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22.06.2022

16:05

Elektromobilität

Das Öko-Problem der Lithium-Produzenten

Von: Alexander Busch

Der Lithium-Abbau in Chile steht in der Kritik – von Umweltschützern und der Bevölkerung vor Ort. Aber sind die Vorwürfe berechtigt? Eine Spurensuche.

Aus der Region kommt aktuell das meiste Lithium.  REUTERS

Atacamabecken in Chile

Aus der Region kommt aktuell das meiste Lithium. 

Salar de Atacama Die Atacama-Wüste in Nordchile ist eines der ergiebigsten Bergbaugebiete der Welt. Dort fressen sich seit fast einem Jahrhundert die Kupferminen immer weiter in die Berge hinein. Es gibt kaum Pflanzen, wenige Ortschaften, es regnet fast nie. Auf der Suche nach Lithium sind die Konzerne noch 200 Kilometer weiter östlich fündig geworden. Hinter einer weiteren Gebirgskette und vor den mächtigen Andenkordilleren wird es noch trockener und einsamer.

Hier betreibt das Bergbauunternehmen SQM sein wichtigstes Abbaugebiet. Es liegt inmitten des Salar de Atacama, einer Senke, etwas größer als Luxemburg, bedeckt mit einer Salzkruste. Unter dieser sammelt sich die Sole, eine salzhaltige Lösung, in der Lithium, Kali und eine ganze Reihe anderer Metalle hochkonzentriert sind.

Lithium ist der wichtigste Rohstoff für Batterien von Elektroautos. Um die Klimaschutzziele der Regierungen weltweit erfüllen zu können, wird der Bedarf in den kommenden Jahren rasant steigen, erwarten Experten. Chile ist derzeit das wichtigste Exportland und SQM zählt zu den größten Lithiumförderern. Doch das Metall, das in vielen Ländern den grünen Wandel beschleunigen soll, sorgt in der Heimat für ökologische und soziale Probleme.

Ein Grund liegt in der Sole, die das Unternehmen aus dem Boden in quadratische Auffangbecken pumpt, groß wie Fußballfelder. Dort verdunstet die Lösung in der trockenen Luft bei starker Sonnenstrahlung länger als ein Jahr. Die Lösung konzentriert sich immer mehr und wechselt die Farbe von blau zu grün, gelb und orange. Dabei wird Natriumchlorid (Kochsalz) und Kaliumchlorid (für Düngemittel) abgespalten.

Am Ende des Prozesses füllt SQM die Sole in Tankwagen ab und transportiert sie in eine Raffinerie an die Küste Chiles bei Antofagasta. Dort wird daraus Lithium gewonnen. Schiffe bringen es vom Pazifikhafen Antofagasta vor allem nach China, wo die meisten Batterien für die Elektroautos weltweit gefertigt werden.

Die Atacama-Region kämpft seit Jahren mit zunehmender Trockenheit und mit Wassermangel.  REUTERS

Ein Weinberg in der Atacama

Die Atacama-Region kämpft seit Jahren mit zunehmender Trockenheit und mit Wassermangel. 

Das Problem: Um die Sole hoch und von einem Becken ins nächste zu pumpen, braucht SQM Quellwasser. Umweltschützer werfen dem Konzern vor, dass er den Bauern und Indigenen das Wasser buchstäblich abgräbt. Auch die heimischen Flamingos würden deswegen aussterben. Das US-Unternehmen Albemarle, das ebenfalls im Salar produziert, muss sich ähnliche Kritik anhören.

SQM kontert, dass der Grundwasserspiegel am Rande des Salars seit Beginn des Soleabbaus vor rund 25 Jahren kaum gesunken sei. Außerdem verbrauche der Konzern weit weniger Wasser als von den Behörden erlaubt. Tendenz weiter sinkend.

Weil ihr Lebensraum bedroht ist, verlassen immer mehr Flamingos die Atacama-Wüste.  REUTERS

Tierschutz

Weil ihr Lebensraum bedroht ist, verlassen immer mehr Flamingos die Atacama-Wüste. 

Auf dem Weg zur Anlage fährt man stundenlang durch die Wüstenlandschaft. Knorrige Johannisbrotbäume wachsen in den Dörfern, die seit Jahrhunderten von Indigenen bewohnt werden. Ihr Wasser kommt vor allem aus den Bergen. Dort regnen die Wolken ab, die sich über dem Amazonas ein paar Tausend Kilometer weiter nördlich gebildet haben.

Die kurzen, aber heftigen Regenfälle haben Canyons in die Berge geschnitten. In manchen Dörfern stauen die Bewohner das Wasser. „Es ist offensichtlich, dass die Menschen Zugang zum Wasser haben, bevor es in den Salar fließt“, sagt der Geologe Richard Herrington, der die Abteilung Earth Sciences am Natural History Museum in London leitet und den Bergbau in der Atacama-Wüste seit Langem erforscht.

SQM muss auf mehr Nachhaltigkeit setzen

Doch Herrington weiß, dass Gesetze über Wasserrechte sich oft nicht mit der Wahrnehmung der Menschen vor Ort decken. Das zeigt sich exemplarisch in Rio Grande, einem Bergdorf mit 111 Einwohnern. Der Ort liegt rund 60 Kilometer entfernt vom nördlichsten Zipfel des Salars und rund 1500 Meter höher. Die Wasserversorgung wird also kaum von der Nutzung durch SQM beeinflusst.

Doch die Indigene Pamela Condori, die als Sprecherin der Gemeinde auftritt, sieht das anders: „Das Unternehmen schuldet uns etwas.“ Es habe jahrzehntelang die Reichtümer des Landes genutzt, ohne den Bewohnern etwas zurückzugeben. Doch das habe sich jetzt geändert. Für Condori handelt es sich dabei um eine längst überfällige Wiedergutmachung.

Tatsächlich hat SQM in den Dörfern um den Salar mit den insgesamt rund 10.000 Einwohnern umfangreich sozial investiert. Das macht der Konzern noch nicht lange. Zum Teil stehen da jetzt etwas überdimensionierte Schulhäuser für ein Dutzend Schulkinder in kleinen Ortschaften. Aber Solaranlagen ermöglichen, dass die Kinder der Kleinbauern wieder in ihre Heimat zurückkommen, erzählen Bewohner. Die Lebensqualität steige, wo vorher die Subsistenzwirtschaft dominierte.

SQM arbeitet nun intensiv daran, die wichtigsten Nachhaltigkeitssiegel der globalen Bergbauindustrie zu bekommen. Nur so kann der Konzern neue Absatzkanäle in Europa aufbauen: Europäische Autobauer, die eigene Batteriefabriken aufbauen wollen, verlangen das.

Anders als chinesische Hersteller zögern sie bisher noch, von SQM Lithium zu beziehen. Doch das kann sich schnell ändern, wenn renommierte Zertifizierer grünes Licht für eine nachhaltige Produktion in der Atacama geben.

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