Gas und Strom sind derzeit extrem teuer. Um weiter damit handeln zu können, sichert sich Uniper Geld – auch vom Staat. Andere Energieunternehmen könnten bald ähnliche Hilfen brauchen.
Uniper-Kraftwerk in Gelsenkirchen
Den Strom, den Uniper produziert, kann das Unternehmen aktuell zu hohen Preisen verkaufen und so mehr Gewinn machen.
Bild: imago images/Jochen Tack
Düsseldorf Die anhaltenden Preisturbulenzen am Rohstoffmarkt zwingen den MDax-Konzern Uniper, sich Milliarden zu besorgen. Das Unternehmen weitet die finanzielle Absicherung seiner Energiegeschäfte um bis zu 11,8 Milliarden Euro aus, wie es am Dienstagabend per Pflichtmitteilung bekannt gab. Die Aktie verlor bis zum Mittwochnachmittag mehr als zwei Prozent.
Uniper hat ebenso wie andere Energiekonzerne Strom- und Gaskäufe zum Teil Jahre im Voraus mit den Händlern vereinbart. So ist das Unternehmen unabhängiger von kurzfristigen Marktpreisen. Dieses sogenannte Hedging dient der Absicherung gegen starke Preisschwankungen, wie aktuell zu beobachten.
Doch Rohstoffhändler verlangen im Vorfeld Sicherungsleistungen, auch Margins genannt. Käufer wie Uniper müssen daher vor der Transaktion einen gewissen Anteil des Rohstoffwerts an den Händler überweisen. Steigen die Rohstoffpreise, steigt auch die Summe, die überwiesen werden muss. Das Geld ist nicht „verloren“: Fallen die Preise, gibt es entsprechende Summen zurück. Aber der Käufer muss über den Sicherungsbetrag verfügen.
Für einen Konzern wie Uniper sind die Zahlungen noch zu stemmen, denn er hat vielfältige Finanzierungsmöglichkeiten. Drei verschiedene Quellen nutzt das Unternehmen nun für die Sicherung: Zum einen hat das Unternehmen Kreditfazilitäten seiner 16 Hausbanken über 1,8 Milliarden Euro vollständig abgerufen. Dann hat es einen Kreditrahmenvertrag mit der Konzernmutter Fortum in Höhe von insgesamt acht Milliarden Euro zu einem „signifikanten Teil“ ausgenutzt. Beides ist laut einem Unternehmenssprecher bereits Ende vergangenen Jahres passiert.
Als dritten Baustein hat Uniper jetzt eine Kreditoption bis zu zwei Milliarden Euro mit der staatlichen KfW-Bank vereinbart. Das Unternehmen hat den Vertrag am Dienstag unterzeichnet und kurz darauf alle Vorgänge per Pflichtmitteilung bekannt gegeben.
Durch die breite Aufstellung bei der Finanzierung ist Uniper in einer vergleichsweise komfortablen Situation. Ein Sprecher sagte in Bezug auf die Zwei-Milliarden-Kreditoption an Staatsgeldern: „Wir sind zuversichtlich, dass wir diese Kreditfazilität nicht benötigen werden.“ Es gehe lediglich darum, sich durch einen weiteren Kreditgeber mehr Sicherheit zu verschaffen.
Bei Aktionären kam dieser Entschluss am Mittwoch mehrheitlich schlecht an, die Aktie stand unter Druck. Analysten aber sehen den Vorgang eher gelassen. „Margin-Zahlungen sind Teil des Handels- und Hedging-Geschäfts“, sagt der Analyst Ingo Becker von der Investmentbank Kepler Chevreux. „Nur sind jetzt aufgrund der extrem hohen Preise am Energiemarkt auch die Margin-Summen signifikant höher.“
Dass Uniper über den Mutterkonzern an einen Großteil der nötigen Liquidität für diese hohen Summen gekommen ist, wertet Becker als eher gutes Zeichen. Kleinere Unternehmen haben eine solche Rückendeckung gegebenenfalls nicht. „Solche Summen können kleineren Akteuren schnell mal zu groß werden“, sagt er.
