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16.01.2023

15:10

Braunkohletagebau

Verbliebene Aktivisten verlassen Tunnel unter Lützerath

Auch die letzten zwei Klimaaktivisten haben die Tunnel verlassen. Die Räumung des Dorfes am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler ist somit abgeschlossen.

Zunächst war nicht absehbar gewesen, wie lange es dauern würde, die zwei Klimaaktivisten aus dem Gang unter der Erde rauszuholen. dpa

Aktivisten verlassen Lützerath

Zunächst war nicht absehbar gewesen, wie lange es dauern würde, die zwei Klimaaktivisten aus dem Gang unter der Erde rauszuholen.

Erkelenz Fünf Tage nach Beginn der Räumung von Lützerath haben zwei noch verbliebene Klimaaktivisten einen unterirdischen Tunnel unter der Siedlung verlassen. Sie galten als letzte Besetzer von Lützerath.

Das Ende des einstigen Dorfes am Rande des Braunkohletagebaus Garzweiler im Westen von Nordrhein-Westfalen steht damit unmittelbar bevor. Die Räumung sei beendet, teilten sowohl der Energiekonzern RWE als auch eine Sprecherin der Aktivisten-Initiative „Lützerath Lebt“ am Montag mit.

Die Polizei hatte bereits am Sonntag erklärt, dass die Räumung abgeschlossen sei - bis auf die zwei Aktivisten im Tunnel. RWE will den „Rückbau“ von Lützerath nach eigenen Angaben schon in den kommenden Tagen abschließen.

Zunächst war nicht absehbar gewesen, wie lange es dauern würde, die Aktivisten aus dem Gang unter der Erde rauszuholen. Die Werkfeuerwehr von RWE hatte die als „Rettung“ bezeichnete Aktion übernommen. „RWE ist erleichtert, dass die lebensbedrohliche Situation auf diese Weise beendet wurde“, teilte der Energieversorger mit.

Die beiden Aktivisten seien am Ende freiwillig gegangen. „Eine Rettung aus dem Tunnel gegen den angekündigten Widerstand der Personen wäre mit hohen Risiken verbunden gewesen, auch für die Rettungskräfte“, hieß es. Experten seien hinzugezogen worden, um die beiden davon zu überzeugen, selbst wieder aus dem Tunnel herauszukommen.

Auch die Lützerath-Aktivisten erklärten auf Twitter, dass die beiden Personen den Tunnel „selbst“ verlassen hätten. „Tausend Dank für euren lebensgefährlichen Einsatz gegen die Braunkohle & Kapitalismus“, schrieben sie. „Die beiden wollen auf jeden Fall auch der Öffentlichkeit sagen: Sie sind sich gut bewusst, was sie getan haben“, sagte eine Sprecherin der Initiative „Lützerath Lebt“.

Sie seien auf ihre Situation gut vorbereitet gewesen und hätten eigentlich auch noch länger bleiben können. „Auf mich wirkten die erstmal körperlich fit“, sagte sie. Sie dürften das Gelände nach ihren Informationen nun verlassen und sich frei bewegen. Die beiden Aktivisten selbst sprachen zunächst nicht vor Journalisten.

Räumung von Tunneln grundsätzlich schwierig

Wie lange die beiden genau in dem Tunnel ausgeharrt hatten, war zunächst unklar. Ein Video zweier vermummter Personen auf der Plattform Youtube hatte seit Donnerstag für Aufsehen gesorgt. „Pinky“ und „Brain“ gaben darin an, sich in dem Tunnel unter Lützerath aufzuhalten. Der Tunnel sei eine sehr effektive Verteidigungsform gegen eine Räumung, argumentierten sie.

Es sei viel schwieriger, einen Tunnel zu räumen als etwa ein Baumhaus. Die Polizei hatte erklärt, dass man Hinweise habe, dass das Video authentisch sei.

Braunkohleabbau

Klimaaktivisten verlassen Tunnel unter Lützerath

Braunkohleabbau: Klimaaktivisten verlassen Tunnel unter Lützerath

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Nach Angaben von RWE verließen die beiden Lützerath nun „als letzte Aktivisten“. Die Räumung durch die Polizei sei beendet. Der Rückbau der ehemaligen Siedlung werde „in den kommenden Tagen“ abgeschlossen.

