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10.01.2022

15:30

Energieeffizienz

Tado wagt erste Übernahme: Kunden sollen jetzt auch günstigen Strom einkaufen können

Von: Axel Höpner

Das Start-up kauft Awattar und steigt damit in die Flexibilitätsvermarktung von Strom ein. Kunden sollen ihr E-Auto künftig dann laden, wenn der Strom besonders günstig ist.

Das Unternehmen hat eine App entwickelt, mit der sich Heizungen und Klimaanlagen intelligent steuern lassen. Tado

App von Tado

Das Unternehmen hat eine App entwickelt, mit der sich Heizungen und Klimaanlagen intelligent steuern lassen.

München Mit der ersten Übernahme in der Unternehmensgeschichte will der Heizungs-App-Anbieter Tado seinen Kunden jetzt auch den günstigeren Stromeinkauf ermöglichen. „Wir erweitern unser Geschäftsmodell und wollen die führende Energieeffizienz- und Energiemanagement-Plattform in Europa sein“, sagte Tado-Mitgründer Christian Deilmann dem Handelsblatt.

Dazu hat Tado jetzt den Flexibilitäts-Vermarktungsspezialisten Awattar übernommen. Mit dessen Lösungen sollen die Tado-Nutzer zum Beispiel ihr Elektroauto oder den Pufferspeicher der Wärmepumpe genau dann aufladen, wenn der Strom gerade besonders günstig ist, weil es zum Beispiel viel Wind- oder Sonnenenergie gibt.

In Phasen, in denen der Strom sehr teuer ist, kann der Ladevorgang eine Zeitlang unterbrochen werden. „Auf diesem Weg werden auch die Stromnetze in den kritischen Momenten entlastet“, erklärt Deilmann. Die Kunden könnten dadurch etwa zehn bis 40 Prozent ihrer Stromkosten einsparen.

Tado gehört zu den führenden Anbietern im Smarthome-Bereich, der sich mit der Vernetzung der Wohnungen beschäftigt. Das Start-up hat eine App entwickelt, mit der sich Heizung und Klimaanlage intelligent steuern lassen. In diesem Bereich sieht sich das Unternehmen trotz großer Konkurrenz als Marktführer in Europa.

So kann die Heizung zum Beispiel rechtzeitig anspringen, bevor der Wohnungsbesitzer von der Arbeit nach Hause kommt. Über das Handy erkennt die Steuerung zudem, wenn die Bewohner einen Raum oder das Haus wieder verlassen. Schlafzeiten werden ebenso berücksichtigt wie der Sonnenstand.

Hohe Synergieeffekte

„Die Geschäftsmodelle von Tado und Awattar sind hoch synergetisch“, sagt Deilmann. Mit der Übernahme komme man der weiterentwickelten Vision, die führende Energieeffizienz- und Energiemanagement-Plattform in Europa zu werden, ein entscheidendes Stück näher.

Die österreichische Firma Awattar sei Pionier auf dem Markt der flexiblen Stromvermarktung im deutschsprachigen Raum. Die Firma biete einerseits Stromversorgern die technologische Plattform für die Flexibilitätsvermarktung und habe zudem ein konkretes Angebot für Privatkunden – darunter seien auch bereits Tado-Kunden.

Den Kaufpreis hat Tado teils in bar, teils mit eigenen Anteilen bezahlt. Laut Branchenschätzungen dürfte Awattar in diesem Jahr achtstellige Umsätze erzielen.

Die Gründer von Awattar, Simon Schmitz und Peter Netbal, sind laut Deilmann hochmotiviert und werden an Bord bleiben, um das Geschäft weiter auszubauen. „Wir wollen allen unseren Kunden die Anbindung anbieten“, sagte Deilmann. Aktuell seien mehr als 400.000 Gebäude und Haushalte mit Tado vernetzt, zudem arbeitetet das Münchener Unternehmen nach eigenen Angaben mit zwölf der 20 größten Energieversorger in Europa zusammen.

