsentanz ethnischer Minderheiten zu forcieren“.

Beim Abstimmungsverhalten bleiben die Investoren bisher häufig hinter ihren eigenen Vorgaben zurück. Die Studie zeigt, dass die untersuchten institutionellen Investoren ihre Einflussmöglichkeiten für mehr Geschlechterdiversität in 53 Prozent der Fälle 2022 nicht genutzt haben. Sie stimmten also etwa nicht gegen einen männlichen Kandidaten, auch wenn dies ihren eigenen Richtlinien widersprach, oder nutzten ihre Stimme nicht.

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Antje Stobbe erklärt: „Grundsätzlich versuchen wir im Vorfeld, unseren Einfluss für mehr Vielfalt geltend zu machen. Wenn wir mit der Zusammensetzung oder dem Fortschritt nicht zufrieden sind, dann votieren wir auf der Hauptversammlung gegen den Vorsitz des Nominierungsausschusses.“ So passiert sei das zuletzt auf dem Aktionärstreffen der Swiss Life. Dort habe Allianz Global Investors in Hinblick auf Geschlechtervielfalt gegen die Wiederwahl eines Ausschussvorsitzenden votiert.

Einfalt in der Vielfalt: Vor allem mehr Frauen

Die konkreten Anforderungen an Geschlechterdiversität haben sich im Vergleich zu 2020 vielfach erhöht. So fordert mittlerweile fast die Hälfte der Investoren einen Frauenanteil von mindestens 30 Prozent im Aufsichtsgremium. Im Jahr 2020 traf das gerade mal auf fünf Investoren zu.

In den Anlagerichtlinien von J.P. Morgan liegt der geforderte Anteil sogar bei 33 Prozent, BNP Paribas hat zudem für das laufende Jahr die Anforderung von 40 Prozent angekündigt – ein Plan, dem sich UBS bis 2025 anschließen will.

Die Anlagerichtlinien übertreffen damit nur in Ausnahmen die Gesetzeslage. Das hierzulande geltende Führungspositionen-Gesetz schreibt für börsennotierte und paritätisch mitbestimmte Unternehmen in den Aufsichtsräten eine Geschlechterquote von 30 Prozent vor. Zudem gilt in Vorständen, die aus mehr als drei Mitgliedern bestehen, ein Mindestbeteiligungsgebot von einer Frau. Zu anderen Gruppen wie Ausländern, Altersdurchschnitt oder Ausbildung gibt es bisher keine Vorgaben.

Die Vielfaltsdebatte ist in Deutschland zudem weiterhin stark auf die Geschlechterdimension verengt. Dabei hatten Analysten erwartet, dass Investoren im Jahr 2022 auch weitere Dimensionen in den Blick nehmen würden. Doch bisher sind konkrete Anforderungen etwa zur ethnischen Diversität im Aufsichtsrat nur in einzelnen Fällen zu finden, so etwa in den Richtlinien von Artisan Partners. Die DWS schreibt, dass sie eine Altersdiversität und eine bessere Vertretung unterrepräsentierter Minderheiten „begrüßt“.

Marc Tüngler, der Hauptgeschäftsführer der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz, fordert, dass Vorstände und Aufsichtsräte auch in Hinblick auf Herkunft, Alter, Ausbildung und Kompetenz breit aufgestellt sind.

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