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19.12.2022

15:30

Energiekrise

Uniper-Aktionäre machen Weg für Verstaatlichung frei

Von: Catiana Krapp, Christoph Herwartz

Die Aktionäre des krisengeplagten Gasimporteurs haben den Rettungsplan mit großer Mehrheit abgesegnet. Eine Freigabe jedoch fehlt noch.

Uniper dpa

Uniper-Zentrale in Düsseldorf

Uniper appellierte an die Solidarität der Aktionäre.

Düsseldorf, Brüssel Die Aktionäre des Gasimporteurs Uniper haben am Montag mit großer Mehrheit den Weg für eine Verstaatlichung des krisengeplagten Unternehmens frei gemacht. Auf einer außerordentlichen Hauptversammlung stimmten 99,46 Prozent für die im Rettungspaket vorgesehene Kapitalerhöhung, 99,55 Prozent für ein weiteres Genehmigtes Kapital von 25 Milliarden Euro.

Zuvor hatte Uniper noch den Abschluss eines Rahmenvertrags mit der Bundesregierung vermeldet. Daraus geht hervor, dass Uniper ohne Zustimmung des Bundes bis zum Ende der Stabilisierungsmaßnahmen keine Dividende ausschütten wird. Außerdem wird das Finanzministerium künftig für die Staatsbeteiligung an dem Konzern verantwortlich sein.

Trotzdem war es nicht Bundesfinanzminister Christian Lindner, sondern Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, der sich am Montag unmittelbar nach der Uniper-Entscheidung in Brüssel zu Wort meldete. Er sprach von einem „bedeutsamen Schritt, der in dieser Dimension nicht vorgekommen ist in der Geschichte der Bundesregierung.“ Uniper versorge ein Drittel Deutschlands mit Gas.

Habeck sagte auch, Uniper müsse sich als Teil der verabredeten Strategie neu aufstellen. „Das, was heute Erdgas ist, muss in Zukunft erneuerbare Energie oder Wasserstoff werden.“ Und Habeck betonte: „Der deutsche Staat ist keine Tankstelle. Wir wollen diese Unternehmen eigentlich nicht haben.“ Das Ankaufen und Verkaufen von Gas seien keine staatlichen Aufgaben.

Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach hatte zu Beginn der Hauptversammlung bei den Aktionären um Zustimmung zur geplanten Verstaatlichung geworben. „Die Beschlüsse, die auf der Tagesordnung dieser Hauptversammlung stehen, sind essenziell für Uniper“, sagte er.

Uniper macht seit Monaten hohe Verluste

Ohne die notwendigen Mittel aus den Kapitalerhöhungen sei der Fortbestand Unipers gefährdet. „Um es deutlich zu sagen: Sofern die Zustimmung nicht erteilt wird, müssten wir sehr kritisch die sogenannte Fortbestehensprognose für unsere Gesellschaft überprüfen.“ Eine eventuelle Insolvenz würde aus Sicht des Vorstands zum vollständigen Verlust für die Aktionäre führen.

Der mit Abstand größte deutsche Gaskonzern Uniper macht seit Monaten hohe Verluste, weil er teuren Ersatz für ausbleibende Gaslieferungen aus Russland besorgen muss. Für Ersatzbeschaffungen musste Uniper zwischenzeitlich tägliche Mehrkosten im zweistelligen Millionenbereich hinnehmen, in der Spitze waren es mehr als 200 Millionen Euro Verlust pro Tag.

Uniper hat deshalb ein Minus von insgesamt 40 Milliarden Euro verbucht, das sich ansammeln dürfte, solange Uniper weiter alte Lieferverträge mit den eigenen Kunden einhalten muss. Tatsächlich anfallen werden bis Jahresende laut Maubach rund 14 Milliarden Euro Verlust.

Uniper ist Lieferant für rund 550 Stadtwerke und weitere rund 500 Industrie-Großkunden. Das Unternehmen spielt damit eine zentrale Rolle für die Erdgasversorgung in Deutschland. Bei einer Insolvenz von Uniper würde ein Dominoeffekt befürchtet, der zahlreiche Uniper-Kunden und somit auch private Haushalte in große Schwierigkeiten bringen würde.

