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17.01.2023

16:31

Energiekrise

Lohnt sich jetzt eine Infrarotheizung?

Von: Roman Winkelhahn

Die Infrarotheizung gilt in der Energiekrise als vermeintliche Alternative zur Gasheizung. Rechnen sich Infrarot-Paneele wirklich fürs Heizen oder sind sie Stromfresser?

Infrarotheizung dpa

Infrarotheizung

Alles andere als sinnvoll: In einer Kirche in Hessen sollen Infrarot-Paneele die Räumlichkeiten erwärmen.

Düsseldorf Infrarotheizungen versprechen schnelle, verlässliche und gezielte Wärme. Das Interesse an der vermeintlichen Alternative zur klassischen Heizung wächst angesichts hoher Energiepreise in diesen Tagen enorm. „In Zeiten steigender Gaspreise sind die Infrarotheizungen einer der Strohhalme, nach denen alle greifen“, sagt Reinhard Loch von der Verbraucherzentrale NRW.

Ob als Spiegel, Tafel oder hinter einem Kunstdruck von Monet, van Gogh oder Warhol: Infrarotheizungen scheinen sich einfach und geschickt in die Wohnungseinrichtung integrieren zu lassen und versprechen so gezielte und dadurch sparsamere Wärme für kalte Tage. 

Infrarotheizung: Vorteile und Nachteile im Überblick

Den meisten Menschen dürfte die Technologie in Form einer Handtucharmatur bekannt sein: Sie trocknet den Stoff; das Badezimmer dagegen wird nur geringfügig wärmer. Anwendungen wie die Infrarotheizung über der Werkbank oder dem Wickeltisch zeigen: Die Paneele waren nie dazu gedacht, eine ganze Wohnung oder gar ein Haus zu heizen.

Die Faustregel: Ob sich der Kauf einer Infrarotheizung auszahlt, hängt davon ab, wo das Gerät platziert wird und wann es in Betrieb ist.

Technisch sind die Paneele auf die punktuelle Erwärmung ausgelegt. Für Verbraucher können sie in diesen Zeiten steigender Gaspreise dennoch Vorteile haben. Die wichtigsten Fragen und Antworten.

Was ist Infrarotstrahlung?

Das Lichtspektrum teilt sich in verschiedene Wellenlängen auf. Zwischen der schwachen Mikrowellenstrahlung und dem Licht, das Menschen als Farben wahrnehmen, liegt die Infrarotstrahlung. Beim Auftreffen auf der Haut wird sie als Wärme wahrgenommen. Die Luft hingegen durchdringt sie problemlos und ohne eine Spur der Wärme zu hinterlassen.

Die Temperatur eines Objekts und die Intensität seiner Strahlung sind miteinander verknüpft. Das heißt: Ab einer gewissen Wärme strahlt ein Gegenstand im Infrarotspektrum. Das machen sich die Infrarotheizungen zunutze.

Wie funktioniert eine Infrarotheizung?

Über Strom werden Heizdrähte im Inneren der Heizung auf Temperatur gebracht und beginnen zu strahlen – wie in einer Glühbirne. Anders als bei der Glühbirne ist diese Strahlung allerdings nicht sichtbar, sondern nur spürbar. „Die Geräte geben eine angenehme Temperatur ab“, erklärt Loch, Leiter der Arbeitsgruppe Energieeffizienz bei der Verbraucherzentrale NRW. Den Strom beziehen die Infrarotheizungen über die Steckdose.

Hersteller bewerben die Geräte als Strahlungsheizungen – „unter diesen Begriff fallen jedoch streng genommen alle Heizformate“, sagt Loch. Auch die klassische Heizung strahlt einen Teil ihrer Wärme ab. Den größten Teil gibt sie aber direkt an die Raumluft ab. Das unterscheidet die herkömmliche Variante von der Infrarotheizung.

Die Heizkörper geben den Großteil der Wärme direkt in die Raumluft ab. dpa

Klassische Heizung

Die Heizkörper geben den Großteil der Wärme direkt in die Raumluft ab.

