Holt wollte nicht nur mit fiktiven Windparks, sondern auch mit Corona Geld verdienen. Vor Gericht muss sich deshalb Ex-Minister Jens Spahn erklären.
Hendrik Holt
Der Emsländer steht wegen des versuchten Betrugs in Millionenhöhe bei der Beschaffung von Corona-Schutzmasken vor Gericht.
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Osnabrück, Düsseldorf Es war ein ungewöhnlicher Auftritt für Ex-Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). In Begleitung von zwei Personenschützern betrat der Unionsfraktionsvize am Dienstag um 11 Uhr den Saal 272 des Landgerichts Osnabrück. Spahn nahm gegenüber dem Vorsitzenden Richter Norbert Carstensen Platz. Dann sprach er über den Beginn der Coronapandemie.
„Wir befanden uns in einer akuten Mangellage und benötigten dringend Masken“, sagte Spahn. Um den Bedarf zu decken, nahm die Bundesregierung enorme Kosten in Kauf. Das habe Hunderte Unternehmer auf den Plan gerufen, die ihre Waren anboten. Er habe „40 bis 50 Entscheidungen“ über die Maskenbeschaffung getroffen, sagte Spahn – und zwar täglich.
Der Mann, wegen dem der Ex-Minister sich nun vor Gericht erklären musste, saß auf der Anklagebank links von ihm. Der 32-Jährige Hendrik Holt saß regungslos da und starrte vor sich hin, während Spahn dem Richter versicherte, dass er sich weder an ein Gespräch noch an ein Treffen mit Holt erinnern könne.
Holt schrieb als Windkraft-Betrüger Geschichte. Das Landgericht Osnabrück hat ihn im Mai 2022 zu siebeneinhalb Jahren Haft verurteilt, weil er den Energiekonzernen CEZ, SSE und Enel Projekte verkauft hatte, die nur auf dem Papier existierten. Nun steht Holt wieder wegen versuchten Betrugs vor Gericht. Er soll Spahn im Frühjahr 2020 Millionen FFP-Masken angeboten haben, obwohl es diese nie gab.
Holt galt damals als Wunderkind der Windbranche. Der vermeintlich erfolgreiche Jungunternehmer aus dem Emsland trug Rolex, fuhr Bentley Mulsanne und ließ sich in Meldungen seines Kommunikationsbüros zu angeblichen Projekten in Andorra und Simbabwe mit einem falschen Doktortitel zitieren.
Jens Spahn (rechts)
Der ehemalige Bundesgesundheitsminister kam mit Personenschützern zum Sitzungssaal vom Landgericht Osnabrück.
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Im Frühjahr 2020 wollte Holt sein Geschäft offenbar ausweiten. Ende März 2020 habe er eine Mail von Holts Cheflobbyist Benedikt Pöttering erhalten, erzählte Spahn am Dienstag vor Gericht. Pöttering, Sohn des CDU-Politikers und ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Hermann Pöttering, hatte mit Holt die Lobbyfirma „Holt Energy AG“ gegründet.
Heute ist die Mail ein wichtiges Beweisstück, Richter Carstensen verlas sie am Dienstag. Er habe die Möglichkeit, mehrere Millionen Masken zu besorgen, schrieb Pöttering demnach an Spahn. Holt und er stünden für „die Zuverlässigkeit der Lieferung und der Waren“ ein. Die Mail an seinen Duzfreund Spahn schloss Pöttering mit: „Hoffe, wir können helfen.“
Ihre Hilfe wollten Holten und Pöttering sich üppig vergüten lassen. Sie unterbreiteten dem damaligen Gesundheitsminister ein Angebot über 42 Millionen Euro, von denen 17 Millionen Euro als Vorschuss gezahlt werden sollten. Angebote wie dieses, so Spahn, habe er zu der Zeit „hundertfach bekommen“.
Die Staatsanwaltschaft ist jedoch überzeugt, dass Holt „weder willens noch in der Lage“ gewesen sei, die Masken zu liefern. Es soll dem Hochstapler lediglich darum gegangen sein, „den geforderten Vorschuss ohne Gegenleistung zu vereinnahmen“. Ein Anklagepunkt lautet deshalb auf versuchten Betrug in einem besonders schweren Fall.
Am 5. April lehnte Spahn den Maskendeal ab. Weil „zu dem Zeitpunkt kein Bedarf mehr an weiteren Vertragspartnern für FFP2-Masken“ bestanden habe, sagte der CDU-Politiker am Dienstag vor Gericht, habe er sich nicht weiter mit dem Angebot beschäftigt. Spahn: „Für mich war die Mail der Abschluss der ganzen Sache. Damit war das für mich beendet.“
Eine Woche nach Spahns Absage stürmten Polizisten Holts Luxussuite im Berliner Nobelhotel Adlon und nahmen ihn wegen seiner erfundenen Windpark-Geschäfte fest.
In dem Prozess zwei Jahre später ging es am Rande auch um das Maskenangebot. Holt behauptete, er habe sich sogar mit Spahn getroffen. Und dass der Minister ihm gegenüber angedeutet habe, dass er von dem Geschäft profitieren wolle. Spahn erstatte daraufhin selbst Anzeige.
Der Ex-Minister betonte am Dienstag noch einmal, dass es das von Holt beschriebene Treffen nie gegeben habe. Die Staatsanwaltschaft wirft Holt in ihrer Anklage neben dem versuchten Betrug auch falsche Verdächtigung und Verleumdung einer Person des politischen Lebens vor. Lobbyist Pöttering hingegen sei lediglich ein „vorsatzloses Werkzeug“ gewesen, dessen Holt sich bedient habe.
Holt hatte sich am Montag erstmals zur Anklage geäußert. Er versicherte, dass es bei dem Maskenangebot um „ein normales, redliches Geschäft“ gegangen sei. Mit Blick auf das angebliche Treffen mit Spahn zeigte Holt sich hingegen weniger sicher. Er könne nicht mehr sagen, wann es stattgefunden habe. Auch was Spahn genau gesagt habe, wisse er nun nicht mehr so genau.
Die Verhandlung wird am 20. März fortgesetzt.
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