Die Hauptversammlung sollte den Weg zur Verstaatlichung der bisherigen Tochter des finnischen Versorgers Fortum ebnen. Sie sollte unter anderem einer Kapitalerhöhung von acht Milliarden Euro unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre zustimmen. Der deutsche Staat wird damit neuer Mehrheitseigentümer von Uniper und hält künftig rund 99 Prozent der Anteile.

Darüber hinaus wurde ein Genehmigtes Kapital in Höhe von 25 Milliarden Euro ebenfalls unter Ausschluss des Bezugsrechts der Aktionäre geschaffen. Das bedeutet, dass der Staat in den kommenden Monaten bis zu 25 Milliarden Euro nachschießen kann. Zusammen mit den festgelegten acht Milliarden Euro könnte die Staatsrettung Unipers so bis zu 33 Milliarden Euro kosten.

Kritische Aktionärsfragen bei Hauptversammlung von Uniper

Dass die geplanten Rettungsmaßnahmen für Uniper bei der Hauptversammlung abgesegnet werden würden, hatte kaum infrage gestanden. Schließlich hielt allein Fortum rund 70 Prozent der Uniper-Aktien. Die Zustimmung des finnischen Großaktionärs hätte bereits genügt.

Dass mehr als 99 Prozent der Stimmen  zugunsten der Rettungsmaßnahmen abgegeben werden würden, ließ der Verlauf der Hauptversammlung nicht vermuten. Dort mussten sich Uniper-Chef Klaus-Dieter Maubach und der stellvertretende Aufsichtsratschef Bernhard Günther insgesamt 292 Aktionärsfragen stellen. Viele der Fragen enthielten Vorwürfe, weil Uniper sich so abhängig von Russland als Gaslieferant gemacht hat und die bisherigen Aktionäre ihre Anteile zum niedrigstmöglichen Preis von 1,70 Euro an den Staat abgeben müssen – oder künftig mit einem winzigen Minderheitsanteil leben müssen.

Uniper macht hohe Verluste nach Gaslieferstopp durch Russland

Bevor die geplante Kapitalerhöhung tatsächlich erfolgen kann, muss die EU-Kommission den Fall jetzt noch nach dem Beihilferecht prüfen. Maubach hatte der Nachrichtenagentur Reuters am Samstag gesagt, dass er mit Auflagen rechne. Das sei bei solchen Verfahren üblich. „Wir hoffen, dass die Auflagen nicht allzu drastisch sind.“ Uniper erwartet laut Maubach eine Entscheidung der Brüsseler Wettbewerbshüter dazu in den kommenden Tagen.

Nach Handelsblatt-Informationen könnte Brüssel im Zuge der Auflagen von Uniper verlangen, das Niederlande-Geschäft zu verkaufen. Das Unternehmen besitzt dort ein Gas- und ein Kohlekraftwerk. Besonders das Kohlekraftwerk Maasvlakte gilt als attraktiv und könnte bei einem Verkauf mit bis zu einer Milliarde Euro bewertet werden, sagte ein Insider.

Mit einem Verkauf des Niederlande-Geschäfts käme Uniper vergleichsweise glimpflich davon. Die beiden Kraftwerke machen mit einer gesamten Stromerzeugungskapazität von 1,6 Gigawatt lediglich sieben Prozent der gesamten Kraftwerkskapazitäten des Konzerns aus.

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Deutlich größere Kraftwerkskapazitäten hat das Unternehmen in Schweden, wo es Wasser-, Atom- und Ölkraftwerke mit insgesamt 4,2 Gigawatt betreibt. Am Montag schloss Uniper mit dem bisherigen Hauptaktionär Fortum eine Vereinbarung, nach der der finnische Staatskonzern ein Vorkaufsrecht für das schwedische Wasserkraft- und Kernenergiegeschäft hat, falls Uniper sich davon trennen möchte. Aktuell will Uniper die Kraftwerke allerdings nach eigener Aussage nicht verkaufen.

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