Andere Energieunternehmen könnten womöglich bald tatsächlich auf staatliche Unterstützung angewiesen sein. Der Branchenverband BDEW zumindest hat am Mittwoch für andere Versorger ebenfalls eine Absicherung durch die KfW gefordert.
Die Bundesregierung solle veranlassen, dass Energieversorger unter bestimmten Voraussetzungen bei Bedarf temporär auf zinslose zweckgebundene Darlehen der Kreditanstalt für Wiederaufbau zurückgreifen können, sagte die Vorsitzende der BDEW-Hauptgeschäftsführung, Kerstin Andreae, am Mittwoch der „Rheinischen Post“.
Entsprechend versetzt die Energiepreisrally bei Strom und Gas in den vergangenen Wochen die ganze Branche in Aufruhr. „Die Margin-Zahlungen werden jetzt europaweit ein großes Thema sein“, sagt Guido Hoymann, Head of Equity Research beim Bankhaus Metzler. „Das betrifft vermutlich nahezu alle Versorger, die noch Strom aus konventionellen Quellen anbieten.“
In Deutschland bekommen andere Energiekonzerne die Situation bereits zu spüren, die größten sehen sich allerdings gut aufgestellt. So teilt EnBW auf Anfrage mit: „Als integrierter Versorger mit umfassender Präsenz entlang der gesamten Wertschöpfungskette von Stromerzeugung bis Endkundengeschäft und Netzbetreiber ist die EnBW deutlich breiter aufgestellt als andere Marktteilnehmer, verfügt über stabile Cashflows und kann Risiken im Gesamtportfolio besser managen.“ EnBW verfolge seit jeher eine vorausschauende Beschaffungs- und Bewirtschaftungsstrategie sowie ein vorausschauendes Liquiditätsmanagement, um auch für Phasen hoher Volatilität gerüstet zu sein.
Ähnlich äußert sich RWE, wenngleich das Unternehmen sich dem Umstieg auf erneuerbare Energien verschrieben hat. „Starke Preisschwankungen führen naturgemäß zu einem temporär großen Liquiditätsbedarf. Wir haben hierfür durch unsere Kreditlinien und weitere Finanzierungsinstrumente Vorsorge getroffen“, erklärte der Konzern am Mittwoch.
Schließlich handelt der Bereich RWE Supply & Trading mit Strom, Gas und Rohstoffen. Nach Einschätzung von Guido Hoymann dürfte RWE allerdings selbst in großem Stil Margin-Zahlungen erhalten. Das Unternehmen hat sich frühzeitig mit großen Mengen an CO2-Zertifikaten eingedeckt, deren Wert zuletzt sehr stark gestiegen ist.
Uniper indes profitiert unterm Strich noch von den hohen Energiepreisen. In der Pflichtmitteilung von Dienstagabend heißt es: „Mit höheren Commodity-Preisen steigt auch der Wert von Unipers unterliegenden Vermögenswerten im Gas- und Stromportfolio.“
Guido Hoymann vom Bankhaus Metzler sagt: „Uniper hat langfristige Lieferverträge etwa mit Gazprom. Man kann davon ausgehen, dass Uniper Gas dadurch noch relativ günstig bekommt.“ Den Strom, den der Konzern so produziert, kann das Unternehmen aktuell teuer verkaufen – und so mehr Gewinn machen.
Noch im November hatte Uniper gute Zahlen vorgelegt. Der bereinigte Gewinn vor Zinsen und Steuern (Ebit) sei in den ersten neun Monaten um über 50 Prozent auf 614 Millionen Euro geklettert, das Unternehmen hat im November zudem seine im Oktober angehobenen Prognosen bekräftigt.
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