Auch mit Gewinnabschöpfung rechnen sich Wind- und Solaranlagen, zeigt eine aktuelle Studie. Trotzdem könnten Investitionen in Erneuerbare ausgebremst werden.
Strompreis
Erzeuger sollen einen Teil ihrer Gewinne abtreten.
Bild: dpa
Berlin, Düsseldorf Die Energiebranche diskutiert heftig über die von der Bundesregierung geplante Abschöpfung von Übergewinnen. Verbände und Vertreter von Unternehmen wie RWE, EnBW und anderen warnen seit Tagen vor sinkenden Investitionen in erneuerbare Energien. Viele Akteure der Wind- und Solarbranche sehen das jedoch komplett anders – und eine neue Studie gibt ihnen größtenteils recht.
Laut der Energiemarktberatung Aurora Energy Research könnte die geplante Abschöpfung der Übergewinne kurzfristig zwar für „erhebliche Einnahmeverluste“ zwischen 32 und 55 Prozent sorgen. Aber: „Auf die langfristige Wirtschaftlichkeit der Anlagen, ob subventioniert oder nicht, hat das kaum Auswirkungen“, betont der Hauptautor der Studie, Lars Jerrentrup.
„Zum einen ist der Zeitraum, in dem die Abschöpfung wirksam wird, überschaubar kurz, zum anderen sind die Obergrenzen so angesetzt und mit Sicherheitsmargen versehen, dass die Anlagen weiterhin profitabel bleiben“, sagt Jerrentrup. Tatsächlich sorgten die hohen Strompreise sogar dafür, dass der Ausbau der erneuerbaren Energien in Deutschland sich erstmals auch ohne Subventionen im großen Stil rechne.
Genau das ist das Argument einiger mittelständischer Entwickler und Betreiber, die in der Gewinnabschöpfung kein wirtschaftliches Risiko sehen. Schließlich habe man gut verdient im vergangenen Jahr. Brancheninsider sprechen von sehr unterschiedlichen Fallkonstellationen, die zu großen Unterschieden in der Rentabilität der Windparks führten. Beispielsweise hätten Finanzinvestoren Windparks zu sehr hohen Preisen gekauft. Das räche sich nun, denn die geplanten Erlösobergrenzen könnten solche Projekte in schweres Fahrwasser bringen. Das gelte für andere Parks aber überhaupt nicht.
„Wind- und Solarparkbetreiber gehören zu den Kriegsgewinnlern, aber noch mehr die Kohle- und Atomstromerzeuger, neben den Öl- und Gasproduzenten. Und jetzt jammern sie alle, und während ihre Taschen überquellen, versuchen sie, der Öffentlichkeit vorzumachen, die Energiewende sei in Gefahr“, echauffiert sich Konrad Grevenkamp, Mitgesellschafter eines großen Windparks.
Tatsächlich machen Solar- und Windkraftunternehmen hohe Gewinne. Der Windparkbetreiber Encavis legte am Dienstag Zahlen für das dritte Quartal vor. Innerhalb der ersten neun Monate machten die Hamburger 87 Millionen Euro bereinigten Gewinn und damit deutlich mehr als die 58 Millionen Euro im Vorjahreszeitraum. Über die Hälfte der höheren Einnahmen geht laut Finanzchef Christoph Husmann auf die gestiegenen Strompreise zurück.
Doch die stellen Wirtschaft und Gesellschaft vor große Herausforderungen, zudem haben immer mehr Bürgerinnen und Bürger Probleme, ihre Energierechnungen zu bezahlen.
Wo über viele Jahre für 30 oder 40 Euro je Megawattstunde Strom gehandelt wurde, kassierten einige Erzeuger in diesem Jahr in der Spitze zwischen 400 und 600 Euro. Aktuell hat sich der Kurs zwar auf einem deutlich niedrigeren Niveau wieder beruhigt. Am Dienstag kostete eine Megawattstunde Strom im tagesaktuellen Handel aber immer noch über 140 Euro – ein Anstieg um 250 Prozent.
Deshalb plant die Bundesregierung eine Strompreisbremse. Um sie zu finanzieren, will sie bei den Erzeugern 90 Prozent der Einnahmen, die bestimmte Grenzen überschreiten, abschöpfen. Erhoffte Einnahmen: 30 Milliarden Euro.
Wind- und Solarparkbetreiber fürchten deswegen trotz ihrer gestiegenen Einnahmen, dass Investitionen in Erneuerbare ausgebremst werden. Denn laut Branchenteilnehmern sind auch die Preise für die Anlagen inflationsbedingt massiv gestiegen, ebenso die Bau- und Personalkosten und die Zinsen für Kredite. Encavis-Finanzchef Husmann kritisiert: „Das muss durch irgendetwas kompensiert werden. Zum Beispiel durch höhere Strompreise. Aber die werden jetzt gekappt.“
Erste Ökostromproduzenten berichten schon von Projekten, die sie vorerst pausiert oder ganz eingestampft haben. Zu groß sei die Verunsicherung, ob sich die Investition überhaupt noch lohnt.
Die größte Gefahr durch die geplante Gewinnabschöpfung sehen auch die Experten von Aurora Energy in der Verunsicherung der Marktteilnehmer. Der geplante massive Eingriff in den Strommarkt führe zu einem Vertrauensverlust bei den Beteiligten. Vor allem weil nicht klar ist, ob die Maßnahme vielleicht sogar verlängert wird – ein Umstand, den auch die Erneuerbarenbranche scharf kritisiert. Das „könnte sich langfristig negativ auf die Risikoeinschätzung von Investoren und damit auf die Finanzierungsbereitschaft auswirken“, so die Studienautoren.
>> Lesen Sie hier: Übergewinne – Die Bundesregierung schafft ein Bürokratiemonster
Auch Managerin Julia Padberg von der europäischen Investorengruppe Set Ventures hält diese Gefahr für durchaus real: „Investitionen in den Ausbau erneuerbarer Energien sind die einzig nachhaltige Lösung für das Problem der hohen Energiepreise.“
Dabei erholen sich Investitionen in erneuerbare Energien erst seit ein paar Jahren wieder, nachdem sie von 2017 bis 2019 um mehr als 30 Prozent eingebrochen waren.
Im vergangenen Jahr wurde hierzulande mit 13,3 Milliarden Euro so viel in den Ausbau nachhaltiger Energieanlagen investiert wie seit drei Jahren nicht mehr. Wie sich die gestiegenen Kosten jetzt auf das Investitionsklima auswirken werden, ist allerdings schwer absehbar.
Windparkgesellschafter Konrad Grevenkamp sieht die Ursache für mangelnde Investitionen jedenfalls nicht in der Gewinnabschöpfung. „Die Energiewende ist in Gefahr, weil die Länder zu wenige Flächen ausweisen, weil die Genehmigungen viel zu lange dauern, die Regularien dazu zu uneinheitlich sind, die Materialkosten steigen und der Fachkräftemangel längst spürbar ist.“
Tatsächlich stagnierten die Ausbauzahlen für Windkraft an Land im ersten Halbjahr. Bei der Solarkraft gehen die Zahlen zwar deutlich nach oben, das erklärte Ziel von 22 Gigawatt pro Jahr ist aber auch hier in weiter Ferne.
Auf tippen, dann auf „Zum Home-Bildschirm“ hinzufügen.
Auf tippen, dann „Zum Startbildschirm“ hinzufügen.
×
Kommentare (2)