Auch die Sprecherin von „Lützerath Lebt“ sagte: „Das bedeutet für uns natürlich, dass diese Räumung, die wir die letzten Tage beobachten konnten, erstmal zu Ende ist.“ Obwohl man nun gegen das „massive Polizeiaufgebot vielleicht verloren“ habe, habe man aber auch viel gewonnen. Lützerath sei nun in ganz Deutschland bekannt.

Das Dorf Lützerath, ein Ortsteil von Erkelenz westlich von Köln, ist seit Tagen von der Polizei abgeriegelt und mit einem doppelten Zaun umgeben. Die wenigen Gebäude der Siedlung werden abgerissen, um es dem Energiekonzern RWE zu ermöglichen, die darunter liegende Braunkohle abzubaggern.

Bagger-Besetzung und Straßenblockade ebenfalls beendet

Auch die Besetzung eines Braunkohlebaggers im Tagebau Hambach durch Klimaaktivisten ist am Montagmittag nach wenigen Stunden zu Ende gegangen. Die acht Besetzer hätten den Bagger am Mittag freiwillig verlassen, berichtete ein RWE-Sprecher in Essen.

Die Aktivisten hatten den Schaufelradbagger im rund 20 Kilometer von Lützerath entfernten Tagebau Hambach in den frühen Morgenstunden besetzt. Der Bagger hatte daraufhin den Betrieb eingestellt.

Nach Angaben der Protestgruppe „Gegenangriff - für das gute Leben“ wollten die Aktivisten mit der Aktion ihre Solidarität mit den Menschen im Dorf Lützerath zeigen. Zudem kritisierte die Gruppe das dortige Vorgehen der Polizei und forderte die Vergesellschaftung der Energieproduktion.

Gut vier Kilometer Luftlinie von Lützerath entfernt seilten sich am Montagmorgen außerdem fünf Klimaaktivisten - darunter zwei im Rollstuhl - von einer Autobahnbrücke ab. Der Verkehr auf der Autobahn 44 lief der Verkehr während der Aktion weiter, auf der Landstraße unter der Brücke ging dagegen nichts mehr. Auch diese Aktion war aber nach Angaben der Polizei am Mittag beendet.

Gegen den Abriss und das geplante Abbaggern der Kohle hatte sich in den Tagen und Wochen zuvor allerdings Widerstand formiert. Aktivistinnen und Aktivisten hatten sich in Baumhäusern und Gebäuden verbarrikadiert, um Lützerath zu erhalten.

Hunderte waren im Zuge der Räumung dann von der Polizei weggebracht worden oder hatten das Protestdorf freiwillig verlassen.

Faeser kritisiert Methoden der Aktivisten

Bundesinnenministerin Nancy Faeser verurteilte unterdessen die Methoden von Klima-Aktivisten während der Räumung des niederrheinischen Braunkohledorfs. „Mit brennenden Barrikaden, einem einsturzgefährdeten Tunnel und wackligen Baumhäusern in großer Höhe haben Aktivisten nicht nur sich selbst in große Gefahr gebracht, sondern auch die Einsatzkräfte“, schrieb die SPD-Politikerin am Montag in einer Mitteilung.

Politische Konflikte dürften nicht auf dem Rücken von Einsatzkräften ausgetragen werden. „Wer seine Anliegen mit Gewalt erzwingen will, verlässt den demokratischen Diskurs“, betonte Faeser. Man riskiere damit den Rückhalt der Gesellschaft für den Kampf gegen die Klimakrise.

Aktivisten hatten der Polizei Gewalt-Exzesse bei der Großdemonstration am Samstag vorgeworfen. Es sei eine „hohe zweistellige bis dreistellige Zahl“ von Teilnehmern verletzt worden, sagte am Sonntag eine Sprecherin des Sanitäterdienstes der Demonstranten. Darunter seien viele schwer verletzte und einige lebensgefährlich verletzte Personen gewesen. Nach Angaben der Polizei wurden neun Aktivisten mit Rettungswagen ins Krankenhaus gebracht.

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) warb unterdessen vor der Synode der Evangelischen Kirche im Rheinland um Unterstützung für den Kohle-Kompromiss, der aktuell zur Verstromung größerer Mengen Kohle führt, aber auch einen auf das Jahr 2030 vorgezogenen Ausstieg aus der Kohleverstromung in NRW beinhaltet. Niemand habe es sich damit leicht gemacht.

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