PremiumDer Chef des Atomkonzerns Preussen Elektra erteilt der Bundesregierung eine Absage für ihre Pläne. Wirtschaftsminister Habeck zeigt sich verwundert.
Atomkraftwerk Isar 2
Zwei der drei letzten deutschen Atomkraftwerke sollen laut Bundeswirtschaftsminister Habeck (Grüne) nach dem Jahreswechsel noch bis Mitte April 2023 als Reserve zur Verfügung stehen.
Bild: dpa
Düsseldorf Seit Montagabend steht Wirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) für seine AKW-Reservepläne heftig in der Kritik. Nun hat sich der Chef der Eon-Atomtochter Preussen Elektra in einem Brandbrief an das Ministerium gewandt. Dieser Brief liegt dem Handelsblatt vor, der „Spiegel“ hatte zuerst darüber berichtet.
Preussen Elektra-Chef Guido Knott schreibt darin: Der Vorschlag des Ministeriums „zwei der drei laufenden Anlagen zum Jahreswechsel in die Kaltreserve zu schicken, um sie bei Bedarf hochzufahren, ist technisch nicht machbar und daher ungeeignet, um den Versorgungsbeitrag der Anlagen abzusichern.“
Habeck hat sich irritiert über das Schreiben gezeigt: „Ich habe den Brief mit einiger Verwunderung heute morgen zur Kenntnis genommen“, sagte der Grünen-Politiker am Mittwoch in Berlin. Preussen Elektra habe offenbar das Konzept der Einsatzreserve nicht verstanden.
Das Bundeswirtschaftsministerium teilte am Dienstag sogar mit, es habe im Vorfeld sehr wohl mit den Betreibern über die geplante „Einsatzreserve“ für die beiden Atomkraftwerke gesprochen. Folgende Varianten seien denkbar: Entweder werde im Dezember festgestellt, dass ein Abruf der Einsatzreserve nötig ist.
Dann bliebe eines oder beide Kraftwerke über den 31. Dezember hinaus in Betrieb. Oder es stelle sich vor Jahresende noch keine Notwendigkeit der Nutzung der Einsatzreserve dar, dann werde das Kraftwerk zum Jahresende runtergefahren.
In dem Fall, dass sich nach Jahreswechsel die Lage verschärfe, könnten die Atomkraftwerke im Januar oder Februar wieder hochgefahren werden. Dann laufen sie bis längstens Mitte April 2023 und produzieren Strom. „Natürlich ist zu klären, welche Maßnahmen noch unternommen werden müssen, um den Betrieb einer Anlage zu gewährleisten.
Diese Frage hätte sich im von Preussen Elektra vorgeschlagenen Streckbetrieb erst recht gestellt“, teilte das Ministerium mit. Als Habeck am Montag die Ergebnisse des Stromnetz-Stresstests vorstellte, überraschte der Grünen-Politiker nicht nur Politiker aus den Reihen von FDP und CDU mit seiner Entscheidung, sondern auch die Betreiber der Atomkraftwerke.
Zwei von drei noch laufenden Kernkraftwerken in Deutschland will Habeck im Winter für den Notfall bereithalten. Damit würden sie über die geplante Abschaltung zum Jahresende hinaus in Betrieb bleiben. FDP- und CDU-Politiker forderten hingegen einen regulären Weiterbetrieb für einige Jahre.
Die Atomkraftwerke Isar 2 und Neckarwestheim 2 in Bayern und Baden-Württemberg würden stattdessen nun „in eine Reserve überführt“ werden, erklärte der Minister bei der Präsentation der Stresstest-Ergebnisse. Diese würden genutzt, „wenn die Situation es gebietet“.
Habeck zufolge sollen sie „bis Mitte April 2023 noch zur Verfügung stehen, um falls nötig über den Winter einen zusätzlichen Beitrag im Stromnetz in Süddeutschland 2022/23 leisten zu können“. Das heiße auch, dass „alle drei derzeit in Deutschland noch am Netz befindlichen Atomkraftwerke planmäßig Ende 2022 regulär vom Netz gehen“.
Diese Ankündigung hatte die Atomkonzerne überrascht. Von der Möglichkeit eines Reservebetriebs hätten sie am Montag zum ersten Mal gehört. In Fachgesprächen, die es vorab gab, sei die Bereithaltung der Meiler nie Thema gewesen, heißt es aus Branchenkreisen.
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Dafür gibt es Gründe: „Kernkraftwerke sind in ihrer technischen Auslegung keine Reservekraftwerke, die variabel an- und abschaltbar sind“, hatte Eon am Montagabend klargestellt. Der baden-württembergische Energiekonzern EnBW erklärte, dass es nun möglichst schnell Klarheit brauche. „Wir sind aktuell im Austausch mit dem Bundeswirtschaftsministerium zur Klärung der konkreten Details und unserer Fragen“, sagte ein Sprecher am Mittwoch auf Anfrage. Erst danach könne man die technische und organisatorische Machbarkeit des aktuell diskutierten Vorschlags bewerten.
So richtig scheint bis jetzt noch nicht klar zu sein, was das Wirtschaftsministerium mit dem „Stand-By-Betrieb“ genau meint. Bereits am 25. August haben die Betreiber das Ministerium informiert, dass im Streckbetrieb „ein flexibles Anheben oder Drosseln der Leistung nicht mehr möglich ist“, heißt es in dem Schreiben des Preussen Elektra-Chefs.
Das gelte umso mehr, wenn die Anlage komplett heruntergefahren werden soll, wie Habecks Plan es vorsieht. Knott schreibt: „Dann nämlich ist mit den eingeschränkten Möglichkeiten eines solchen Reaktorkerns ein Wiederanfahren im fortgeschrittenen Streckbetrieb nicht und schon gar nicht kurzfristig innerhalb einer Woche machbar.“
Im regulären Streckbetrieb sind die Atomkraftwerke ohnehin ab dem Herbst. Das bezeichnet den auslaufenden Betrieb eines Meilers am Ende der Laufzeit der jeweiligen Brennstäbe. Was in den vergangenen Wochen diskutiert wurde, war ein Streckbetrieb über das geplante Abschaltdatum vom 31. Dezember hinaus.
Damit hatten die Atomkonzerne gerechnet. Genau das hatten die Netzbetreiber am Montagabend mit Blick auf das Ergebnis des aktuellen Stresstests auch empfohlen. Die vier Stromübertragungsnetzbetreiber 50Hertz, Amprion, Tennet und TransnetBW haben in drei Szenarien ermittelt, ob in den kommenden Monaten zu jeder Stunde ausreichend Strom zur Verfügung steht. „Unsere Botschaft ist ganz klar: Es ist sinnvoll und notwendig, alle Erzeugungskapazitäten zu nutzen“, sagte 50Hertz-Chef Stefan Kapferer bei der Präsentation der Ergebnisse in Berlin. Damit ist auch die Atomkraft gemeint.
Während ein Streckbetrieb über das Jahresende hinaus machbar wäre, wenn die finale Entscheidung dazu erst im Herbst falle, sei es „sehr schwierig“ bis beispielsweise Februar im Stand-By-Betrieb zu sein und im März noch einmal hochzufahren, heißt es aus Branchenkreisen.
In seinem Brief bietet Preussen Elektra-Chef Knott dem Ministerium erneut ein Fachgespräch an, in dem er die Möglichkeiten und Grenzen eines Winterbetriebs gerne persönlich erläutern wolle.
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