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11.06.2021

10:19

Energie

Strompreise für Verbraucher steigen weiter – Keine Erleichterung in Sicht

Von: Kathrin Witsch

Haushalte in Deutschland zahlen mehr für ihren Strom als in allen anderen europäischen Mitgliedstaaten. Grund dafür sind die vielen Steuern, Abgaben und Umlagen.

Deutschland hat schon jetzt die höchsten Strompreise Europas. dpa

Strompreis

Deutschland hat schon jetzt die höchsten Strompreise Europas.

Düsseldorf Nirgendwo zahlen die Verbraucher so viel für ihren Strom wie in Deutschland. Im ersten Halbjahr 2021 sind die Preise nun erneut gestiegen. Das zeigt die Halbjahresbilanz des Vergleichsportals Verivox, die dem Handelsblatt exklusiv vorliegt.

Zahlte ein Haushalt mit einem jährlichen Stromverbrauch von 4000 Kilowattstunden (kWh) im Januar noch 1171 Euro, sind es sechs Monate später schon 1197 Euro. Für den Verbraucher entspricht das Mehrkosten von 26 Euro. Mehr als 130 Grundversorger haben Preiserhöhungen angekündigt oder bereits durchgeführt. Vor allem bei den eigentlich günstigeren Neukundentarifen, mit denen der Verbraucher bislang sparen konnte, zeigt der Trend nach oben.

„Die Mehrzahl der rund 820 örtlichen Strom-Grundversorger hat die Strompreise in diesem Jahr bisher nicht geändert, sie bleiben auf Spitzenniveau. Angesichts steigender Großhandelspreise zeigt der Trend der Preisentwicklung aber eher nach oben als nach unten“, erklärt Verivox-Stromexperte Thorsten Storck. 

Dabei ist Deutschland ohnehin schon seit vielen Jahren Spitzenreiter in Europa. Mit einem durchschnittlichen Preis von 30 Cent pro kWh liegt die Bundesrepublik weit vor allen anderen Mitgliedstaaten. Auf Platz zwei und drei folgen Dänemark mit 28 Cent pro kWh und Belgien mit 27 Cent. 

Grund sind die vielen Steuern, Abgaben und Umlagen, die auf den Strompreis hierzulande entfallen. Sie machen mittlerweile rund zwei Drittel des Endkundenpreises aus. Insgesamt haben sich die Strompreise in Deutschland seit der Jahrtausendwende mehr als verdoppelt.

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„Der Großhandelspreis für Strom ist 2020 nicht gestiegen, genauso wenig wie die Umlage für das Erneuerbare-Energien-Gesetz. Es bleiben also die Netzentgelte“, sagt Strommarktexperte Michael Claussner von der Beratungsagentur Energy Brainpool. Dass der Anteil für die Netzentgelte im Pandemiejahr 2020 trotz niedrigeren Stromverbrauchs gestiegen ist, liegt laut Claussner daran, dass gleichbleibende Kosten bei geringerem Stromverbrauch auf weniger Verbraucher umgelegt wurden. 

„Das Netzmanagement bleibt gleich teuer, egal, wie hoch oder niedrig der Stromverbrauch ist.“ Weil zahlreiche Betriebe wochen- und monatelang kaum Strom verbraucht haben, konnten die Kosten nunmehr auf weniger Verbraucher umgelegt werden. Erleichterung ist mit Blick auf den steigenden Anteil Erneuerbarer und den dadurch erforderlichen Stromnetzausbau erst einmal nicht in Sicht. „Es braucht eine Abgaben- und Umlagenreform“, fordert der Experte. Und damit steht er bei Weitem nicht allein. 

Besonders die Umlage über das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) steht immer wieder in der Kritik. Anders als 2020 hat sie in den vergangenen Jahrzehnten für den größten Anstieg bei den Haushaltsstrompreisen gesorgt. Das könnte sich aber bald ändern. Die Bundesregierung hat den EEG-Anteil Corona-bedingt erst einmal auf 6,5 Cent pro kWh gedeckelt. Zusätzlich fallen nach 20 Jahren immer mehr alte Wind- und Solaranlagen aus der Förderung, die noch mit einem besonders hohen Betrag vergütet wurden.

Über die Jahre ist die Förderung pro Kilowattstunde Grünstrom außerdem stetig gesunken und wird bei großen Wind- und Solarparks mittlerweile in Auktionen verlost, bei denen derjenige mit dem niedrigsten Förderbetrag den Zuschlag bekommt. Dass die EEG-Umlage für Verbraucher bis 2017 trotzdem konsequent teurer geworden ist, liegt daran, dass der Anteil der geförderten Erneuerbaren stetig größer geworden ist. 

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Die Übertragungsnetzbetreiber nehmen den Öko-Erzeugern den Strom ab und verkaufen ihn an der Energiebörse weiter – zu Marktpreisen, die zumeist deutlich unter den gezahlten Vergütungen liegen. Die Differenz kommt aus dem EEG-Topf. Das heißt: Die Umlage steigt, wenn die Börsenpreise für Strom sinken. Aber mit der neuen Bundesregierung könnte endlich Bewegung in die Debatte um eine Abschaffung der Förderumlage kommen.

„Dass das EEG in den nächsten Jahren abgeschafft oder zumindest anders finanziert wird, ist sehr wahrscheinlich. Das haben sich alle Parteien ins Wahlprogramm geschrieben“, sagt Claussner. 

In der Zwischenzeit können Verbraucher nur auf die Suche nach dem günstigsten Tarif gehen, Strom sparen oder versuchen, von den stark schwankenden Börsenstrompreisen zu profitieren, zum Beispiel über flexible Stromtarife, die immer öfter angeboten werden.

Damit könnte der Verbraucher immerhin selbst entscheiden, zu welchem Preis er die Waschmaschine anschmeißt, die Wärmepumpe nutzt oder das Elektroauto lädt.

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