Die Energiekrise hat für unerwartet hohe Erträge gesorgt. Kommunale Eigner hoffen nun darauf, ohne Verlust bei dem einstigen Sanierungsfall Steag aussteigen zu können.
Steag
Der Steinkohle-Konzern hat sein Geschäft aufgeteilt: in fossile und grüne Anlagen.
Bild: Bloomberg/Getty Images
Düsseldorf, Frankfurt Nach einem Gewinnsprung bei der Steag hoffen die Eigner von Deutschlands fünftgrößtem Stromproduzenten auf einen hohen Verkaufspreis bei der dieser Tage offiziell startenden Auktion. Dank Rekordpreisen bei Strom und Gas im Krisenjahr 2022 könnten die Essener Finanzkreisen zufolge immerhin auf ein operatives Ergebnis von mehr als einer Milliarde kommen. Außerdem sei die Verschuldung der Steag „deutlich“ runtergegangen.
Mit solchen Zahlen im Rücken erwarten die Eignerkommunen Dortmund, Essen, Bochum, Duisburg, Oberhausen und Dinslaken, das Unternehmen ohne Verlust verkaufen zu können. Damit hätte vor einem Jahr niemand mehr gerechnet.
Nach immer größer werdenden Verlusten hatte sich der Steinkohlekonzern mit seinen Eigentümern, den Kommunen des Ruhrgebiets, Ende 2021 auf einen Sanierungsplan geeinigt. Teil der Vereinbarung ist ein Verkauf des Unternehmens bis Ende des Jahres.
Der Erwerb der Firma vom Chemieunternehmen Evonik hatte 2010 gut 1,2 Milliarden Euro gekostet. Zwölf Jahre später lasteten insgesamt 1,8 Milliarden Euro an Schulden und Pensionsverpflichtungen auf der Steag.
Während der anhaltenden Energiepreiskrise wurde der Kraftwerksbetreiber Steag allerdings zum Krisenprofiteur. Gleich mehrere Kraftwerke, die eigentlich Ende Oktober 2022 hätten stillgelegt werden müssen, bleiben nun länger am Netz. Statt 700 Megawatt Leistung kommt die Steag derzeit so insgesamt auf 3,7 Gigawatt Leistung – zumindest bis zum Ende der Ausnahmeregelung über das Ersatzkraftwerkebereithaltungsgesetz im März 2024.
„Wir gehen aber davon aus, dass die saarländischen Kraftwerke Weiher 3 und Bexbach zumindest bis Ende März 2025 sowie die Anlage in Völklingen-Fenne und im nordrhein-westfälischen Bergkamen bis Ende Oktober 2024 weiter systemrelevant sein werden und somit in der Netzreserve verbleiben“, erklärte ein Steag-Sprecher.
Die Pläne für den Verkauf des Unternehmens gewinnen durch die unerwarteten Zusatzerlöse an Schwung. Das zweistufige Bieterverfahren soll bis in den Sommer hinein laufen. Die Unterschrift unter einen Verkaufsvertrag ist für Juli geplant. An Interesse mangele es jedenfalls nicht, heißt es am Donnerstag aus Unternehmenskreisen.
Über den richtigen Kurs hatten sich die Eigentümer zwischenzeitlich jedoch schwer zerstritten, wobei der 36-Prozent-Eigner Dortmund gegen die anderen fünf Kommunen stand. Mittlerweile gilt das Verhältnis aber als weitgehend repariert – notgedrungen. Von der Einigkeit der Kommunen hänge auch der erzielbare Erlös ab, sagte ein Unternehmensinsider.
In der Vorbereitung für den Verkauf hatten die in der Holding KSBG zusammengeschlossenen Eigentümer im Oktober eine Aufspaltung der Steag in einen „grünen“ und einen „schwarzen“ Bereich beschlossen – nach intensiven Auseinandersetzungen zwischen den Kommunen und mit Arbeitnehmervertretern, die Jobverluste befürchten.
Viele Investoren sind zwar an den Steag-Aktivitäten bei erneuerbaren Energien, dem „grünen“ Bereich, interessiert, nicht jedoch am traditionellen Kerngeschäft, der „schwarzen“ Steinkohleverstromung.
Die Städte einigten sich schließlich darauf, die Steag zwar als Ganzes an den Markt zu bringen, jedoch die beiden Bereiche rechtlich zu trennen, sodass Käufer sie als einzelne Firmen fortführen können. Das ist nicht zuletzt deshalb wichtig, weil viele Investoren strenge Nachhaltigkeitsrichtlinien haben, die Investments in fossile Energieträger erschweren. Zudem lassen sich Bankfinanzierungen für Windkraft- und Solaranlagen zwar leicht bekommen, nicht jedoch für die momentan profitablen, langfristig aber unattraktiven Kohlekraftwerke.
Einige Investoren wollen Finanzkreisen zufolge dabei auf Treuhänder-Strukturen setzen. Sogenannte „Shareholder as a Service“-Firmen würden für eine Gebühr den „schwarzen“ Bereich weiterführen und nach dem endgültigen Ende der Laufzeiten abwickeln. Bis zum Abschluss eines Verkaufs (Closing) der Steag würden die Profite allerdings bei der Steag verbleiben.
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Für Investoren ist perspektivisch vor allem der „grüne“ Bereich interessant. Schon im ersten Halbjahr 2022 stammten rund 45 Prozent des Gewinns aus dem Geschäft mit Erneuerbaren, Speichern und Geothermieanlagen. Für das Gesamtjahr wird Finanzkreisen zufolge angesichts der Zusatzerlöse der Kohlekraftwerke mit einem Anteil von 20 bis 30 Prozent gerechnet.
Erste Sondierungsgespräche hat die Steag bereits mit dem tschechischen Investor EPH geführt, der 2016 das Braunkohlegeschäft von Vattenfall in Ostdeutschland gekauft hatte, sowie mit dem weiterhin stark auf Kohle setzenden tschechischen Versorger CEZ.
Angesprochen wurden aber auch rund zwei Dutzend Private-Equity- und Infrastrukturinvestoren, etwa Macquarie, Brookfield, IFM, CVC, KKR und EQT. Bei einigen davon stehen Kohle-Engagements aus ökologischen Gesichtspunkten auf dem Index. Sie könnten aber alles kaufen, den „grünen“ Teil behalten und den „schwarzen“ Teil entweder für einige Jahre noch selbst weiterbetreiben oder verkaufen, so die Hoffnung mancher Steag-Eigentümer.
Die Chancen für einen Gesamtverkauf der beiden rechtlich getrennten Steag-Teile halte man mittlerweile jedoch für „sehr hoch“, heißt es aus Unternehmenskreisen.
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