Besser noch als die Parallele zur Glühbirne passt der Vergleich mit einer Mikrowelle: Der Teller wird deutlich wärmer als die Luft im Gerät. Wer sich ein Infrarotpaneel ins Wohnzimmer hängt, verwandelt den Raum damit in eine große Mikrowelle, in der Gegenstände und Personen durch gezielte Strahlung aufgewärmt werden.

Wie sind Infrarotheizungen aufgebaut?

Die meisten Modelle sind in Form dünner Paneele gestaltet, in denen zwischen einer Isolierschicht und einer Frontplatte das Heizelement angebracht ist. Dieses besteht aus Heizdrähten, die beispielsweise in eine Schicht aus Keramik eingelassen sind. Die Isolierschicht soll verhindern, dass Wärme nach hinten austritt.

Die Frontplatte der Paneele ist in verschiedenen Designs erhältlich: schlicht in Weiß oder Grau, als Van-Gogh-Druck für die Bürowand oder auch als Spiegel für das Badezimmer.

Grafik

Die meisten Hersteller von Infrarotheizungen bieten die Geräte in den rechteckigen Formaten 100 mal 60 Zentimeter oder 120 mal 60 Zentimeter an. Für Nutzer, die die Heizungen an der Wand oder unter der Decke – beispielsweise in Kombination mit einer Leuchtleiste – anbringen wollen, spielt das Gewicht eine große Rolle: Klassische Paneele wiegen rund fünf Kilogramm, Modelle mit Spiegel bis zu 14 Kilogramm.

Was kostet eine Infrarotheizung?

Die Geräte kosten je nach Größe, Ausstattung und Leistung zwischen 100 und 250 Euro. Die klassische Variante mit einer Leistung von 600 Watt im Format 100 mal 60 Zentimeter ist bei Internetanbietern für rund 150 Euro erhältlich. Größere Modelle mit einer Leistung von bis zu 1200 Watt kosten rund 200 Euro. Auch für die Kunstvariante oder den Spiegel zahlen Käufer drauf.

Ist eine Infrarotheizung billiger als Heizen mit Gas?

„Infrarotheizungen sind auf keinen Fall als Vollersatz geeignet“, erklärt Loch. Es sei nicht sinnvoll, so der studierte Physiker, die Geräte an einem kalten Wintertag durchgehend am Netz zu lassen. Vor allem weil es deutlich teurer ist. 

Trotz Engpässen in den Pipelines ist Strom aktuell noch immer teurer als Gas. Im regulären Preisverhältnis lässt sich mit dem Faktor zwei rechnen: Strom kostet durchschnittlich doppelt so viel wie Gas.

Die Hersteller der Infrarotheizungen halten dagegen und argumentieren, dass dafür im Vergleich zur klassischen Konvektionsheizung die Hälfte der Energie eingespart werde. „Physikalisch ist das Quatsch“, erklärt Experte Reinhard Loch. Er komme in seiner Rechnung auf nur zehn bis 15 Prozent Einsparung.

„Die Infrarotheizung macht nur dort Sinn, wo sie auf kurze Dauer gebraucht wird, beispielsweise im Hobbyraum“, sagt er. Auch sei es vorteilhaft, die Geräte nur in gut gedämmten Räumen zu verwenden.

Kirchen, deren historische Räumlichkeiten oft eisig kalt sind, rät der Experte beispielsweise, Infrarotpaneele direkt unter den Bänken anzubringen wie bei einer Sitzheizung. Strahlen die Heizungen bloß von der Wand in den großflächigen, hohen Raum hinein, kann das den Effekt deutlich abschwächen.

Eine Infrarotheizung heizt gleichmäßiger als eine klassische Heizung. Stimmt das?

„Ob eine Heizung das Label ,Infrarot‘ verdient, hängt vom Konvektionsanteil ab, also der Wärme, die direkt an die Luft weitergegeben wird“, sagt Loch. Anbieter von Infrarotpaneelen unterstellen den klassischen Heizungen, nur heiße Luft zu produzieren, die dann direkt unter die Decke aufsteigt, erklärt der Physiker. 

Aber: „Jeder Heizkörper weist eine Mischung aus Konvektion und Infrarotstrahlung auf – und diese beiden Prozesse sollen auch stattfinden.“ Es brauche eine Wärmeumwälzung der Luft, um Gegenstände außerhalb des sogenannten Strahlungskegels zu erwärmen. 