Mit der Anbindung an günstigen Stromeinkauf will sich Tado auch von der zunehmenden Konkurrenz differenzieren. Denn den Markt haben inzwischen einige für sich entdeckt.

Große Konkurrenten

So hat etwa das Start-up Vilisto eine Lösung entwickelt, bei der Sensoren erkennen, ob sich Personen im Raum befinden – und, falls nicht, die Temperatur selbstständig absenken.

Auch große Konzerne sind auf dem Feld aktiv. Google hatte 2014 für erstaunliche drei Milliarden Dollar den Konkurrenten Nest übernommen, spielt in Europa aber noch eine eher untergeordnete Rolle. Zudem drängt auch die Heizungsbranche, wenn auch teilweise spät, ins Internet der Dinge. Vaillant hat zum Beispiel eine App zur Steuerung entwickelt, über die Nutzer vordefinierte Profile wie „Zuhause“, „Nacht“ oder „abwesend“ aktivieren können.

Mit der Übernahme wagt sich Tado nun auch auf das Gebiet der Flexibilitätsvermarktung vor. Diese soll auch helfen, eines der zentralen Probleme der Energiewende zu lindern.

Denn manchmal steht Strom aus Wind- und Sonnenkraft im Überfluss zur Verfügung, während die Nachfrage gering ist. Zu anderen Zeiten ist es genau umgekehrt. Noch gibt es nicht ausreichend Speicher für den Ausgleich.

Inzwischen gibt es eine Reihe von Anbietern wie zum Beispiel Esforin (Energy Services for Industry), die auf die Flexibilitätsvermarktung von Strom spezialisiert sind.

Sind die Netze voll und überlastet, kauft Esforin günstig Strom für seine Industriekunden. Die können dann automatisiert zum Beispiel Öfen und Anlagen kurzzeitig etwas stärker hochfahren – und wieder etwas runter und Stromkapazitäten abgeben, wenn die Strompreise anziehen.

Flexibilitätsvermarktung für Privathaushalte

Tado will nun die Flexibilisierung für Privathaushalte am Markt durchsetzen, damit auch diese ihre Wärmepumpen, Elektroautos oder Photovoltaikanlagen in das System einbinden können.

Im Kerngeschäft lief es zuletzt gut für das Unternehmen. „Wir haben von Corona- und Stay-at-Home-Effekten profitiert und gehören eindeutig zu den Krisengewinnern“, sagte Deilmann. „Viele haben vor allem während der Lockdowns ins Eigenheim investiert.“ Auch seien angesichts der hohen Strompreise Effizienzlösungen derzeit besonders gefragt.

Der Umsatz von Tado dürfte im vergangenen Jahr laut Branchenschätzungen prozentual zweistellig auf einen mittleren zweistelligen Millionenbetrag gestiegen sein. Bei ähnlichen Wachstumsraten sollte es nicht mehr lange dauern, bis beim Umsatz die 100-Millionen-Euro-Grenze überschritten wird.

In den vergangenen Jahren sammelte das Unternehmen für die Expansion weit mehr als 100 Millionen Euro ein. Dabei konnten prominente Investoren gewonnen werden. Der Internethändler Amazon beteiligte sich zum Beispiel vor drei Jahren an der Firma. Auch Eon, Siemens und Total sind engagiert.

Bei der jüngsten Finanzierungsrunde im vergangenen Mai erwarb Tado rund 38 Millionen Euro. Dabei beteiligte sich neben bestehenden Investoren auch die Noventic Group, die unter anderem intelligente Lösungen für das Ablesen von Heizungen anbietet.

Mithilfe von Noventic will Tado, das bislang vor allem bei Privatkunden stark ist, Zugang zu Tausenden Kunden in der Wohnungswirtschaft gewinnen. Noventic hat nach eigenen Angaben 8,2 Millionen Wohnungen mit Technik ausgestattet und versteht sich als „Wegbereiter für klimaintelligente Gebäude“.

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