Dem liegt eine Regel aus dem Physikunterricht zugrunde: Warme Luft steigt nach oben. „Wände und Decken dürfen nicht kalt bleiben. Das trägt weder zur Behaglichkeit bei, noch ist es gut für die Bausubstanz“, erklärt Loch.

Mehr zu Heizung, Heizkosten und Gasheizung:

Sind Infrarotheizungen Stromfresser?

Eine große Infrarotheizung muss mehr Wärme pro Fläche erzeugen – und verbraucht dadurch mehr Strom als ein kleineres Gerät. Die Produktvariante mit einer Leistung von 1200 Watt hat bei 1500 Heizstunden im Jahr einen Verbrauch von 1800 Kilowattstunden. Bei einem Strompreis von 32 Cent pro Kilowattstunde ergeben sich Verbrauchskosten von knapp 580 Euro.

Die Neukundenpreise liegen aktuell jedoch deutlich höher. Bei Kosten von 52 Cent pro Kilowattstunde zahlen Verbraucher rund 940 Euro jährlich. Die 600-Watt-Variante verbraucht entsprechend die Hälfte und verursacht somit jährliche Stromkosten von rund 290 Euro beziehungsweise 470 Euro.

Wann lohnt sich eine Infrarotheizung?

Infrarotpaneels lohnen sich für den Hobbykeller oder für das selten genutzte Gästebad, nicht aber um eine Wohnung oder gar ein Haus den Winter über warm zu halten. Eine Daueranwendung bewirkt vor allem eines: Sie würde die Stromrechnung unnötig in die Höhe treiben.

Reinhard Lochs Fazit: All die Alternativen zur klassischen Heizung klingen überzeugend, lösen aber das eigentliche Problem nicht: die steigenden Energiekosten. „Die Kostensteigerungen schlagen auf die Haushalte durch. Inzwischen machen die Nebenkosten mancher Mieter die Hälfte ihrer Warmmiete aus“, sagt Loch.

Diese „Vollkatastrophe“ führe dazu, dass sich Menschen auf die Suche nach alternativen Heizmethoden machen, die aber nicht unbedingt besser sind als die klassische Heizung: „Es hat einen Grund, dass die Hälfte der Haushalte mit Gas heizt: Das ist immer noch der wirtschaftlichste Weg.“

Wie sicher ist eine Infrarotheizung?

Wie bei einer Konvektionsheizung erwärmt sich auch die Oberfläche eines Infrarot-Paneels, wenn es in Betrieb ist, und zwar je nach Modell auf mehr als 100 Grad Celsius. Bei solchen Temperaturen können sich Nutzer leicht die Finger verbrennen. Vor allem im Kinderzimmer ist daher Vorsicht geboten: Die Paneele sollten möglichst außer Reichweite von Kleinkindern angebracht werden.

Lässt sich nicht zum Schutz der Kinderhände eine Decke über das Paneel hängen? Das ist auf keinen Fall sinnvoll, weil der Hitzestau unter der Decke zu einer Beschädigung des Geräts führen kann. Die Wärmestrahlung der Infrarotheizungen sollte nicht unmittelbar durch Gegenstände blockiert sein.

Ist eine Infrarotheizung in Verbindung mit einem Balkonkraftwerk sinnvoll?

Für aktuell 480 Euro bietet die Firma Alpha Solar ihr Modell der Infrarotheizung in Verbindung mit einem Balkonkraftwerk an. Von „Gratisstrom“ ist die Rede. Verbraucher sollen den Solarstrom, den sie über die Mini-Solaranlage produzieren, direkt in die Heizung einspeisen können.

„Klare Antwort: Das ist natürlich nicht sinnvoll“, sagt Reinhard Loch. Der Mehrwert von Balkonkraftwerken errechnet sich über den Durchschnitt mehrerer Jahre, schließlich wird in den Sommermonaten deutlich mehr Storm produziert als im Winter. „Im Sommer brauche ich aber keine Heizung“, sagt Loch. „Und die Sonneneinstrahlung von November bis Februar ist zu schwach, um damit eine Infrarotheizung effizient betreiben zu können.“

Erstpublikation: 05.10.2022, 17:08 Uhr.

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